2001: Odyssee im Weltraum

Originaltitel: 
2001: A Space Odyssey
Land: 
USA
Laufzeit: 
139 min
Regie: 
Stanley Kubrick
Drehbuch: 
Stanley Kubrick
Darsteller: 
Keir Dullea, Gary Lockwood, William Sylvester
zusätzliche Infos: 
Nach einer Romanvorlage von Arthur C. Clarke
Kinostart: 
11.09.69

Als auf dem Mond ein Monolith entdeckt wird, der Funksignale zum Jupiter sendet, wird das Raumschiff "Discovery" zu dem Planeten geschickt. Doch unterwegs entscheidet das wichtigste Crewmitglied, der Computer HAL 9000, das der Mensch der größte Schwachpunkt der Mission ist. Viele sehen "2001" als den besten Science-Fiction-Film aller Zeiten, andere meinen, der Film wär nur was für LSD-Junkies. Gesehen haben sollte man den Film auf jeden Fall.


Filmkritik:
von Ralf Ramge (für SF-Radio.net)

In den 50er und 60er Jahren waren Science-Fiction-Filme über Aliens und fliegende Untertassen groß in Mode. Der Trend war bis dahin eindeutig; Aliens waren in der Regel böse und traten oftmals als menschenähnliche Wesen in Erscheinung, ihre Raumschiffe modisch, physikalisch unmöglich und generell eher eindrucksvoll als realistisch, die Begegnungen zwischen Menschen und Aliens militaristisch geprägt. Etwa gegen Mitte der 60er Jahre näherte sich der englische Regisseur Stanley Kubrick daher dem bekannten Science-Fiction-Autoren Arthur C. Clarke mit der Idee, den "endgültigen Science-Fiction-Film" zu drehen, mit den gängigen Klischees aufzuräumen und detailgenauen Realismus zu erschaffen.

Clarke hatte 1948 für einen Wettbewerb der BBC eine Geschichte namens "The Sentinel" geschrieben. Diese Geschichte war der Flop schlechthin, erwies sich jedoch als geeigneter Ausgangspunkt für Kubricks Filmidee. Die gemeinsame Arbeit an dem Projekt begann 1965; zuerst entwarfen die beiden zusammen die Handlung, Kubrick begann mit dem Schreiben des Drehbuchs und Clarke schrieb parallel dazu den gleichnamigen Roman [Anm.: Beim Drehbuch war Clarke nur wenig involviert, nahezu alles stammt von Kubrick. Als Drehbuchautor ist Clarke aufgeführt, da er bei beim Entwurf der Handlung einen immensen Beitrag leistete. Eigentlich beschränkte sich die Zusammenarbeit in der dreijährigen "heißen Phase" darauf, dass man sich gegenseitig auf dem laufenden hielt und jeder seine eigene Arbeit andauernd abänderte, um Ideen des anderen zu übernehmen]. Aus "The Sentinel" wurde letztendlich ein umfassendes Epos; Clarkes alte Originalgeschichte handelte nur von der Entdeckung auf dem Mond. Es war nicht abzuschätzen, ob zuerst der Film oder das Buch veröffentlicht werden würde; letztendlich erschien der Film zuerst.

Nach zwei Jahren Vorbereitung und Recherche begann Kubrick 1967 mit den eigentlichen Dreharbeiten unter dem Arbeitstitel "Journey Beyond the Stars". Die Details der Handlung und ihrer Randbereiche standen zu diesem Zeitpunkt zum größten Teil bereits fest (unter aktiver Mithilfe von Wissenschaftlern der NASA und anderen), jetzt galt es, aus den Entwürfen einen angemessenen Film zu machen. Für die Spezialeffekte engagierte Kubrick eine Vielzahl von aufstrebenden Talenten, darunter der spätere SFX-Guru Douglas Trumbull (Kubrick entwarf die Effekte und führte bei deren Inszenierung die Regie, Trumbull arbeitete als Projektleiter). Für die Kameraarbeit war Kubricks Weggefährte John Alcott zuständig, für die Musik engagierte er Alex North, welcher bereits für den Soundtrack zu "Spartacus" (1959) sorgte. Für die Stimme von HAL 9000 wurde der Schauspieler Martin Balsam verpflichtet – Kubrick erschien Balsams Stimme jedoch als zu gefühlvoll, weshalb er ihn durch Douglas Rain ersetzte.

