James Bond "Vargr"

Warren Ellis

Warren Ellis ist vielleicht durch seine Herkunft als Brite und seine Erfahrung mit amerikanischen Comics vorbestimmt, James Bond für eine neue Comiclesergeneration zu regenerieren. Es ist die erste neue James Bond Geschichte in Comicform seit fast zwanzig Jahren.  In Romanform mit Horowitzs „Trigger Mortis“ ist James Bond ja nicht nur charakterlich zurück zu Ian Flemings Vorlagen geführt worden, es sind auch einige Fragmente aus der nicht realisierten amerikanischen Fernsehserie in den Roman eingeflossen.  Daniel Craigs James Bond bedeutete ja nicht nur vom Schauspieler her, sondern dem Setup ebenfalls einen Neustart der Serie. Die Wurzeln tiefer in der Vergangenheit, die grundlegenden Handlungsbögen deutlich brutaler und düsterer und einen James Bond, dessen Erfahrungen nicht mehr aus dem Zweiten Weltkrieg, sondern dem Golfkrieg stammen.  Warren Ellis hat sich in den ersten sechs hier zusammengefassten Heften bemüht,  Ian Flemings unnahbaren James Bond zu interpretieren und gleichzeitig den Geheimagenten an die von der Politik dominierte Gegenwart anzupassen. So werden Handfeuerwaffen im diplomatischen Gepäck verschickt, was James Bond in Berlin beinahe das  Leben kostet.  Missionen im Ausland sollten in der Theorie mit den betroffenen Regierungen abgestimmt werden, was gegen Ende des Abenteuers tausenden von Menschen das Leben kosten könnte. Und die britische Regierung denkt daran, tatsächlich die Doppel OO Agenten in den Ruhestand zu versetzen.

„Vargr“ beginnt mit dem für die Kinofilme obligatorischen Teaser. James Bond rächt einen der im Dienst gefallenen Kollegen und bringt den sadistischen Mörder – nicht der einzige Sadist in diesem Comic – blutig und effektiv zur Strecke. Auf den ersten Seiten erkennt der Leser schon die so typische „Handschrift“ Warren Ellis, der wie Garth Ennis gerne übertrieben blutig agiert.  

Die eigentliche Geschichte ist dabei ausgesprochen banal, teilweise zu sehr auf den ursprünglichen Geschichten Ian Flemings basierend, in denen es um die Auseinandersetzung zwischen in erster Linie größenwahnsinnigen körperlich versehrten, aber hochintelligenten Verrückten und der britischen Selbstjustiz –ein- Mann-Armee geht.  Neue künstliche Drogen tauchen vor allem in England auf.  Der amerikanische Geheimdienst hat einen Typ von einem in Berlin lebenden Wissenschaftler erhalten, da die Produktionslager in der deutschen Hauptstadt sind. James Bond soll sich mit dem Wissenschaftler treffen.  Schon auf dem Weg vom Flughafen wird er von einer schönen Frau angegriffen und beinahe getötet.  Das Team vor Ort kann ihm auch nicht weiterhelfen und die ausgelegte Spur führt nicht zu den Herstellern der synthetischen Droge, sondern zu einer brutalen Mafiabande, die James Bond am liebsten gleich um die Ecke bringt.

Nach kurzer Zeit ist der britische Geheimagent - wie er es fast am liebsten hat – auf sich alleine gestellt.  Er muss nicht nur im winterlichen Berlin, sondern später während des Höhepunkts der Serie auf einem ausgedienten fiktiven Schlachtschiff „Vargr“ im eiskalten Finnland gegen den relativ früh im Spannungsbogen und sehr leicht erkennbaren Feind ankämpfen. Dabei wirkt die finale Auseinandersetzung mit dem Schurken sogar dezent und ein wenig rührend.

Auf dem Weg dahin machen Ellis und sein vor allem hintergrundtechnisch dank subjektiver Perspektiven die James Bond Filme sehr gut einfangender Zeichner Jason Martens sehr viel richtig.  Während die Locke wie in den Filmen nicht immer ins Gesicht fällt, ist Warren Ellis James Bond wie in Ian Flemings zwölf Romanen und zwei Handvoll Kurzgeschichten schwarzhaarig.  Martens James Bond ist von kräftiger Statur, eher drahtig als schlank. Natürlich sportlich. Der Zeichner hat sich an den cineastischen Vorlagen hinsichtlich Schuss- und Kampftechnik, sowie seinen Bewegungsabläufen orientiert.  Immer an Frauen interessiert wirkt er nicht so draufgängerisch. Er flirtet natürlich mit einer jetzt jungen und farbigen Moneypenny. Auch „M“ ist inzwischen ein Farbiger.  Der Leser wird die beliebten Schemata – so zweifelt sein Vorgesetzter weiter an Bonds kontinuierlicher und eher selektiv erscheinender Pflichtauffassung – bis hin zu den Witzen über seine Damenwaffen kennen und erkennen. Auf den ersten Seiten schaffen Ellis und Martens eine Atmosphäre des Vertrauten und doch Neuen.  Dieser Bond kennt wie seine Feinde keine Gnade und tötet mechanisch. Dabei spielt es keine Rolle, um es sich um relativ Unschuldige – Angestellte im Dienste des Superschurken – handelt oder nicht. Während er im Prolog von Rache getrieben worden ist, agiert er deutlich mechanischer und vielleicht damit auch ein wenig stupider. Die Actionszenen vom Kampf im rasenden Auto über das Feuergefecht im Lagerraum bis zur finalen Auseinandersetzung auf dem Schlachtschiff sind gut gewählt. Es sind brutale harte Kämpfe ums nackte Überleben.

Die Schurken sind exotisch, wobei der Hintermann auch motivtechnisch ein wenig farblos erscheint. Keine Weltherrschaft, sondern als Spezialist für Prothesen und Drogen. Eine umfangreiche Organisation, die als Seitenhieb auf die CIA nicht von den amerikanischen Cousins durchschaut worden ist. Aber ist es mit seiner schrillen Stimme und seinem kontinuierlichen Delegieren deswegen gefährlich? Eher nicht. In einem James Bond Film und den meisten Büchern legen die Schurken während des Showdowns selbst Hand an. Das erspart der Autor dem Leser.  Die Handlanger mit ihren körperlichen Veränderungen sind dabei besser gezeichnet. Auch hier sind die ersten Kämpfe deutlich origineller und faszinierender als die finale Auseinandersetzung.

Wie eingangs erwähnt ist die grundlegende Handlung relativ stringent, vielleicht zu einfach aufgebaut. Das liegt auch an der erzähltechnischen Struktur. Lange Bildpassagen ohne Dialoge; große die Stimmung einfangende Zeichnungen vor allem der winterlichen Städte und Landschaften, dann teilweise aus subjektiver Perspektive die angesprochenen Actionszenen voll intensiver unter die Haut gehender Gewalt. Das ist modern in einen Comic umgesetzt die erzählerisch sich an Ian Fleming orientierte Welt der gegenwärtigen James Bond Kinofilme.   In den ersten sechs Heften dominiert positiv die Atmosphäre, auch wenn der Plot selbst relativ zügig voranschreitet.

„Skyfall“ ist dafür kritisiert worden, in James Bond allerdings der Vorlage entsprechender Vergangenheit zu schnüffeln und trotzdem eine kurzweilige interessante Geschichte erzählen zu müssen. Ellis ist sich des langen Schattens der Kinoreihe und vor allem auch der Romane bewusst. Er  sucht die perfekte Balance zwischen Hommage vor allem im ersten Comicheft und Moderne weit weg von der Kalter- Krieg- Propaganda. Zusammen mit dem experimentierfreudigen  Martens und seiner dezenten, fast zurückhaltenden Farbgestaltung präsentiert er einen intensiven, brutalen James Bond. Er zeigt ein scharfes Werkzeug der Demokratie, das es in dieser Form abseits aller Gesetze nicht geben dürfte. Das aber benötigt wird.

In einem schön gestalteten Hardcovereinband präsentiert der Splitter Verlag das erste in sich abgeschlossene Abenteuer bestehend aus sechs Einzelheften. Die Titelbilder der im Dynamite Verlag veröffentlichten Originalserie sind hinzugefügt und verstärken die melancholische Grundstimmung noch mehr.

Auch wenn Ellis der erdrückenden Erwartungshaltung an seine erste James Bond Geschichte nicht immer gerecht geworden ist, hat er die Vorlage im Rahmen der einengenden Leitplanken geschickt und intelligent modernisiert. Vor allem Daniel Craig Fans werden viele Züge der Serie wiedererkennen.   

 

  

  Autor          Warren Ellis, Ian Fleming
ZeichnerJason Masters
ÜbersetzerBernd Kronsbein
EinbandHardcover, Bookformat, Splitter Verlag
Seiten144
Band1 von X
Lieferzeit3-5 Werktage
ISBN978-3-95839-396-7
Kategorie: