Antares

Antares, Titelbild, Rezension
Thomas Le Blanc

Mit „Antaras“ legte Thomas le Blanc im Jahre 1980 die erste von letztendlich zehn Sternenanthologien- benannt in alphabetischer Reihenfolge nach einzelnen Sternen, die mehr und mehr auch einen Bezug zum Inhalt bekommen werden - deutsprachiger SF Autoren vor. In seinem Vorwort erläutert er die Idee, wider der angloamerikanischen Science Fiction, aber auch der utopischen Trivialliteratur des Heftromanmarktes einen Gegenpol zu setzen. Eine Anthologiereihe, in der sich etablierte Hasen teilweise für die Kurzgeschichte reaktiviert mit Newcomern treffen. Zumindest der Trivialliteratur als Einstieg gesteht der Herausgeber eine Daseinsberechtigung zu, wobei gänzlich ignoriert wird, dass vor allem Filme wie „Star Wars“ und „Unheimliche Begegnung der dritten Art“ auch der literarischen SF zu einem kurzen, aber sehr überzeugenden Boom verholfen haben.

 Erst im Verlaufe der Reihe sollte der findige Herausgeber generelle Themen seinen Autoren mit auf den Weg geben. Daher wirkt „Antares“ noch in seiner Struktur anarchistischer, aber auch opportunistischer. Es finden sich sozialkritische Texte genauso wie Exkurse in die Tiefen des Alls.

 Jörg Weigand macht mit seiner Vignette „Sonnensegel“ den Auftakt. In den Tiefen des Alls treffen zwei havarierte Astronauten auf ein besonderes Raumfahrzeug einer wahrscheinlich schon längst untergegangenen außerirdischen Zivilisation. Sie verfallen kurzzeitig dem Zauber und drohen den Kontakt zu ihrem eigenen Schiff zu verlieren. Sprachlich anspruchsvoll bestehend aus eindrucksvollen, komprimierten Bildern erweckt Jörg Weigand den „Sense of Wonder“, der weniger aus dem logischen Hinterfragen besteht, sondern nur aufzeigt, das viel mehr dort draußen ist. Auch Thomas Landfinders „Die Karawane hält an“ schildert die Begegnung mit einem wundervollen Schiff von Fremden. Die Menschen haben lange Zeit auf diese biologischen Raumschiffe Jagd gemacht. Diese haben sich erstaunlich passiv verhalten. Für die kleine Prospektoren Familie wird die Begegnung mit einem weiteren Schiff der Fremden zu einer schweren Katastrophe, bei der sie eine Geliebte/ Familienangehörige verlieren. Vor allem der Auftakt mit den seltsamen und tatsächlich fremden Außerirdischen ist überzeugend, während das Ende einige der eingangs angesprochenen Punkte relativiert und die Story ein wenig von ihrer Faszination zu Gunsten eines zu starken Happy Ends verliert. 

 Auch Gerd Maximovics „Renegat und Königin“ reiht sich in diese Reihe ein. Die Geschichte beginnt klassisch. Der Protagonist wird zu einem Planeten namens „Ring“ ausgesandt. Zwei Vorgängerraumschiffe – immer mit einem Mann besetzt – sind dort verloren gegangen, obwohl es angeblich nur zwei Zivilisationen auf Termitenniveau gibt. Zu Beginn verfängt sich der Protagonist in Traumvision, bestehen aus „Schlachten“ mit Königin und tierischen Söldnern, bevor der Text eher gegen Ende auf eine klassisch bekannte „First Contact“ Schiene zurückfindet. Gerd Maximovic versucht das Thema zu ambitioniert anzugehen und verfängt sich in seiner phantastischen Vision anstatt den Handlungsbogen konsequenter zu entwickeln und dem Leser mehr Zugang zu seiner Geschichte anzubieten. 

 Einige der Kurzgeschichten könnten auch als Miniaturen durchgehen. So zeigt Ingrid Leona Franke in „Nur ein Tag“ auf, dass selbst in einer emotional durchgeplanten Zukunftswelt zutiefst menschliche Handlungen nicht ausgeschlossen werden können. Auch Herbert W. Franke sieht in „2000 Jahre später“ den Menschen nicht mehr als Krone der Schöpfung, sondern nur noch ein überflüssiges Objekt. Nach einem relativ gesehen zehn Jahre dauernden Flug – auf der Erde sind 2000 Jahre vergangen – kehren die Astronauten zur Erde zurück, die ohne menschliches Leben ist. Der Empfang ist durchgeplant und dient eher dazu, die letzten „Exzesse“ zu beseitigen und eine friedliche Zukunft zu gestalten. Herbert W. Franke stellt dem Leser anfänglich für den Umfang des Texts sehr ausführlich die einzelnen Astronauten vor, damit deren Schicksal für den Leser am Ende schockierender, aber in der Tradition eines Ray Bradburys auch erträglicher erscheint. In Andreas Gerhardts „Wir sind unten“ kehren die menschlichen Marsianer zu einer von mehreren Kriegen verwüsteten Erde zurück, nur um zu erkennen, dass es tatsächlich in den Kanalsystemen Überlebende gibt. Die Geschichte steuert allerdings zu schnell auf die zu wenig effektive Pointe zu. 