Nicht nur Martin Balsam zog bei der Produktion den kürzeren, auch der Komponist Alex North musste letztendlich auf eine aktive Mitarbeit verzichten. Während den Dreharbeiten ließ Kubrick nämlich klassische Musik spielen, um für die richtige Stimmung am Set zu sorgen. Dies gefiel ihm so gut, dass er Norths Soundtrack vollständig durch klassische Musik ersetzte. Späterhin kam Alex North doch noch in kleinerem Maßstab zu Ehren, als seine Filmmusik unter dem Titel "Alex North's 2001" als Album veröffentlicht wurde (Varese/Sarabande 5400).

Bei den Spezialeffekten stieß man auf ein einschneidendes Problem. Ursprünglich sollte die Discovery zum Saturnmond Japetus fliegen, doch man schaffte es nicht, den Saturn im Zeitalter der Modelle und Matte Paintings realistisch und eindrucksvoll darzustellen. Daher vollzog man während der Dreharbeiten einen Kurswechsel und leitete die Discovery zum Jupiter um, was für eine ausgesprochene Inkonsequenz in Clarkes Roman sorgte. Dort begab sich die Discovery weiterhin zum Saturn und seinen Ringen. Als Clarke etliche Jahre nach dem Erstling in "2010 - The Year We Make Contact" für eine Fortsetzung der Thematik sorgte, hatte der Film jedoch einen weitaus höheren Bekanntheitsgrad als der Roman erreicht, wodurch Clarke prompt in seinem Roman den Japetus in Jupiter umschrieb.


Eines der obersten Gebote bei den Dreharbeiten war, die Bilder nicht nur realistischer aussehen zu lassen als in bisherigen Filmen der SF, sondern auch den Eindruck zu erwecken, der Film sei vor Ort im Weltraum gedreht worden. Eine wahre Flut an komplizierten und hochwertigen Spezialeffekten war dadurch vorprogrammiert. Viele neue Techniken mussten entwickelt werden, darunter findet man Meisterleistungen wie die bislang in ihrem Realismus unerreichten Darstellungen der Schwerelosigkeit oder auch Trumbulls späteres Markenzeichen, die partielle Überbelichtung von Einzelbildern. Auch die einleitende Sequenz "Aufbruch der Menschheit" wurde nicht in einer Steinwüste, sondern komplett im Studio gedreht; möglich gemacht wurde dies durch ein System halbdurchlässiger Spiegel, wodurch im Gegensatz zu alleinigen Matte Paintings eine realistische Tiefenschärfe erreicht wurde. Ebenso verhält es sich bei den Aufnahmen von der Oberfläche des Mondes, Kubrick ließ sich etliche Tonnen Sand schicken, ihn waschen und ins Studio kippen, der Rest wurde über die Spiegel erledigt. Das witzige dabei ist, dass ausgerechnet die vermeintlich eindrucksvollste Effekt-Sequenz gar keine ist, nämlich die Szene, in welcher Bowman durch die sich zwecks Erzeugung von Gravitation drehende Brücke der Discovery joggt und hier vermeintlich an den Außenkanten einer Kugel entlangwetzt. Ein großer Teil des Gesamtbudgets von 10 Millionen Dollar ging dafür drauf, eine sich langsam drehende Zentrifuge zu bauen, in welcher die Darsteller letztendlich zwischen den Bauten herumliefen wie Hamster in einem Laufrad.


