Die Unglaubliche Geschichte des Mr. C.

Originaltitel: 
The Incredible Shrinking Man
Land: 
USA
Laufzeit: 
81 min
Regie: 
Jack Arnold
Drehbuch: 
Jack Arnold, Richard Matheson
Darsteller: 
Grant Williams, Randy Stuart, Paul Langton
Kinostart: 
31.05.57

Scott und Lou Carey sind ein ganz normales, ganz durchschnittliches amerikanisches Mittelklasse-Ehepaar. Bis Scott eines Tages glaubt, zu schrumpfen. So ein Blödsinn, meint seine Frau; doch nach einigen Tagen sieht sie selbst, dass Scott sich da nichts einbildet. Seine Kleider sind ihm zu weit und sie muss sich nicht mehr zum abendlichen Gute-Nacht-Kuss auf die Zehenspitzen stellen. Schließlich passiert es: Scott kann selbst in dem alten Puppenhaus seiner Frau nicht mehr in Ruhe wohnen - hat ihn doch der Hauskater entdeckt und hält ihn für potentielle Beute. So flieht der unglaublich schrumfende Mann in den Keller seines Hauses. Ohne Hoffnung auf Hilfe muss er sich nun durch die wilde, einsame weite Welt des eigenen Kellers schlagen...


Filmkritik:
von Susanne Picard (für SF-Radio.net)

Wie auch schon Tarantula war Die Unglaubliche Geschichte des Mr C. in den paranioden Fünfziger Jahren eine Ausnahme im Genre Science Fiction. Denn so alltäglich sich die Erklärung für Scotts Schrumpfen anhört (er geriet beim Hochseefischen mit seinem Chef in eine radioaktive Wolke), so unpolitisch ist sie auch. Das macht den Film in seinem Genre wirklich zu etwas Besonderem, hielten doch die Monster und Aliens meist für eine versteckte Kritik am massiven Antikommunismus der damaligen US-Regierung her und wiesen auf die Gefahren des kommenden Atomkriegs hin.

Doch in der Unglaublichen Geschichte des Mr C. bleibt die Gefahr rund um die Radioaktivität seltsam unklar. Indem sich Regisseur Jack Arnold nicht weiter um die Entstehung des Dilemmas und dessen Auflösung kümmert, tut er etwas sehr mutiges: Er lässt sich beinahe die ganzen 81 Minuten seines Films Zeit, zu erzählen, was Scott Carey so alles passiert und wie er damit fertigwird. So gerät der Film - völlig untypisch für Genre und Zeit - zu einer intensiven Charakterstudie: Scott durchlebt alle Stadien von Hoffnung, Verzweiflung, Wut und Frustration, wie eine unheilbare Krankheit sie einen Menschen wohl erleben lässt.

Für 1957 war die Tricktechnik, mit der das passiert, vom Allerfeinsten. Die drei Experten für die Spezialeffekte, Clifford Stine, Roswell A. Hoffman und Everard Broussard, mischten alles, was damals an Filmtechnik bekannt war, um dem Hauptdarsteller Grant Williams zu ermöglichen, einen winzigen Menschen zu spielen - der wohl einer ihm bekannten, aber auch beinahe nicht zu bewältigenden Welt ausgesetzt wurde. Hervorzuheben ist hier Scotts Kampf mit der Spinne im Keller, bei der - wie schon bei ”Tarantula” - eine echte Spinne gefilmt wurde. So konnte Grant Williams, genau darauf abgestimmt, seine Kampfbewegungen koordinieren, wurde ebenfalls aufgenommen und beides dann im Splitscreenverfahren zusammengeschnitten.

Das Ergebnis wirkt so echt, wie das damals nur möglich war. Die anderen Kulissen bestehen in vielen Dingen aus Gegenständen, die einfach so hoch und groß gebaut wurden, wie sie einem geschrumpften Scott erscheinen mussten - die Nadel, die er als Schwert im Kampf gegen die Spinne benutzt, die Streichholzschachtel, der Kuchenkrümel, der ihn wahrscheinlich vor dem Hungertod retten wird.

Interessant ist die Aussage, die dieser Film mit dieser Konzentration auf das Wesentliche - nämlich Scotts Kampf mit dem bekannten Unbekannten - trifft: Die Welt wird in unserer Zeit für den Menschen zu groß. Er kennt sie, aber kann sie nicht mehr bewältigen. Klar, Scott kennt die Katze, er kennt den Regen, er kennt das Puppenhaus. Nichts, wovor man Angst haben müsste. Doch in seinem Zustand wachsen auch die einfachsten Dinge zu unermesslichen Problemen. Ist es nun Scott, der schrumpft, oder die Umwelt mit all ihren Gegenständen, die für den modernen Menschen nicht mehr zu bewältigen sind... ? Eine Frage, die im Film erst Ende der Sechziger Jahre, also über zehn Jahre später, wieder so richtig aktuell wurde - und beispielsweise einem Film wie Night of the Living Dead als große Innovation zugeschrieben wurde.

Konsequenterweise setzt sich Scott ungefähr in der Mitte des Films, nach dem grausigen Erlebnis mit der Katze, damit auseinander, dass er wohl nicht mehr größer wird und dass seine Geschichte unumkehrbar ist. Das Gegenmittel wirkt nur für kurze Zeit, alle halten ihn für tot und so findet er sich damit ab, dass er sein Leben “da draußen” im Mikrokosmos wohl weiterleben muss. Die Geschichte endet offen - man sieht Scott durch das Kellerfenster in den Garten verschwinden, mit einigen philosophischen Worten, ähnlich einem Astronauten, der nicht mehr zur Erde kann.

Where no one has gone before, gewissermaßen.

Auch das war für die Fünziger Jahre ausgesprochen mutig und machte den Film naturgemäß nicht sonderlich populär. Was einen aber nicht daran hindern sollte, ihn sich auch heute einmal mit Genuß zu Gemüte zu führen.