Kara Ben Nemsi Neue Abenteuer Band 9 "Das Vermächtnis aus der Felsenstadt"

Kara Ben Nemsi Band 9, Vermächtnis aus der Felsenstadt
Hymer Georgy

Hymer Georgy präsentiert mit „Das Vermächtnis aus der Felsenstadt“ den Abschluss der zweiten „Kara Ben Nemsi“ Miniserie. Es ist ein ausgesprochen ambitioniertes Ende, das vor allem die Tradition Karl Mays – die Schuldigen werden bestraft – in einen engen Zusammenhang mit den semiphantastischen Ideen der modernen Adventurefilme wie „Indiana Jones“ stellt. Vor allem über einen Zeitraum von fast vier Jahren erzählt – es gibt einen Bruch nach dem ersten Drittel der Handlung – erscheint die ganze Buchserie ausgesprochen kompakt, komplex, aber nicht kompliziert um ihrer Selbst willen. Natürlich provoziert Hymer Georgy mit den eigentlichen Funden in der Felsenstadt Petra neben dem obligatorischen sagenumwobenen Schatz, der aber tödliche Schatten wirft. Aber der historische Hintergrund wird überzeugend mit einer Mischung aus Faktionen und Fiktionen vor den Lesern ausgebreitet. Begleitet von entsprechenden Fußnoten rundet sich das Bild zufrieden stellend ab, zumal Hymer Georgy wie im zweiten Buch viele Informationen nicht belehrend vorträgt, sondern die einzelnen Charaktere bringen ihr Wissen nicht selten mittels Dialogen oder in nur wenigen Ausnahmenfällen in Form der Aufzeichnungen Kara Ben Nemsis ein. Ohne abschließend befriedigende Antworten zu präsentieren, erscheint Petra als eine historisch wichtige Stätte, deren Geheimnisse selbst die gerade ihre Verbreitung findenden Lehren von Charles Darwin unterminieren könnten.

 Neben diesem überzeugenden Hintergrund präsentiert der dritte Band eine unterhaltsame Abenteuergeschichte mit wechselnden Koalitionen. Nur vordergründig versuchen die Autoren Kara Ben Nemsi eine besondere Art von Moral zu verleihen. Er weiß, dass sein Auftraggeber Rügli keine Grabgenehmigung für Petra beantragt hat. Damit reduziert er sich auf das Niveau eines gewöhnlichen Grabräubers. Dieser Kara Ben Nemsi hat wahrscheinlich überzeugender als Karl Mays zu übertrieben guter Held nur wenig Bedenken, für seine Dienste mit Schmuckstücken aus einem der gefundenen und damit bestohlenen Gräber bezahlt zu werden.

Rügli, Kara Ben Nemsi und seine wenigen Getreuen müssen sich im ersten Abschnitt mit zahlreichen oppositionellen Kräften in ihrer Gruppe auseinandersetzen. Das Ende dieses Handlungsstranges bleibt eher unbefriedigend.

 Erst dreieinhalb Jahre später wird die Idee wieder aufgenommen. Kara Ben Nemsi wird von Rügli zurück nach Petra gerufen, weil er seinen Freund an seiner Seite braucht. Einige der aufgefundenen Schriftrollen mit ihrer bislang unbekannten Sprache konnten entziffert werden, aber die geben nur in ihrer Gesamtheit einen Sinn. Ein Teil des in doppelter Hinsicht gestohlenen Schatzes bleibt verschollen. Im Lager selbst hat sich Helena Rügli inzwischen in den ambitionierten, aber auch zwielichtigen Belgier im Team verliebt.

 Neben diesen zwischenmenschlichen Spannungen versucht der Autor mit einer Reihe von Anschlägen auf den heranreisenden Kara Ben Nemsi, einigen Überfällen durch aus den ersten Bänden bekannte Banditen und schließlich die finale Auseinandersetzung mit einem der Hintermänner Spannung zu erzeugen. Die Szenen sind abwechselungsreich erzählt und vor allem bemüht sich Hymer Georgy immer überzeugend, einen Hauch des Flairs ohne den überzogenen Beigeschmack eines fiktiven Orients zu erzeugen. Die Überfahrt an Bord des Schiffes mit der pragmatischen Lösung durch den Kapitän gehört zu den Höhepunkten der Handlung.

 Die wechselnden Fronten einzelner Personen könnten teilweise verwirren. Aber dieser Ansatz durchzieht den ganzen Roman. Nicht selten erscheint das auf den ersten Blick widersinnige Verhalten einzelner Personen rückblickend wieder logisch, weil in aussichtslosen Situationen Kara Ben Nemsis Leben geschont werden soll.