Der Perfektionismus der Inszenierung setzt sich in der Perfektionierung von Details fort. Stellenweise erscheint es schon beinahe als übertrieben, denn hin und wieder geht die Detailgenauigkeit so weit, dass sie vom Zuschauer gar nicht mehr wahrgenommen werden kann. Berühmtestes Beispiel dürfte hier die "Zero Gravity Toilet" sein. In einem erstklassigen Hotelkomplex, welcher sich zwischen Erde und Mond befindet und die Menschen mit den Randerscheinungen der Schwerelosigkeit konfrontiert, kann man natürlich nicht erwarten, dass komfortgewöhnte Hotelgäste sich wie Astronauten in Flaschen oder ihre Anzüge entleeren, also wurde das Prinzip einer Toilette entworfen, welche auch bei Schwerelosigkeit funktioniert. Diese Toilette ist im Film gar nicht zu sehen - man sieht Dr. Floyd lediglich einige Sekunden die ellenlange Bedienungsanleitung studieren, deren Schrift derartig klein ist, dass man selbst in einem großen Kino Probleme damit hat, mehr als nur die Überschrift zu erkennen. Man müsste sich mit einer Lupe ein Einzelbild genauer ansehen.
Die Erzeugung von Gravitation durch Fliehkräfte wird akkurat dargestellt, auch die Problematik des Andockens an einer sich drehenden Raumstation wurde behandelt und ist dargestellt (Freunde von Computerspielen werden die Sequenz der Landung übrigens in den Spielen der erfolgreichen "Elite"-Serie wiederfinden). Die Displays von Computern sind natürlich keine Computergrafiken, sondern gezeichnete Animationen - wobei man sich hier natürlich auch noch Gedanken machen musste, was auf den Ausgabegeräten der Zukunft überhaupt dargestellt sein könnte (ein krasser Gegenteil zu Displays etlicher bekannterer Filme, wer grinst nicht still in sich hinein, wenn der "Terminator" den Code eines 8-Bit-Rechners vorführt). Ein großes Problem stellte die Oberfläche des Mondes dar, welche zu diesem Zeitpunkt noch kein Mensch gesehen hatte und auch hier sind die gezeigten Bilder sehr nahe an der Realität. Selbst an Dinge wie die Schuhsohlen der Stewardessen in Raumgleitern wurde gedacht. Die Mitarbeit der NASA bemerkt man an allen Ecken und Enden und durch die wissenschaftliche Akribie hat der Film an seinem Realismus in den seit dem ersten Release vergangenen 30 Jahre kaum etwas verloren.

Die Detailgenauigkeit schlägt sich auch in der erzählten Geschichte nieder. "2001: A Space Odyssey" braucht sich in seiner Komplexität nicht hinter den im Deutschunterricht zu interpretierenden Alpträumen eines jeden Schülers zu verstecken. Wie schon erwähnt, kann das Herausfinden der Handlung zu einer Frage der Interpretations- und Analysekünste werden. In einem frühen Skript war ein umfassender Erzähler vorgesehen, dieser wurde jedoch gestrichen. Hierdurch ist der Betrachter gezwungen, sich auf den Film und die gezeigten Bilder zu konzentrieren und die Rolle des Erzählers selbst einzunehmen, denn nicht die Stimmen erzählen die Geschichte, sondern alleine die Beobachtungsgabe des Zuschauers. Bis zum ersten gesprochenen Wort vergehen etwa 20 Minuten des Films und auch im Rest der knapp der zwei Stunden tauchen nur etwa 40 Minuten Dialoge auf. Doch mit der Bestimmung der Handlung ist der Film noch lange nicht verstanden; vom roten Faden bis zur Aussage hat man dann noch gar nichts erfasst und sieht sich gezwungen, das Gesehene zu interpretieren. Vor allem die letzten 20 Minuten, die Reise Bowmans in die Unendlichkeit, bringen die meisten Zuschauer dazu, das geistige Handtuch zu werfen - dabei machte Kubrick es dem Zuschauer noch etwas leichter, indem in letzter Sekunde noch die Szene mit dem durchs Weltall treibenden Embryo eingefügt wurde, wodurch dem Zuschauer eines der großen Probleme der Handlungsbestimmung abgenommen wurde (der Originalentwurf endet mit der vom Bett ausgehenden Kamerafahrt in den davor stehenden Monolithen). Die Reaktionen des ausschließlich an vordergründiger Unterhaltung interessierten Publikums sind entsprechend. Für mich stellten Äußerungen in der deutschen Fernsehzeitschrift "TV Hören und Sehen" anlässlich der ersten TV-Ausstrahlung des Films den Höhepunkt dar, wo man Kommentare vorfand die sinngemäß aussagten, der Film sei so schlecht, dass man ihn noch nicht mal kapiert oder auch dass es eine Frechheit des ZDF wäre, eine solche inhalts- und sinnlose Aneinanderreihung von Bildern an Weihnachten zu zeigen, und das auch noch zur besten Sendezeit. Es fällt leicht, Kubricks Film zu hassen.