 Ein wichtiges Element der deutschen Science Fiction ist immer wieder die Realsatire gewesen. Dieter Hasselblatts „Fix und fertig“ ist nicht nur ein Höhepunkt dieser Anthologie, sondern eine interessante Umsetzung eines Stoffes, der vor allem als Hörspiel sehr gut funktionieren muss. Das Sensationsmagazin „JOB“ hat den Mitschnitt einer aggressiven Talkshow „Fix und fertig“ gefunden, in welcher einer der Kandidaten einen Herzinfarkt erlitten hat. Ziel von „Fix und fertig“ ist es, den Kontrahenten verbal in die Ecke zu drängen, ihm Strafpunkte aufzuhalsen und schließlich in einer direkten Konfrontation um zum Beispiel wichtige Ämter als unfähig zu entlarven. Es stehen sich mit der progressiven lebenserfahrenen, aber auch attraktiven Mutter sowie dem Amtsinhaber – ein inzwischen engstirnig denkender und nicht mehr aktiv handelnder Politiker -  zwei Menschen gegenüber, die unterschiedlicher nicht sein können. Es entwickelt sich vor allem ein Duell, das von den sehr guten und pointierten Dialogen getragen wird. Dieter Hasselblatt wechselt ab und zu in die distanzierte Perspektive, um auch die inneren Gefühle der Protagonisten aufzuzeigen, wobei er sich in dieser Hinsicht auf den Politiker konzentriert. Es ist ein spannendes Duell, dessen Ausgang und vor allem politische Intentionen schnell verwischen. Am Ende sind aus der Sicht des Lesers/ des Zuhörers beide Kandidaten nicht tragbar und ob diese Methode der Selektion wirklich empfehlenswert ist, bleibt offen. Aber der Wettstreit ist so gut und zeitlos geschrieben worden, dass diese Art von Sendungen heute eher der verqueren Medienpolitik entsprechen als in den achtziger Jahren.  

 Auch die Kooperation von Ronald M. Hahn und Thomas Ziegler „Alternativwelt 1818“ könnte dazu gezählt werden. Allerdings verlieren die beiden Autoren irgendwann im Handlungsverlauf die satirischen Ansätze aus den Augen. Eine Agentin soll auf der anfänglich stark der Erde mit einigen erkennbaren historischen Abzweigungen ähnelnden Welt – es ist in einem Multiversion die Alternativwelt mit der Nummer 1818 – untersuchen, ob die von Echsen abstammenden Aggressoren die Menschen unterdrücken. Bei ihren sanktionierten Untersuchungen findet sie keine echten Spuren, wobei einige Teile der Bevölkerung seltsam auf ihre Befragungen reagieren. Anscheinend grassiert auf dieser Welt eine seltsame Seuche, welche nur die Invasoren betrifft und sie von emotionslosen Wesen in eine Art Hippie/ Groove Kultur verwandelt. Aber auch dieser Ansatz wird gegen Ende der stringenten Geschichte fallen gelassen. Der Abschluss ist abrupt und wirkt gekünstelt.

Zu Beginn beschreiben die Autoren eine Welt voller dem Leser bekannter Reklamesprüche und auch die Idee der Lustmaschine wird gut eingeführt. Es ist schade, dass diese vertraute und doch fremdartige Welt wieder mehr und mehr in den Hintergrund rückt, bis die komplizierte Handlung durch die Beobachtungen der Protagonistin auf der einen Seite aufgelöst, auf der anderen Seite durch ihre erzwungene Abreise aber im Kern gefestigt wird.

 Winfried Göpferts „Der Fremde und ich“ konzentriert sich auf eine perfekte Kommunikationsgesellschaft, in welcher im übertragenen Sinne der Mensch mit sich „selbst“ in Kontakt treten kann. Die Stringenz lässt keinen Zugriff auf die einzelnen Charaktere zu. Die Story steuert relativ gerade die Pointe an, wobei aus heutiger Sicht die Idee auch nicht mehr originell genug erscheint um einen Plot zu tragen. Vor fast vierzig Jahren mag der Kontext anders geklungen haben.

 Die letzte Geschichte der „Antares“ Anthologie „Nicht von dieser Welt“ aus der Feder  R.N. Blochs ist in erster Linie eine Horrorgeschichte, die von ihrer dunklen Atmosphäre und der surrealistischen Pointe lebt. Stilistisch überzeugend ist diese seltsam phantastische Reise über eine verfremdete Erde ein solider Abschluss dieser Anthologie deutscher Science Fiction Autoren, die von erkennbaren Parallelwelten über realsatirische Elemente hin zu klassischen „First Contact“ Stories ein sehr breites Spektrum abdeckt. 

Herausgeber: Thomas Le Blanc, Herbert W. Franke & Peter Wilfert 
Verlag/Jahr/Seiten: Goldmann / 1980 - 184 Seiten
Reihe: Goldmann Science Fiction 23365 - Sternenanthologie Band 1
ISBN: 3-442-23365-8     ISBN13: 978-3-442-23365-6