Perry Rhodan Chronik Band 4

Rainer Nagel & Alxeander Huiskes

Mit einer Verzögerung von fast neun Jahren erscheint endlich der vierte Band der Perry Rhodan Chronik, der die Jahre 1996 bis 2008 umfasst. Ganz bewusst haben sich die jetzigen Herausgeber Rainer Nagel und Alexander Huikes dazu entschieden, die Chronik nicht mit Robert Feldhoffs frühem Tod enden zu lassen, sondern den Übergang von Feldhoff auf Unwe Anton im fünften Band abzuhandeln.

Die Chronik umfasst nicht nur die Jahrtausendwende. Vor allem zeigen die beiden Herausgeber eine Welt im medialen Wandel mit der Etablierung von Marken. Dabei spielt der ebenfalls frühzeitig verstorbene Eckhard Schwettmann eine wichtige Rolle. Er sollte auch den vorliegenden Chronikband zusammenstellen. Das von Schwettmann zusammengestellte Material sollte Michael Nagula weiterbearbeiten und weiter aufsplittern. Die Idee, aus dieser Ära drei in jährlichen Abstand erscheinende Folgebände zu machen, wurde schließlich wieder fallengelassen. Heiko Langhans erbte das Projekt, musste es allerdings aus gesundheitlichen Gründen nach fünf Jahren der Arbeit wieder abgegeben.

Jetzt liegt der vierte Band im bekannten Layout aus dem Hannibal Verlag vor.   Alleine mehrere Vorwärter leiten den Band ein, wobei sie vor allem die Ära Perry Rhodan per se und weniger diesen besonderen Abschnitt über die persönlichen Erfahrungen hinaus beleuchten. An Christian Montillon sieht man es vielleicht am Besten. Als Leser von Band 2000 hätte er sich niemals vorstellen können, einer der beiden Macher hinter dem nächsten Jubiläumsband zu sein.

Der Aufbau ist klassisch. Jedes Jahr wird den wichtigsten Informationen aus der realen Welt eingeläutet. Alle in dieser Zeit veröffentlichten Perry Rhodan Zyklen werden inhaltlich kurz zusammengefasst vorgestellt.  Dabei ist es wichtig, dass der erste Roman des Zyklus in das Jahr fällt.

Es ist eine von Robert A. Feldhoff geprägte Ära. Nicht umsonst wird sie wie von den Herausgebern mehrfach betont als der dritte Weg angesehen. Nach K.H. Scheer und Willy Voltz ist Robert A. Feldhoff der Mann gewesen, der die Serie souverän mit einer kraftvollen Vision in das 21. Jahrhundert geführt hat. Auch die Menschheit konnte unter seiner Federführung einen neuen, eigenbestimmten Weg wählen. Die Zusammenfassung der Zyklen kann nur ein eingeschränktes Bild der Serie geben und sollte auch nur als Sprungbrett in das Perry Rhodan Universum gesehen werden, dass nach Ende der Expansion in den achtziger Jahren mit der Einstellung der Planetenromane im Heyne wie auch im BSV Verlag eine gewisse Zeit nur auf die Stammserie beschränkt gewesen ist.  

Um den roten Faden der Hauptserie herum haben die Herausgeber dann einmal chronologisch, dann begleitend ergänzend wichtige Informationen platziert. Mehr als dreißig Kurzbiographien befinden sich in diesem Buch. Dabei reicht das Spektrum alphabetisch von Luc Bahl bis Manfred weiland. Traurig stimmt, dass einige der hier vorgestellten Menschen nicht mehr unter uns weilen. Wie bei den Perry Rhodan Autoren – unter anderen Peter Terrid oder Peter Griese - sind auch Achim Mehnert oder Eckhard Schwettmann früh, zu früh verstorben. Dieser melancholische Tonfall zieht sich durch diese Chronik. Neben den schon angesprochenen Nachrufen auch Robert Feldhoffs aus heutiger Sicht überraschender Tod nur ein Jahr später.  Mit Walter Ernsting starb nach langer Krankheit einer der Gründerväter der Serie in dieser Zeit. W.K. Giesa hat vielleicht mit einer Handvoll Perry Rhodan Planetenromanen der Serie keinen Stempel aufgedrückt, aber der Vielschreiber und vor allem auch Professor Zamorra Macher hat weit über die Serie hinaus bei vielen inzwischen zu Profis gewordenen Jungautoren Eindruck hinterlassen und indirekt mehr an Perry Rhodan mitgewirkt als es direkt erscheint.       