Dieser hochgradig intellektuelle Anspruch an den Zuschauer war von Kubrick und Clarke durchaus beabsichtigt. Clarke äußerte einst, dass sie versagt hätten, würde ein Zuschauer den Film nach einmaligem Ansehen bis ins Detail verstanden haben. Die Handlung ist jedoch nicht absichtlich verworren oder unnötig verkompliziert, wie es zum Beispiel David Lynch in "Mulholland Dr." (2001) praktizierte - im Gegenteil, durch aufmerksames Ansehen und das Bewusstsein, dass nichts in dem Film ungeplant oder zufällig ist, kann man die primäre Erzählung problemlos erfassen. Dies erfordert letztendlich einiges an Konzentrationsfähigkeit und auch Durchhaltevermögen beim Zuschauer, doch ist diese Hürde erst einmal genommen, wird der Film ungemein spannend, kurzweilig und provoziert ein tiefergehendes Interesse, was zu weiterführenden Fragen wie "Weshalb dreht HAL durch?", "Was für einen Zweck verfolgen die Außerirdischen?" oder auch die Mutter aller Fragen, "Sind die Außerirdischen vielleicht Gott und die Menschheit ein reines Zuchtergebnis?".

Und natürlich ist hier noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Wie es sich für ein Kunstwerk in Literatur und Film gehört (und was bedauerlicherweise im Genre des Films zu häufig ignoriert wird), kann man noch gewaltig zwischen den Zeilen lesen. Deshalb brachte ich oben den Vergleich zwischen dem Zuschauer und dem im Englisch- und Deutschunterricht gequälten Schüler, denn wie dort einst anhand von Autoren wie Brecht, Kafka, Huxley oder den Klassikern des Dramas erfahren, ist die vordergründige Geschichte nicht das Alpha und Omega eines Werkes. Und auch "2001 - Odyssee im Weltraum" übertritt die Schwelle zwischen Unterhaltung und Erzählkunst des öfteren. Es wimmelt vor Symbolizismen, welche weitergehende Rückschlüsse zulassen und der Erzählung erst ihre facettenreiche Tiefe verleihen. Hierdurch wird garantiert, dass man beim wiederholten Ansehen immer wieder neue interessante Details entdeckt, die zu einem weiteren Betrachten anregen und letztendlich für einen gewissen Suchtfaktor sorgen. Einige Beispiele für solche "zwischen den Zeilen" erbrachte Interpretationsansätze möchte ich hier vorführen, da hier nicht nur die Dichte der Erzählung aufgezeigt wird, sondern auch die Anforderungen, die an den Zuschauer gestellt werden.


Beispielsweise sehen wir den Monolithen zum ersten Mal in einer Totalaufnahme von ihm und seiner Umgebung. Zu einem späteren Zeitpunkt kommt diese Einstellung noch ein zweites Mal, allerdings fehlt hier der Monolith. Fällt dies dem Zuschauer auf, wird ihm deutlich, dass der Monolith sich nur so lange auf der Erde aufgehalten hat, bis Mondschauer in dem Knochen ein Werkzeug entdeckt hat. Verpasst man dies, kommt man wahrscheinlich erst gar nicht zu der Erkenntnis, dass der Monolith den Menschenaffen die Intelligenz brachte und damit die Menschheit nicht durch Evolution, sondern durch einen äußeren Einfluss entstand. Doch erst /nach/ dem Verschwinden des Monolithen entdeckt Mondschauer in dem Knochen auch eine Waffe - Krieg und Gewalt sind also eine außerplanmäßige Errungenschaft der Menschheit.

