Professor Zamorra 44- Codex Satanicus

Manfred Weinland
Manfred Weinland feiert sein Debüt in der Zaubermond- Zamorra Reihe mit einem Roman um Nele Großkreutz; eine Figur, die in den vor tausender Bänden der Heftromanreihe eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt hat und wahrscheinlich noch spielen wird. Weinland folgt der ursprünglichen Konzeption der "Zamorra" Reihe, das Universum mit Hintergrundgeschichten wichtiger Nebenfiguren nicht nur zu beleben, sondern zu erweitern. Trotzdem werden mit dem Zamorra Universum in Heftroman nicht vertraute Leser anfänglich Schwierigkeiten mit Nele Großkreutz Lebens - und Leidensgeschichte haben.
In „Das dunkle Paradies“ (Zamorra 954) wurde die Figur ebenfalls von Manfred Weinland unter seinem Heftromanpseudonym Adrian Doyle eingeführt. Sie stammt aus dem 13. Jahrhundert und hat zusammen mit ihrer Liebe Nikolaus an den Kinderkreuzzügen teilgenommen. Jahre nach ihrer Rückkehr hat ihr der im Nahen Osten gebliebene Nikolaus eine Frucht geschenkt, die sie unsterblich macht. Angeblich stamme diese Frucht aus dem Garten Edens. Inzwischen wandert Nele Großkreutz seit fast zweihundert Jahren durch ein Europa, das von Dämonen und Naturkatastrophen immer wieder heimgesucht wird. Um nicht als „Hexe“ verunglimpft zu werden, muss sie immer wieder ihr zeitweiliges Zuhause aufgeben. Sie ist inzwischen müde geworden. Zu Beginn des Romans kommt sie im Jahre 1478 nach Florenz, das zu diesem Zeitpunkt unter den Folgen einer Flutkatastrophe leidet. Auf der Suche nach einer Herberge erfährt sie von ihr unbekannten Männern Gutes. So wurde ihr in einem Gasthaus schon ein Zimmer bezahlt und anonyme Nachrichten machen sie neugierig. 
Manfred Weinland räumt mit dem eher in der Literatur dominierenden Bild der überlegenen Unsterblichen auf. Nele Großkreutz ist trotz ihrer Erfahrungen und nachvollziehbarer Vorsichtsmaßnahmen eine verängstigte Frau, die misstrauisch jegliche Hilfe begutachtet. In den Nächten erfolgen sie Dämonen, wobei der Autor deutlich macht, dass es sich nicht um Trugbilder oder Illusionen handelt. Ihre Gönner stellen sich als zwei wichtige historische Persönlichkeiten heraus. Da ist zum einen Leonardo da Vinci, zum anderen Lorenzo de Medici. Mit da Vinci verbindet sie die Suche nach neuen Ideen. Sie ist von dessen Erfindungen fasziniert. Manfred Weinland beschreibt da Vinci als unruhigen Geist, der immer auf der Suche nach neuen Ideen ist. Da Vincis Gönner verfügt in esoterisches Hinsicht über ein deutlich erweitertes Wissen. Er überredet die alterslose Frau, seinem Geheimbund – dem „Codex Satanicus“ – beizutreten, um gemeinsam gegen die Dämonen zu kämpfen. Auch wenn Manfred Weinland seinen Roman nach diesem Bund benannt hat, handelt es sich um das am schwächsten entwickelte Element des ganzen Buches. Der Leser erfährt nur rudimentäre und subjektive Informationen über den Bund und kaum hintergründige Fakten bzgl. des Codex. Als Ganzes hat Manfred Weinland den Roman positiv gesprochen fast überladen und insbesondere die erste Hälfte des Buches hätte deutlich länger ausfallen können. Mit seinen historisch gesehen solide recherchierten Beschreibungen, einer ansprechend charakterisierten Protagonistin stimmt die Balance gegenüber dem sich langsam, aber nicht phlegmatisch entwickelnden Plot. 
 
Die zweite Hälfte des Buches wird von Nele und Leonardo da Vincis Reise nach Eden bestimmt. Vorher hat Manfred Weinland noch den Angriff eines Vampirs in die laufende Handlung integriert, der effektiv beschrieben, aber noch nach dem Effekt greifend ist. Sehr viel effektiver ist die Attacke des von einem Dämonen besessenen Adolfos. Er verletzt seinen ehemaligen Herren und stiehlt Neles Bernsteinkette, in der sich drei Kerne der Edenfrust befinden, die in einem Zusammenhang mit ihrer relativen Unsterblichkeit stehen. Der Dämon hat vorher Leonardos Frau besessen, aus dessen Körper ihn Nele vertrieben hat. Obwohl Weinland mit dem zukünftigen Genie Leonardo da Vinci eine überragende historische Persönlichkeit in die Handlung integriert hat, gelingt es dem Autoren, sie als „Menschen“ zu beschreiben. Trotz ihrer unterschiedlichen Herkünfte funktioniert die Chemie zwischen Nele und Leonardo da Vinci überzeugend und wirkt nicht konstruiert. Auf kitschige Abstecher in den Bereich der Romanze verzichtet der Autor positiv. 
Als Gegner erscheint der Dämon zu übermächtig. Er kann die Körper wechseln und damit seine Identität verschleiern. Da er auch über die Bernsteinkette verfügt, könnte er ohne Probleme in der reisetechnisch unendlich groß erscheinenden Welt verschwinden. Weinland bemüht sich, die Spannung hochzuhalten und gleichzeitig wie mit dem brennenden Schiff im Hafen von Livorno Klippen einzubauen. Manche Szene wirkt aber zu stark konstruiert und dem Dämonen hätte noch mehr Persönlichkeit gegeben werden können. Ein wenig in Bedrängnis bringt sich der Autor aber selbst, wenn Leonardo schließlich von der Höllenkreatur besessen wird. Das ihm nichts passieren kann, ist dem Leser klar. Vielleicht wäre es sinnvoller gewesen, ihn in Nele fahren zu lassen. Dann hätte aber das Konzept mit den Lebensbäumen nicht funktioniert.    
Gegen Ende  beginnt sich Manfred Weinland allerdings zu überholen. Die finale Auflösung mit den zwei Lebensbäumen ist zu offen gestaltet. Natürlich kann und wird man weitere Episoden aus Nele Großkreutz langem Leben verfolgen können, aber die Leser von „Codex Satanicus“ haben für diesen Roman ihr Geld bezahlt und hier hätte sich Weinland verbindlicher engagieren können.  
 
Positiv für den ganzen Roman ist, dass er auf Professor Zamorra sei es durch eine Zeitreise oder eine Gegenwartsebene verzichtet. Dadurch wirken der Plot deutlich kompakter und das historische Ambiente nicht durchbrochen. Wie schon angesprochen ist die Atmosphäre stimmig und die Figuren solide bis überdurchschnittlich gut mit entsprechenden Ecken und Kanten versehen gezeichnet. Während die erste Hälfte in erster Linie aber nicht ausschließlich überzeugende Extrapolation ist, wirkt der Rest des Buches dynamischer und mit den schon angesprochenen Einschränkungen packender. Das zu offene Ende trübt das Lesevergnügen genauso ein wie die Informationen zum „Codex Satanicus“, die auf der Strecke bleiben. Ein gelungenes Debüt von Manfred Weinland bei der Zaubermond Zamorra Reihe und endlich wieder ein in Bezug auf das Universum „historisch“ hintergründiger Roman, der gut unterhält.
 
Manfred Weinland, "Professor Zamorra 44- Codex Satanicus",
Hardcover, Anthologie, 201 Seiten,
Zaubermond Verlag 2012
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