Publikationstechnisch begann die Perry Rhodan Serie mit den „Space Thrillern“ und vor allen den immer populärer werdenden Miniserie (erst Atlan, dann Perry Rhodan) wieder den Kosmos zu erweitern.  Neben dem einmaligen Versuch, wieder ein Perry Rhodan Magazin zu etablieren, bestimmt diese Ära des Perry Rhodan Kosmos und weniger der grundlegenden Hauptserie eine Art Quadratur des Kreises. Die Planetenromane werden im Heyne und im BSV Verlag eingestellt, als Miniserien kehren sie erst über die Heftromane zu ATLAN dann als Taschenbücher mit schönen Covers zum Heyne Verlag zurück. Miniserien zu ATLAN entstehen und als fortlaufende Serie findet sich kein Markt mehr. Die Fanpro Edition für Atlan und wie angesprochen der Heyne Verlag für Perry Rhodan etablieren den Serienkosmos in einem edleren Format und durch die Trilogien bzw. Sechsteiler auch für ein Publikum, das keine fortlaufende Heftroman goutiert. Mit Perry Rhodan Action wird kurzzeitig auch die etwas gewalttätigere Vergangenheit der Serie für 21. Jahrhundert aufgefrischt. Verschiedene Nachdrucke von den Silberbänden bis zu den HJB Goldeditionen prägen ebenfalls diese zwölf Jahre.

Alleine die ganzen Ableger der Erstauflage zeigen, wie kräftig und vor allem im Grunde neben dem boomenden E Book Markt drucktechnisch Perry Rhodan sich wieder aus der Isolation der allein publizierten Erstauflage befreit hat. Die Chronisten nutzen die von Hubert Haensel verfasste Reginald Bull Chronik, um schon einen Blick voraus zu werfen und Andreas Eschbachs Perry Rhodan Buch im Vorbeigehen vorzustellen.    

Während der Fanzinemarkt per se eher am Schrumpfen ist, rekrutiert die Perry Rhodan Redaktion nicht über die inzwischen eingestellten Schwesterserien im Verlag, sondern versucht mit der Fanedition eine neue Generation von potentiellen Perry Rhodan Autoren auch ein wenig aktiv gesteuert zu finden. Hinzu kommt mit DORGON eine Art Fanableger, die mehr als zweihundert Romanepisoden umfasst. Die Rißzeichnungsbände aus dem Verlag werden eingestellt, weil kein Markt mehr da ist. Die neuen Drucktechniken ermöglichen aber die Publikation des Rißzeichnungsmagazins, das kompakt und semiprofessionell genau die Lücke schließt, welche die Sammelbände quasi gerissen haben.

Neben der Perry Rhodan Fanzentrale publizieren Clubs wie der TCE Gedenkbände auf höchstem Niveau zu den verstorbenen Autoren wie Peter Terrid, Walter Ernsting und schließlich auch K.H. Scheer. Rainer Castor begann in dieser Ära seine literarische Karriere und erweist sich schnell als unverzichtbar hinsichtlich seiner redaktionellen Fähigkeiten als im Grunde Datensammler. Da die Chronik aber nicht nur sklavisch die eingangs erwähnten Jahre abhandelt, bleibt der Hinweis nicht aus, dass auch Rainer Castor später mit einem Gedenkband geehrt werden wird und angesichts seiner Leistungen um die Serie auch geehrt werden muss. Dunkle Schatten aus dem nächsten Band sind immer und überall erkennbar.  

