Die Rache des Titans

Die Rache des Titans, Greg Bear, Rezension
Greg Bear

„Die Rache des Titan“ ist der dritte und abschließende Band der „War Dogs“ Serie von Greg Bear. Da die Handlung wie zwischen den ersten beiden Büchern nur wenige Minuten nach dem jeweiligen Cliffhanger einsetzt, ist sinnvoll, die einzelnen Teile als einen ganzen Roman anzusehen und in einem Zug zu lesen.

 Im Original hat Greg Bear seinen Abschlussband „Take Back The Sky“ genannt und der Titel passt auch deutlich besser. Wie es für eine Military Science Fiction Geschichte sich gehört, sollten gegen Ende die menschlichen Kräfte nicht unbedingt alleine, aber konsequent den oder die Gegner besiegen und dadurch den abschließenden Sieg einfahren.  Bei Greg Bear kommt eine Schwierigkeit zusätzlich auf seine Protagonisten zu. Im Grunde wissen sie nicht, wer ihrer außerirdischen Partner oder Verbündete überhaupt welche Seite vertritt.

 So sind der Erzähler Michael Venn und seine Truppe von Space Marines am Ende des zweiten Teils „Killing Titan“ unter der Oberfläche in einem Höhlenlabyrinth eingeschlossen worden. Sie hatten kurz vorher die Seiten gewechselt und werden jetzt von den „eigenen“ Verbündeten bedroht, nachdem sie erfahren haben, das diese nicht ganz ehrlich mit den irdischen Soldaten gewesen sind.

 Lange Zeit sind die Soldaten und die Leser davon ausgegangen, dass der Konflikt zwischen den mysteriösen und sich im Hintergrund haltenden Gurus und den wie Vögel erscheinenden Antagonisten – im Original Antags genannt – im Grunde ein Ablenkungsmanöver ist und die Prämisse auf Lügen aufbauen. Eine interessante Prämisse vor allem auch für Vergleiche mit Konflikten auf der Erde, zu deren Beginn schon die jeweiligen Propagandamaschinen jegliche Wahrheit verdrehen. Die Antags möchte nur noch nach Hause und haben ein Raumschiff der Gurus übernommen.

 Greg Bear hat den Plot in seinem letzten Buch deutlicher dem Hintergrund unterstellt. Natürlich ist es eine interessante Versuchung, einen Konflikt fast ausschließlich aus der Perspektive der Bodensoldaten, der einfachen Befehlsempfänger zu beschreiben. Der Verzicht auf das komplexe Ganze könnte den Spannungsbogen erhöhen. Wenn ein Autor eine solche Idee aber zur Grundlage seines Buches macht, dann muss er sie auch konsequent bis zum Ende durchziehen. Immer wieder finden Michael Venn und seine deutlich schwindende Zahl von allerdings sehr eindimensional charakterisierten Kameraden Hinweise auf die „Verschwörung“ der Gurus oder werden zwischen den einzelnen, intensiv und interessant beschriebenen Kämpfen förmlich mit der Nase auf potentielle Fakten gestoßen, die sie in einem echten Konflikt niemals zu Gesicht bekommen könnten. Greg Bear hat vor allem im zweiten, ein wenig zu chaotisch erscheinenden Roman den Fehler gemacht, diese beiden Ebenen nicht säuberlich voneinander zu trennen und ist dadurch in eine Reihe von inhaltlichen Verhaltensmustern zurückgefallen, welche die Komplexität des Plots unterminieren.

 Im dritten Band führt diese Vorgehensweise fast dazu, dass der Bodensoldat Venn durch die von ihm direkt oder indirekt eingesammelten Informationen in der Lage ist, seine Vorgesetzten herum zu kommandieren, um aus einer im Grunde aussichtslosen Situation zumindest einen Pyrrhussieg zu erringen. Positiv ist, dass Greg Bear dadurch den Fokus mehr auf die kleine Truppen von Soldaten lenkt. In den ersten beiden Büchern waren sie reine direkte oder indirekte Befehlsempfänger, die ausschließlich auf Herausforderungen und Bedrohungen reagieren konnten. Hinzu kam in einer subversiv erzählten Nebenhandlung die Erkenntnis, das die immer wieder impliziert beschriebene militärische Ausbildung im All in einem Konflikt mit Außerirdischen sinnlos ist und instinktiv neue Taktiken improvisiert werden müssen.

 Im vorliegenden Roman ist Michael Venn abgesehen von der Übergangsszene zwischen „Killing Titan“ und „Take Back the Sky“ deutlich aktiver und entschlossener. Selbst hinsichtlich des Endes ist Greg Bear nicht bereit, ein klassisches Happy End zu entwickeln, wobei sich der Amerikaner zusätzlich die Option offen hält, unabhängig von einem zufrieden stellend abgeschlossenen Handlungsbogen mittels des Epilogs weitere Romane diesem Universum hinzufügen.

 Ein großes Problem ist aber weiterhin der viel zu ambitionierte Überbau seiner Geschichte. Greg Bear gehört lange Zeit in den weiten Fußstapfen seines Schwiegervaters Poul Anderson zu den Autoren, die klar und trotzdem komplex ihr Universum entwickelt haben. Dabei traf der Sense of Wonder immer wieder auf wissenschaftlich fundiert, aber verständlich formulierte Hintergründe sowie überzeugend gezeichnete, vor allem menschliche Protagonisten.

 In dieser Trilogie benötigt der Leser im Grunde alle drei Romane, um sich in dem Geflecht von fremden Rassen zurecht zu finden. Die Verwirrungstaktik funktioniert nur bedingt, da die einzelnen Motive durch die subjektive Perspektive Venns absichtlich auch verzerrt wieder gegeben sein könnten. Grundsätzlich ist eine Artenvielfalt kein Problem in einem Science Fiction Roman. Der Autor muss aber auch bereit sein, diese klar zu charakterisieren und zwischen ihnen auch gut zu differenzieren. In der Realität vor allem der ersten beiden Bücher geht Greg Bear eher nach der Methode vor, weniger ist mehr und belässt es bei zahllosen Anspielungen, aus deren Mosaikstücke sich der Leser ein eigenes Bild machen soll. Abschließend ist diese Vorgehensweise wenig überzeugend und verwirrt den außen stehenden Betrachter genauso wie Venn, der allerdings sein Leben in die Wagschale dieses komplizierten, aus dem Nichts heraus entstandenen Konflikts werfen muss.

 Auch bei anderen Punkten bleibt Greg Bear oberflächlich. So wird immer wieder erwähnt, dass eine gut charakterisierte Protagonistin wie Ishida aufgrund ihrer außergewöhnlichen „Technik“ ein Prototyp in einem unkontrollierten Kampfeinsatz sein soll, während alle Grunts um sie herum in ihr nichts Besonderes sehen. Der Autor ignoriert die Tatsache, dass sie Mitglied eines Teams ist, das nur überleben kann, wenn sich alle Soldaten wie in der Ausbildung bis zum Exzess trainiert aufeinander verlassen können. Und dazu gehört, auch die Fähigkeiten der Kameraden zu kennen. Spätestens in diesem Punkt muss entweder relativiert werden, dass sie sich schon an Ishida besondere Fähigkeiten gewöhnt haben oder die attraktive Frau doch etwas Besonderes in der Einheit darstellt. Der von Greg Bear angestrebte Mittelweg wirkt wie auch der Deal zwischen Kumar und seinem bisherigen Partner wenig überzeugend.

 Eine große Schwäche des Buches ist der ambivalente Einsatz von auch grüner Technik. Anstatt den Hintergrund zu erläutern, wirft der Autor mit nicht nachvollziehbaren potentiellen Fakten um sich und verblüfft nicht nur Venn, sondern auch die Leser. Argumentativ könnte wieder auch durch den expressiven Stil davon gesprochen werden, dass Greg Bear absichtlich alles auf die unwissende Ebene des einfachen Fußsoldaten reduzieren wollte, dann muss er aber diese Vorgehensweise konsequent bis zum Ende durchhalten und darf in anderen Szenen nicht davon abweichen. Ambivalenz ist eine der größten Schwächen dieser teilweise hektisch niedergeschrieben erscheinenden Trilogie.

 Zusammengefasst ist die „War Dogs“ Trilogie vor allem angesichts der so oft gezeigten literarischen Fähigkeiten eines Greg Bears eher nur durchschnittliche „Military Science Fiction“ mit den leider inzwischen zu Klischees gewordenen inhaltlichen Abläufen. Nur selten und dann gegen Ende des vorliegenden dritten Buches bricht der Autor aus den Handlungsmustern aus, obwohl er theoretisch mit der nicht konsequent durchgehaltenen Perspektive eines Bodensoldaten, den verschiedenen nicht gut voneinander getrennten Aliens und dem expressiven, herausfordernden wie hektische Stil versucht hat, neue Ideen in dieses Subgenre zu bringen.