Kubrick wollte den Symbolismus des kriegerischen Aspekts noch auf die Spitze treiben, indem er hier noch eine direkte Verbindung zur heutigen Zeit unterbringt. In der letzten Szene von "Aufbruch der Menschheit" schleudert Mondschauer sein Werkzeug in die Luft und in einer der berühmtesten Überblendungen der Filmgeschichte verwandelt sich der Knochen in einen Satelliten. In einer frühen Version des Drehbuches war hier ein Satellit vorgesehen, welcher Atomraketen auf die Erde richtet. Kubrick hat sich letztendlich dazu entschlossen, es nicht so offensichtlich zu gestalten und dem Satelliten ein weniger martialisches Aussehen zu geben. Die Aussage ist jedoch noch vorhanden - in dieser Überblendung, in welcher Kubrick in einem Sekundenbruchteil vier Millionen Jahre der Menschheitsgeschichte überspringt, zeigt er trotzdem noch auf, dass der menschliche Fortschritt ein zweischneidiges Schwert ist, indem eine regelrechte Zwangsehe zwischen Werkzeug und Waffe existiert und dass Millionen von Jahren an diesem Sachverhalt nichts ändern können.

Die Symbolik des Werkzeugs ist mit dieser Szene noch lange nicht beendet. Der Film stellt noch weiterhin die Frage. ob die Technik noch immer das Werkzeug des Menschen ist oder ob der Mensch mittlerweile zum Sklaven der Technik mutierte. Während Mondschauer sich als Mensch noch des Knochens als Wegwerf-Werkzeug bedient, ist nach dem Szenenwechsel Dr. Floyd von der Technik abhängig. Mehr noch, sie umgibt ihn wie eine besitzergreifende Hülle und er selbst erscheint zerbrechlich und ihr hilflos ausgeliefert. In HAL 9000 erreicht diese Entwicklung ihren Höhepunkt, denn hier sind Mensch und Technik nicht nur in Form eines Computers verschmolzen, sondern die Technik leitet auch überlegen den Tod der Menschen ein. Bowman kann sich nur retten, indem er sich von dem Zwang der Technik befreit und HAL seinerseits tötet - nur um dann festzustellen, dass es für ihn dennoch keinen Ausweg mehr gibt und der Sieg über die Technik zu spät kam. Der Mensch wird von seinen Werkzeugen neu gestaltet, wie Clarke es so schön ausdrückte. Bowman hat lediglich das Glück, letztendlich doch ein von allen Zwängen befreites Wesen zu sein, geschaffen für die Ewigkeit.

Die Thematik der Entmenschlichung ist ein zentrales Thema in Kubricks Gesamtwerk. Bei "2001: A Space Odyssey" haben wir in der Figur von HAL 9000 einen hervorragenden Ansatzpunkt, um dies auch hier zu erkennen. HAL's Verhalten ist allzu menschlich - der ganze Ärger hätte nicht passieren müssen, hätte er sich nicht dem Zwang zur Perfektion ausgesetzt gesehen und zugegeben, mit der Diagnose von AE-35 einen Fehler begangen zu haben, anstelle die Ausrede des menschlichen Versagens abzuliefern. In der berühmten Szene, in welcher Bowman HAL abschaltet, nachdem HAL versuchte, ihn zu töten und auch die gesamte Luft aus der Discovery entweichen ließ, trägt HAL endgültig menschliche Züge. Er bittet und bettelt, dass Bowman ihn verschonen möge. Die nackte Panik bricht in dem Computer aus: "Hör' auf, Dave. Ich habe Angst". HAL spürt auch, wie er im Zuge der Abschaltung immer blöder wird. Er beginnt, das erste Lied zu singen, welches er in seinem Leben lernte. Eine der Textzeilen lautet hier auch prompt "I am half crazy" (dtsch. "Ich bin halb verrückt") [Anm.: Im Zuge der deutschsprachigen Synchronisation wurde das Lied leider durch das völlig unpassende "Hänschen klein" ersetzt].

Mit Symbolik wird man bei "2001 - Odyssee im Weltraum" regelrecht bombardiert. Es gäbe hier noch die gesteuerte Evolution der Menschheit zu betrachten (zum Beispiel wird jede der vier wesentlichen Entwicklungsstufen durch eine Berührung mit dem Monolithen eingeleitet), das soziale Verhalten von Menschen innerhalb eines abgeschlossenen Bereichs (man beachte das ständige Desinteresse von Bowman und Poole an ihrer Umwelt, zum Beispiel bei der Geburtstagsfeier), das durch Bowman in der letzten Szene repräsentierte menschliche Bewusstsein, welches über die Erde und damit über UNS wacht sowie die damit verbundenen Assoziationen zu religiösen Betrachtungsweisen, und und und ... man könnte noch sehr lange damit weitermachen.

Auch die Musik gliedert sich absolut harmonisch in das von Drehbuch und Regie geschaffene komplexe Gesamtbild ein. "Also sprach Zarathustra" wurde zu einer der meistkopierten musikalischen Untermalungen in Film und Werbung, zum dem Walzer "An der schönen blauen Donau" von Johann Strauß tanzen die Raumschiffe förmlich durchs All, die "Ballett Suite Gayane" von Kachaturyan sorgt für eine komplexe futuristisch-unheimliche Soundkulisse. Hier gibt es jedoch eine schöne Überlieferung, nach welcher als Untermalung für Bowmans letzte Reise das Stück "A Saucerful of Secrets" von Pink Floyd dienen sollte, anstelle Ligetis "Atmospheres". Eine diesbezügliche Anfrage Kubricks lag beim dortigen Management vor, wurde jedoch abgelehnt. Als 2 Jahrzehnte später Ex-Bandmitglied Roger Waters wiederum Passagen aus "2001" auf seinem Album "Amused to Death" benutzen wollte, lehnte Kubrick ab. Der cholerische Bassist packte daraufhin eine rückwärts aufgenommene Hasstirade gegen die "Schwuchtel" Stanley Kubrick in die Endfassung seines Songs "Perfect Sense" - und benutzte die Sequenzen mit HAL dann nach Kubricks Tod prompt im Rahmen seiner Welttournee 1999-2002 und dem dazugehörigen Konzertmitschnitt.

Wie immens wichtig die Musik für den Film ist, wird spätestens dann offenbar, wenn man die Möglichkeit hat, eine Aufführung des Films in der von Kubrick vorgesehenen Form zu erleben. Einer der hervorragenden Einfälle von Kubrick war, den kompletten Film in Musik einzubetten. Bevor der eigentliche Film beginnt, wird das Kino abgedunkelt und aus den Lautsprechern erschallt eine Ouvertüre, deren geisterhaft-schwebende Klänge den Zuschauer, der gebannt auf die ersten Bilder wartet, für etwa drei Minuten einlullen und in die richtige Stimmung versetzen. Daraufhin gehen die Klänge in den noch etwa 30 Sekunden vor sich hinbrummelnden Tiefbass von "Also sprach Zarathustra" über, bis sich plötzlich auf der bislang schwarzen Leinwand die Sonne über den Mond erhebt und der eigentliche Film beginnt. Nach der minutenlangen Schwärze ist diese Szene ein erhabener Anblick.