Zusätzlich zeigt die Chronik auf, wie der Medien und Markenprofi Schwettmann in enger Zusammenarbeit mit Klaus N. Frick der Marke Perry Rhodan durchaus ein griffiges, dreidimensionales und plakatives Profil (zurück-) gegeben hat. Dabei nutzte Schwettmann nicht nur bekannte Werbeträger wie Zeitungen oder das Fernsehen zu anstehenden Jubiläen, sondern entwickelte eine heute noch geltende Kontinuität, die unter anderem der in dieser Ägide auch dem Verlag beigetretene Klaus Bollhöfener fortführte.

Neben der Musik CD als Ziehkind der damals wie heutige nicht realisierten Kino- oder Fernsehverfilmung, den neuen von H.G. Francis vorangetriebenen und für eine neue Generation geschriebenen Hörspielen, aber auch generell neu den Hörbüchern entwickelte sich auch von Seiten des Fandoms mit der Gründung der Perry Rhodan Fanzentrale und zahlreichen regionalen Cons – Klaus N. Frick prägte hier einen gängigen Slogan -  wieder eine stärker Verbundenheit der aktiven Fans gegenüber dem Unsterblichen.  Interessant erscheint dabei, dass mit der Gründung der Fanzentrale nicht nur die inzwischen teilweise eingeschlafenen Aktivitäten der unzähligen Perry Rhodan Clubs der siebziger und achtziger Jahre gebündelt und effektiver gesteuert werden konnten, sondern das Perry Rhodan unter der Ägide Klaus N. Frick auch für die Science Fiction Leser per se und die aktiven Fans aus diesem Sektor interessanter oder lokalfähiger geworden ist. Manches erinnert an die erste „Star Wars““ folgende Welle, in welcher viele Profis ihr Heil in einer aktiven Flucht zu den vorher naserümpfend abgelehnten Verlagen gesucht haben. H.J. Alpers bei Moewig wäre das klassische Beispiel. Unabhängig von seinem Science Fiction Wissen. Höhepunkt war sicherlich ein Perry Rhodan Taschenbuch aus Alpers Feder, der zu Zeiten der Science Fiction Times zu den wortgewaltigsten Kritikern der Perry Rhodan Serie gehörte.    

Aber die Chronik ist noch viel mehr. Neben den Ereignissen eines Jahres versuchen die beiden Herausgeber wie in den ersten Bänden, das Phänomen Perry Rhodan im Allgemeinen, aber auch im Besonderen in Worte zu fassen. Das beginnt mit dem ersten Expose, das Autoren wie Michael Nagula oder auch Leo Lukas in Händen halten. Begeisterung, Angst, Vorfreude und eine echte Herausforderung begleiten die gestandenen Männer lange bevor das erste Wort niedergeschrieben worden ist. In diesen Szenen erkennt weniger der Fan als der oberflächlich interessierte, wie komplex auf der einen Seite die Serie im Grunde von Beginn an gewesen ist und wie komplex, aber nicht unbedingt kompliziert Generationen von Autoren und Herausgebern den ursprünglichen Geist weiterentwickelt und konsequent modernisiert haben. Die erdrückende Fülle von Informationen lassen sich in diesen Moment am ehesten erahnen.

Da werden die einzelnen Spieleinkarnationen vom Kartenspiel bis zu einer Sonderedition von Monopoly vorgestellt. Die einzelnen Revell Modellbausätze dieser Zeit erwähnt oder die besonderen HJB Perry Rhodan Figuren. Bis auf eine Titelliste der Erstausgaben ergänzen die einzelnen schon angesprochenen Miniserien inklusiv Titel- und Autorenauflistung die einzelnen Inhaltskästen. Unnütz, aber Perfektionismus erreichend wäre tatsächlich noch eine Titel- und Nummernliste der Perry Rhodan Erstauflageheftromane aus den vorgestellten Jahren. Ansonsten findet sich alles da.   