 An einigen anderen Stellen leidet der Roman aber auch unter einer gewissen Vorhersehbarkeit. Wie bei Karl May ist es immer wieder erstaunlich, wie naiv beide Seiten mit ihren jeweiligen Gefangenen umgehen und wie leicht sich diese wenn auch nicht selten nur zeitweise befreien können. Ein oder zwei Hindernisse mehr hätten dem Plot spannungstechnisch nicht geschadet. Aber diese Szenen benötigt der Autor, um den Fluss der Handlung hochzuhalten. Während im ersten Buch der Trilogie vor allem die Reise zur und später in die Felsenstadt beschrieben worden ist, spielt der größte Teil des Geschehens im mittleren Roman innerhalb oder teilweise unterhalb der gigantischen Stadt. Durch den zeitlichen Bruch löst Hymer Georgy diese Konzentration auf eine einzelne Situation geschickt auf und kann auch wieder auf mehrere parallel laufende Handlungsbögen zurückgreifen. Das Geschehen muss nicht nur verbal auf Augenhöhe der Protagonisten und damit auch der Leser berichtet werden.

 Im Gegensatz zur ersten Miniserie können die beteiligten Autoren sehr viel weniger mit überzeugenden Frauenfiguren anfangen. Vor allem die auf den ersten Blick Gespielin des Schut hat aus der Masse herausgeragt, während sie mit der leicht zu manipulierenden bis tatsächlich naiven Helena Rügli und ihren beiden „Liebschaften“ eher in die Klischeekiste griffen und damit einen Teil der Handlung sogar tempotechnisch zum Erliegen gebracht haben. Der Leser vermisst zusätzlich die teilweise so fein gezeichneten Figuren des ersten Bandes dieser Trilogie. Sie tauchen zwar meistens wieder auf, ihnen fällt aber die originelle Eigenständigkeit vom Beginn der Serie. Zu sehr werden sie mit dem Geschehen mitgerissen.

 Auch Kara Ben Nemsi scheint vor allem in den Zwischenpassagen ein wenig zu charakterlich simpel gezeichnet worden zu sein. Auf der einen Seite hat er wenig moralische Skrupel, nicht nur die Belohnung bestehend aus Diebesgut anzunehmen, sondern auch einen Teil seiner finanziellen Probleme – hier gibt es eine entsprechende Fußnote zu Karl Mays realem Leben – dank des unverhofften Wechsels Rüglis einzulösen, obwohl er eigentlich nicht unbedingt gewillt ist, dessen Einladung zu folgen und das Geld zweckentsprechend einzusetzen. Erst während des Epilog und der ein wenig sehr naiven Entlarvung des eigentlichen Täters – ohne dessen Prahlerei wäre Kara Ben Nemsi keinen Schritt weiter gekommen – gewinnt er wieder an Statue und trägt die Geschichte um die Geheimnisse der Felsenstadt inklusiv der teilweise Bestrafung der Täter zu einem zufrieden stellenden Ende.

 Zusammengefasst wirkt die ganze Trilogie deutlich mehr an Karl Mays „Orient“ Romane angelehnt als die erste Serie um den Schut. Der Schut ist ohne Frage ein deutlich charismatischerer Schurke, aber die Autoren haben in dieser Serie den vielleicht kleinen Fehler gemacht, die Figur plötzlich mehr und mehr wieder zu einer Art „Diener“ anderer Mächte zu machen und damit sein Charisma zu unterminieren. In der vorliegenden Trilogie gibt es zwar mehrere Antagonisten, aber sie wechseln sich in munterer Folge eher ab, so dass sich kein einheitliches Bild abzeichnet. Positiv ist, dass die Handlung ausgesprochen stringent und sehr geradlinig angelegt worden ist. Mit der eher unbekannten Felsenstadt Petra und ihrer wirklich wechselhaften Geschichte sowie den Verbindungen zum alten Ägypten haben G.G. Grandt und seine Autoren einen Hintergrund gewählt, der geheimnisvoll, verführerisch, gefährlich und gleichzeitig exotisch „modern“ erscheint. Kein Wunder, dass Kara Ben Nemsi fast Widerwillen noch einmal zurückkehrt, um dem Grabräuber Rügli zur Seite zu stehen.

  Der Sechsteiler um den Schut drohte unter dem Eigengewicht zu zerbrechen, diese Gefahr besteht bei den Abenteuern in und um die Felsenstadt nicht. Damit wird vielleicht mehr der Geist Karl Mays getroffen, wobei vor allem einige der Romane um den Schut zu den besten Kanongeschichte Kara Ben Nemsis gehören, weil dessen Einzigartigkeit mit einer historisch gut recherchierten politisch gewichtigen Hintergrundhandlung verbunden worden ist.

 

    

Taschenbuch,  236 Seiten

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Titelbild: Mark Freier

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