Wie bei Kubricks Filmen bis einschließlich "The Shining" (1980) üblich, ist auch bei "2001: A Space Odyssey" eine Pause innerhalb des Films nicht nur vorgesehen, sondern auch ein Bestandteil der Inszenierung. Diese Pause, "Entr' Acte" genannt, welche unmittelbar vor Frank Pooles tödlichem Weltraumspaziergang angesiedelt ist, ist natürlich ebenso von Kubrick mit Ligetis psychedelischer Musik unterlegt und erhält die Stimmung des Zuschauers bis zum Ende der Pause aufrecht. Versteht sich von selbst, dass Kubrick den Film auch mit einem „Exit“-Titel versehen hat, welcher nach dem Ende des Abspanns anläuft (die Lichter gehen erst nach dem Ende des Abspanns an und die Türen werden auch erst dann geöffnet). Hier wird das Thema von "An der wunderschönen blauen Donau" nach den Credits noch etwa fünf Minuten weitergeführt und begleitet die Zuschauer des Films auf die Straß. Mit dieser wundervollen Konzeption Kubricks gibt es heutzutage nur ein Problem: Keine Sau hält sich daran. Man kann wirklich pauschal sagen, dass bis auf wenige Ausnahmen die heutigen Kinobetreiber entweder zu strack, zu kommerzgeil oder schlichtweg zu dämlich sind, den Film in seiner tatsächlichen Form zu zeigen. Metro Goldwyn Mayer/United Artists selbst liefern den Film auf Wunsch nach wie vor mit der zusätzlichen Musik aus und glücklicherweise hat man sich dort entschlossen, auch die DVD- und Laserdisc-Version des Films mit "Ouverture", "Entr' Acte" und "Exit" zu versehen.

"2001 - Odyssee im Weltraum" ist in den Belangen des Drehbuchs und der umfassenden Inszenierung in unmittelbarer Nähe des "100% perfekten Films" angelangt. Allerdings auch nur in der Nähe, denn Kubrick schaffte es, einige Regiefehler einzubauen. Ein paar perspektivische Fehler bei Mond und Erde sind enthalten, nach einem Schnitt vertauscht Geschirr auf magische Art und Weise eine Position auf dem Tablett. Ein Fehler ist richtig wüst: In der Szene, in welcher die Raubkatze von einem Felsen herabspringt, verzieht die Kamera ein wenig und die obere Kante des gemalten Himmels ist sichtbar - und dahinter auch prompt die Rückwand des Studios. Die beiden wesentlichen Fehler fallen zwar nur bei wiederholtem Ansehen auf und die restlichen sind in den Bereich der Kontinuität einzureihen und dadurch entschuldbar, dass man sie eher mit dem Taschenrechner als durch den Verstand wahrnehmen würde und/oder auf einem Mangel an Fakten beruhten. Aber zwei wesentliche Fehler sind nun mal genug, um eine Regiearbeit die Bezeichnung "perfekt" zu verwehren, und sei der Rest der Inszenierung und auch das Drehbuch absolut wasserdicht.

Wie es sich gehört, gab sich der Verleih auch wieder alle Mühe, als Huldigung an den Kommerz ein Kunstwerk zu versauen. Bei einer Testvorführung fiel der Film bei einer Laufzeit von 159 Minuten knallhart durch, ein Desaster schien sich anzubahnen. Kubrick kürzte den Film daraufhin für die Premiere erst mal um 4 Minuten, vor dem regulären Kinostart fielen noch mal 16 Minuten unter den Schneidetisch (in der schwedischen und finnischen Kinoversion sind diese 16 Minuten noch enthalten). Das Resultat mit 139 Minuten Laufzeit wurde dann auch prompt zu einem gigantischen Erfolg beim Publikum, "2001: A Space Odyssey" wurde als "der Film der Filme" gehandelt, ihn zu sehen wurde beinahe zur Allgemeinbildung. Auch bei den Hippies der damaligen Zeit wurde der Film zur Ikone - es gehörte schon beinahe zum guten Ton, sich in die erste Stuhlreihe im Kino zu setzen und sich rechtzeitig zum Beginn von Bowmans Flug durch die Dimensionen mit Gras oder LSD die Birne zuzuknallen (wer heute die Gelegenheit hat, eine in gutem Zustand befindliche 35mm-Kopie in einem großen Kinosaal zu sehen, wird das nachvollziehen können – wenn die Farben beginnen, sich auf einen zu stürzen und die Supernoven explodieren, erweckt die Szenerie einen derart plastischen Eindruck, dass man versucht ist, aus Reflex den Kopf einzuziehen).

"2001: A Space Odyssey" wurde für vier Oscars nominiert (bestes Original-Drehbuch, beste Regie, beste künstlerische Gestaltung, beste Spezialeffekte), letztendlich wurde davon der Oscar für die Spezialeffekte an Stanley Kubrick überreicht. Eine witzige Anekdote ist der Oscar für das beste Make-Up: Hier war "2001" nicht mal nominiert, die Auszeichnung ging an die Affen aus "Planet of the Apes"(1969). Nachträglich hieß es, die Nominierung von "2001: A Space Odyssey" habe es nicht gegeben, da man dachte, bei den hier zu sehenden Menschenaffen hätte es sich nicht um maskierte Schauspieler, sondern richtige Affen gehandelt.
Die wichtigste Auszeichnung des Films wurde ihm 1991 zuteil, als er in den USA in die "National Film Registry" des National Film Preservation Boards aufgenommen wurde und auch seinen festen Platz im New Yorker Museum of Modern Art fand.

Wer "2001: A Space Odyssey" noch nicht gesehen hat und das mal nachholen möchte, sollte dies UNBEDINGT in einem großen Kino tun. Es gibt kaum einen anderen Film, der derart auf die große Leinwand eines technisch einwandfreien Kinos angewiesen ist wie dieser; sieht man ihn woanders, verfehlt er völlig seine Wirkung auf den Zuschauer. Das gleiche gilt natürlich auch für Leute, die ihn nur vom Fernsehschirm kennen – ein großes Kino hat schon so manchen erklärten "2001"-Hasser zum begeisterten Fan gemacht. Im Kino hat man es in technischer Hinsicht mit fünf verschiedenen Fassungen zu tun, wo es sich durchaus lohnt, im Vorfeld an der Kasse nachzufragen. Die beiden eindrucksvollsten Fassungen wären hier die 35mm-Version (anamorphes Bild, 4-Kanal-Ton, Bildformat 2.35:1) sowie die 70mm-Kopie in Super-Cinerama und dem Bildformat von 2.20:1. Letzteres ist extrem schwer zu erwischen, da nur sehr wenige Kinos über die notwendige Ausstattung verfügen. Es gibt noch eine weitere 70mm-Kopie (spherical, ebenfalls 2.20:1) als zweite Wahl sowie die beiden Kinofassungen, von denen man besser Abstand nehmen sollte: die erste wäre hier eine 35mm-Kopie mit Mono-Ton, die zweite eine 16mm-Variante. Nachfragen lohnt sich also.

Die deutsche VHS-Leihkassette kann man getrost in die Tonne treten, der Film wurde hier zerstört. Als Vorlage diente die in Mono gehaltene 35mm-Kopie und um der Sache noch eins draufzusetzen, wurde als Bildformat 1.33:1 (Pan & Scan) gewählt und der Bildausschnitt munter von links nach rechts bewegt. Diese alte Version ist "2001 zum Abgewöhnen" und ob es eine angemessenere deutsche Videofassung in 2.35:1 und mindestens Stereo-Ton gibt, ist mir nicht bekannt. Die Version, welche das ZDF (und damit auch 3SAT) im Fernsehen zeigte, beruhte auf der in 2.20:1 gehaltenen sphärischen 70mm-Kopie - kann man also noch durchgehen lassen, wenn man die aufwendigeren Kinoversionen kennt. Um eventuelle Ausstrahlungen im privaten Fernsehen würde ich einen weiten Bogen schlagen, der Film ist absolut sensibel gegenüber Werbepausen. Grundlage für all diese Versionen ist die Fassung mit einer Laufzeit von 139 Minuten (bzw. 133 Minuten in PAL). Besitzer von Laserdisc- oder DVD-Playern können frohlocken: Hier gibt es eine remasterte Versionen des 35mm-Prints im 70mm-Bildformat und, wie schon erwähnt, mit der den Film umrahmenden Musik. 1997 wurde der Originalton anlässlich des Jubiläums des Films unter der Aufsicht von Kubrick noch mal umfassend neu abgemischt und ist in AC-3 sowie DTS erhältlich - in den USA erlebte die DTS-Version auch eine Neuaufführung in einigen ausgewählten Kinos.

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