Forever Magazine 68

Neil Clarke (Hrsg.)

 

Die Septemberausgabe setzt sich vor allem mit neuen sozialen Strukturen in Form der provokanten Novelle „The New Mother“ von Eugene Fischer auseinander. Neil Clarke geht in seinem Vorwort auf die zahllosen virtuellen Veranstaltungen ein, welche auch ermüden können

Zwei Kurzgeschichten umrahmen die empfehlenswerte Novelle.  „The End oft he War“ von Django Wexler basiert auf einer nicht unbedingt neuen Idee. In einem interplanetarischen Krieg  bekämpfen sich ganze Scharen von selbst replizierenden Robotern, während die menschlichen Operatoren in ihren Kommandobasen fast freundschaftlich miteinander umgehen. 

Die ersten Seiten sind schwer zu lesen.  Im weiteren Verlauf kann der Autor zu wenig zwischen dem eigentlichen Geschehen und der Implikation unterscheiden, das die Operatoren eher Videospiele betreiben als konsequent einen Krieg zu führen.

Dabei beschreibt der Autor die Folgen der Auseinandersetzung mit glühenden Planeten, im All treibenden Wracks und tausenden von Toten, die nicht Roboter sind, eindrucksvoll. Auch reduziert der Autor den Kampf abschließend auf eine persönliche Ebene zwischen Miranda und Garrett. Der Leser ist unentschlossen, ob Miranda ihre Mission erfolgreich abschließen sollte, weil sie damit eine besondere Grenze überschreitet.

Am Ende sind es nicht die Maschinen, die den Krieg entscheiden, sondern doch das fatalistische Duell zwischen den Menschen. Das ergreifende an dieser lesenswerten Geschichte sind die persönlichen Opfer und Niederlagen, die Django Wexler eindrucksvoll beschreibt.

Julie Novakovas Geschichte „From So Complex A Beginning“ stammt im Gegensatz zu den anderen beiden Beiträgen aus dem „Analog“ Magazin.

Der erste neu entdeckte Planet mit einer komplexen und vor allem auch nutzbaren Ökologie umkreist einen weißen Zwerg. Die Menschen sind sich nicht sicher, ob das Leben dort auf eine natürliche Art und Weise entstanden ist oder der Planet von außerirdischen unbekannten Wesen umgestaltet wurde.

Die Spezialisten hat bei ihren Untersuchungen auch keine einfache Antwort.  Vor allem weil einzelne Schritte zu einem komplexen Ergebnis an die Erde gemeldet werden.  Dabei wirkt ihre Vorgehensweise sehr schwierig. Das Ergebnis könnte Veränderungen umfassen, die vor Millionen von Jahren durchgeführt worden sind. Anstatt eine allumfassende Studie zu erstellen, wäre es sinnvoller, nach einzelnen Beweisen zu suchen. Wenn sie einen möglichen Beweise schließlich findet, will sie ihn auf der einen Seite gleich melden, auf der anderen Seite sucht sie weiter. Diese Ambivalenz zieht sich durch die Geschichte und beginnt die interessante Ausgangsidee zu eruieren. Die Wissenschaftler an Bord der Station im Orbit verhalten sich teilweise nicht nachvollziehbar. Da der Leser nichts über die politischen Strukturen auf der Erde erfährt, kann er das nicht einschätzen. Grundsätzlich solide erzählt mit einigen guten Ideen und vor einem exotischen Hintergrund verschenkt die Story vor allem gegen Ende einiges an Potential, in dem sie zu schnell eine nicht weiter erläuterte Lösung anbietet.  

„The New Mother“ von Eugene Fischer ist auf der einen Seite eine provozierende Lektüre, die aber wie einige anderen Novellen oder Kurzgeschichten der letzten Jahre an ihrer Struktur. Ihrer umständlichen Art und vor allem auch der Ambition scheitert, zu viel auf einmal zu wollen.

Die fiktive Autorin Tess schreibt über eine neue Krankheit, welche Frauen befällt. Sie beginnen immer wieder ohne künstliche oder natürliche Befruchtung Klone von sich selbst auf die Welt zu bringen.

Die bizarre Grundidee wird durch Artikel, aber auch die populären Medien vor allem von den erzkonservativen Lagern als Gotteslästerung angeprangert, ohne dass sich jemand mit den Hintergründen auseinandersetzt oder auch nur auseinandersetzen möchte.  Interessant ist, das Eugene Fischer allerdings die Muster trifft, die jede dieser auf den ersten Blick „abartigen“ Krankheiten wie AIDS durchleben müssen. Ignoranz, Randgruppen und Vorurteile. Dadurch wirkt der Text ausgesprochen beklemmend aktuell.  

Auf der persönlichen Ebene hat Tess selbst Angst um ihre Tochter.  Um dem Plot Fleisch zu schenken, baut die Autorin auch eine Reihe von zwischenfamiliären Szenen ein, in denen Tess nicht nur mit ihrer Freundin diskutiert, sondern auch mit ihrer Mutter spricht. Tess selbst ist in einer sehr schwierigen Lage. Der Artikel ist ein gut bezahlter Auftrag, anscheinend auch für das Renome ausgesprochen wichtig. Auf der anderen Seite hat Tess selbst Probleme, die Hintergründe zu verstehen.

Natürlich denkt Tess schließlich, das Baby könnte auch ihr eigener Klon sein und ihre Ängste weitertragen. Eine echte Begründung gibt es dafür nicht. Tess scheint zur richtigen Zeit Sex gehabt zu haben, was auf die zu Beginn erwähnte Ehefrau nur bedingt zutreffen könnte. Es sei denn, sie hat ihren im Koma liegenden Mann betrogen, was nicht auszuschließen ist. Es wird aber nicht bewiesen. Woher Tess diese Ansicht nimmt, ist nicht nachvollziehbar.

Im Rahmen der sozialen Diskussionen wird auch die Position der Männer hinterfragt. Aber es bleibt ambivalent, ob plötzlich nur noch Klone geboren werden oder es sich um einzelne Fälle handelt. Auch die sozialen Veränderungen bleiben bis auf die extremen Randgruppen kaum spürbar.

Hinzu kommt, dass die  Autorin auch den Fehler macht, den Plot nicht natürlich zu erzählen, sondern den Handlungsbogen förmlich zu unterbrechen, um den Leser eher zu belehren als zu informieren. Das wirkt relativ schnell kontraproduktiv und schnell ermüdend.

Auch wenn die Novelle für die Nebula Award nominiert worden ist, ist die Idee großartig, die Ausführung leider eher durchschnittlich. James Tiptree jr. hätte aus dieser Prämisse eine Provokation sondergleichen gemacht.

 Die September Ausgabe von „Forever“ ist eine gemischte Packung, in welcher Anspruch nicht immer mit den richtigen schriftstellerischen Mitteln erreicht wird. Die Texte stammen alle aus bekannten Magazinen der Jahre 2015 und 2019- hier macht es sich Neil Clarke weiterhin zu einfach. 

 

E Book, 112 Seiten

www.wyrmpublishing.com