Die Stärke aller bisherigen Chronikbände liegt in dem Zusammenspiel von relevanten serienbezogen Informationen wie den Zusammenfassungen der einzelnen Zyklen und Miniserien sowie dem logischen Beiwerk hinsichtlich der Konzeption, Umsetzung, Marketing und schließlich dem Alltagsleben der für die Serie Verantwortlichen. Dabei lässt sich Beruf und quasi „Hobby“ nicht immer trennen. Sowohl bei den Autoren als auch  überwiegend den Verlagsmitarbeitern handelt es sich um Science Fiction bzw. Perry Rhodan Leser, welche die Chance erhalten haben, ihr Hobby zum Beruf zu machen. Manche Fans – in den ersten Chronikbänden erwähnt – sind inzwischen Profis, bei anderen Protagonisten wie Rüdiger Schäfer begann ihre nebenberufliche Autorenkarriere in der vorliegenden Chronik und wird „später“ wahrscheinlich im fünften oder sechsten Band vollentfaltet ausführlicher vorgestellt werden.

Die beiden Chronisten greifen wie ihre Vorgänger Michael Nagula und Hermann Urbanek auf zahlreiche Quellen zurück. Da gibt es ein kurzes Interview mit H.G. Francis zu einem angedachten, aber nicht realisierten Perry Rhodan Muscial. Oder Notizen von den Redaktionssitzungen. Klaus N. Frick und andere Verlagsmitarbeiter schreiben aus ihren persönlichen Perspektiven über einzelne, relevante Ereignisse oder zitieren aus ihren Blogs, Fanzineartikeln oder teilweise Mails. Dazu wird oft die SOL als Zeitschrift der Perry Rhodan Fanzentrale eingebunden. Immerhin erschienen in dieser Zeit eine Reihe von heute noch lesenswerten Interviews. Dazu gibt es die Aufzeichnungen innerhalb des Verlages, die Serie begleitende Fanzines wie zum Beispiel der Perry Rhodan Zeitraffer und immer wieder auch Zitate aus den Anhängen der einzelnen Romane.  

 Wie gebührend gesprochen alt und gleichzeitig aktuell dieser Band der Perry Rhodan Chronik ist zeigt ein Nachruf zum zehnten Todestag von Thomas Ziegler. Verfasst in einer sehr persönlichen Art von Achim Mehnert. Inzwischen weilt Achim Mehnert seit einigen Jahren auch nicht mehr unter uns. Beide Kölner (gebürtig oder wahlweise spielt in diesen Momenten keine Rolle) sind zu früh gegangen.

Mit diesen Exkursen – so haben Rüdiger Schäfer oder der inzwischen auch verstorbene Michael Buchholz ihre große Perry Rhodan Neo Zeit im vierten Chronik Band noch vor sich -  greift die Chronik in die Vergangenheit und gleichzeitig auch in die Zukunft. Alle bisherigen Autoren/ Chronisten/ Herausgeber haben die ihnen zur verfügende stehende Zeitleiste immer als eine Art Ausgangspunkt genutzt, aber niemals als Fixum.

Wie die ersten Bücher ist die vierte Chronik solide bebildert. Einige seltene Aufnahmen wechseln sich mit Titelbildern wichtiger Romane ab.  Vor allem ist die Chronik aber weiterhin das chronologische Nachschlagewerk für Fans. Natürlich lässt sich vieles aus dem Internet entnehmen, aber die durch die zahllosen Äußerungen vieler am Erfolg der Perry Rhodan Serie beteiligten Personen geben diesem Datenungeheuer ein Gesicht, eine persönliche Facette, welche die Heftromanserie im Grunde seit der Ära Voltz mit der Leserkontaktseite, der Betreuung der Fans und schließlich auch den Aktivitäten um den immer noch Erben des Universums ausgezeichnet hat.  Es ist eine Tradition, die aus Rastadt heraus natürlich auch mit der Idee, Geld zu verdienen, auch heute noch gepflegt wird. Das Herzblut, mit dem jeden Tag an Perry Rhodan gearbeitet wird, ist in den bislang vier Chroniken auf jeder Seite zu spüren.

 

Hannibal Verlag

ISBN/EAN: 9783854453437
Sprache: Deutsch
Umfang: 528 S., mit zahlreichen Abbildungen
Einband: gebundenes Buch
Kategorie: