Kara Ben Nemsi Neue Abenteuer Band 11 "Im Reich der Shejitana"

H.W.Stein (Herg.)

Auch wenn es vermessen klingen mag, die wichtigste Seite des ganzen Romans,  vielleicht der ganzen Serie findet sich gleich am Anfang. Kara Ben Nemsi ist in Port  Said gelandet und reitet nach Kairo. Er beschreibt die Hauptstadt des  ägyptischen Reiches aus heutiger Sicht fast unglaublich als Schmelztiegel verschiedener Religionsgemeinschaften,  wo Moslems und Juden nicht nur Tür an Tür, sondern teilweise in den gleichen Häusern leben können. Mit einer gewissen Ignoranz den Besonderheiten der anderen Religion gegenüber  arbeiten sie friedlich zusammen oder nebeneinander. Angesichts der heutigen Situation mit den verschiedenen Religionskonflikten beschreibt Thomas Ostwald vielleicht keine perfekte pazifistische Oase, sondern führt den Lesern wie immer gut recherchiert vor  Augen, wie es tatsächlich mal gewesen ist und vielleicht irgendwann mal wieder sein könnte. 

„Im Reich der Shejitana“ ist der Mittelteil dieser Trilogie.  Ein rasantes Abenteuer, in dessen Verlauf Kara Ben Nemsi nur einmal betäubt wird. Der Roman zerfällt  im Grunde in drei gleich gewichtete Teile.  Zu Beginn die Ankunft in Ägypten und die ersten weiteren Forschungsarbeiten in der Nekropole. Im Mittelteil eine erneute Begegnung mit der verschlagenen Shejitana und schließlich ein Showdown buchstäblich in James Bond Manier mit einer Konfrontation zwischen gut und böse. 

Im ersten Teil nimmt sich der Autor sehr viel Zeit, um nicht nur die Atmosphäre  Ägypten wieder zu beleben,  sondern Kara Ben Nemsi erhält  einen jugendlichen Führer, der im in einige eher unbekannte Abschnitte der Nekropole führen kann. Der Junge wird während des Showdowns auch eine Rolle spielen. Natürlich lässt  sich argumentieren, dass diese zufällige Begegnung rückblickend ein wenig konstruiert erscheint, aber sie führt die Karl May Tradition fort.  Auch in einigen seiner Bücher dienen die  vor  allem als  Identifikationsfiguren für die Leserschaft erschaffenen jugendlichen Protagonisten nicht selten als Katalysator oder Lösungsbringer für die geheimnisvollen Probleme.  Dass der Junge weiß, wo das Objekt der Begierde hin ist und ein Dieb von Diebesgut nicht unbedingt ein klassischer Straftäter ist,  wird nahe am Rande des Klischees erzählt, geht aber angesichts des hohen Tempos unter. Zumindest rettet der kleine Junge keine Leben in aussichtslosen Situationen, sondern agiert eher im mittleren Hintergrund. 

Die weiteren Arbeiten in der Nekropole inklusiv eines Abstechers in die gefährlichen Bereiche, welche dem Leser schon aus der  vorangegangenen Trilogie bekannt sind,  erweitern den Horizont des Lesers. Thomas Ostwald geht noch einmal in Belehrungen auf verschiedene Art und Weise auf die altägyptische Kultur ein, wobei ausgerechnet der Leibwächter des Vizekönigs sich nicht nur als Experte bei Giften inklusiv sehr gegenwärtigen Wissens erweist, sondern fast lachend die Ambitionen der Antagonistin beiseite wischt, in dem er klarstellt, dass es auf mehr als  Insignien ankommt, um nach der Macht zu greifen. Mancher charismatisch verrückter Schurke nicht nur in Indiana Jones und  James Bond Filmen  oder Superheldencomics wäre angesichts  dieser pragmatischen  Argumentation frustriert.     

Mit der viel gesichtigen Shejitana verfügen die Romane  über eine interessante Schurkin.  Kara Ben Nemsi fühlt sich unwiderstehlich zu  ihr hingezogen.  Ob das nur auf Freiwilligkeit basiert, wird vor allem in diesem mittleren Roman dahingestellt.  Kara Ben Nemsi hat mit dieser Frau der vielen Gesichter sichtliche Probleme. So scheint sie einmal bei einer unorthodoxen Aktion des Helden seine Hilfe zu benötigen, um ihn wenige Minuten später zu verraten. Angesichts des komplizierten Plans stellt sich nur die Frage, warum der wieder einmal hilflose Held von den rücksichtslosen Schurken nicht umgebracht, sondern in der Wüste zurück gelassen worden ist. In Wien waren die Shejitana und ihre Helfer nicht so zimperlich und haben Menschen umgebracht, die ihnen nichts von nützlich sind. Und zu diesem Zeitpunkt konnte sie nicht wissen oder ahnen, dass Kara Ben Nemsi zumindest ahnt, wo einer der wichtigen „Schlüssel“ im übertragenen Sinne versteckt worden ist.

Das Finale  ist  interessant inszeniert. Wie erwähnt und ohne die Spannung zu verraten handelt es sich um eine direkte  Konfrontation von James Bond Dimensionen mit einer Bedrohung für die unschuldige Bevölkerung. Wer aufmerksam die Seiten davor  liest,  kann zumindest ahnen, worum es geht.  Interessant ist, dass Kara Ben Nemsi auf eine  schlaue Art die Schurkin vor eine Entscheidung stellt, die sie vor Schwierigkeiten stellt.  Theoretisch lässt sie Kara Ben Nemsi viel zu lange gewähren und gibt ihr einziges Pfand aus der Hand.  Praktisch ist es wieder erstaunlich, wie einfach es ist,  in einem direkten Duell ihn zu besiegen oder zumindest zeitweise auszuschalten. Das wäre  im wahrsten Sinne des  Wortes dem Anderen von Karl  May erschaffenen Helden so nicht fortlaufend passiert.  Genauso stellt sich die Frage, wie die Shejitana wieder zumindest in Hinsicht auf einen Pyrrhussieg erfolgreich sein kann, wo doch die Truppen des Vizekönigs  ebenfalls zur Hand waren. 

Wahrscheinlich handelt es sich um kleine Kompromisse, um die finale Auseinandersetzung um Ägyptens Zukunft vorzubereiten.  Die Verschwörung  ist deutlich politischer und erinnert an die finale Konfrontation am  Ende des Sechsteilers um den Schut,  wo erstens der charismatische Schurke auch nur ein Werkzeug gewesen ist und zweitens ohne das Eingreifen von Kara Ben Nemsi die Nahe Osten in den  Flammen des  dann von Europäern geführten  Krieges  untergegangen wäre. 

Seinen treuen Hadschi Halef Omar und den entsprechenden Humor vermisst der Leser so gut wie gar nicht. Der stetig bemühte Hassan ist eine interessante Figur. Seinem Vizekönig treu ergeben muss er sich nicht nur um den immer wieder verschwindenden Kara Ben Nemsi kümmern, er erweist sich als ausgesprochen modern denkender Mensch, der hinter seinem unerschütterlichen Glauben auch fundiertes Wissen verbürgt und mehr als nur ein Begleiter Kara Ben Nemsis ist.

Bis dahin hält der Autor trotz des im direkten Vergleich zum ersten Buches fast begrenzten Wendekreises -  die Handlung spielt ausgesprochen nur in und um Kairo -  das Tempo hoch, verbindet die ägyptische Kultur und Geschichte mit einem spannenden, wenn auch teilweise ein wenig vorhersehbaren Abenteuergarn und der Autor bereitet das Finale zufriedenstellend vor.  

Taschenbuch, 152 Seiten

www.blitz-verlag.de

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