Dr. Who : Der Piratenplanet

Dr. Who, der Piratenplanet, Titelbild, Rezension
James Gross / Douglas Adams

Mit “Der Piratenplanet” erscheint im Grunde die erste Arbeit Douglas Adams für die „Doctor Who“ Serie als Adaption von James Gross. Wer sich mit der zugrundeliegenden „Dr. Who“ Folge auskennt, sollte zuerst in den Anhang schauen, wo der Autor nicht nur den Adaptionsprozess ausführlich beschreibt, sondern auch einige Hinweise auf das ursprüngliche Manuskript Douglas Adams einbaut.

Anthony Read hat das Drehbuch um den Timelord in einer gigantischen Antiaggressions Maschine sowie weitere Paradoxe ordentlich vereinfacht. Einige der ursprünglichen Ideen hat James Gross wieder in die laufende Handlung einzubauen, so dass die Synthese aus der Fernsehfolge und den verschiedenen Drehbuchentwürfen fast etwas ganz Neues ergibt. 

Es ist die zweite der insgesamt sechs Folgen um „Key to Time“. Gleich zu Beginn des Buches macht sich der Doctor stellvertretend durch Douglas Adams über die nicht herausfordernde Grundidee lustig, nicht einen oder zwei Zeitschlüssel, sondern insgesamt sechs Artefakte suchen zu müssen, die dann auch noch „langweilig“ in Juwelenform verborgen sind. Natürlich liegt er hier falsch und die folgenden Schlüssel der Zeit sind deutlich ambionierter entweder versteckt oder von einer gänzlich anderen Beschaffenheit.

Auf eine sehr originelle Art und Weise informieren Douglas Adams in seinem Drehbuch und James Gross in seiner Adaption die Neueinsteiger, welche den Sechsteiler nicht gesehen haben, über die Aufgabe und den Fund des ersten Zeitschlüssels.   Im Gegensatz zu den damals noch unterdurchschnittlich budgetierten Fernsehfolgen können vor allem die Antagonisten sogar verbal karikiert und durch den Kontrast zwischen ihrem Handlungen sowie ihrem Aussehen parodiert werden. Nicht selten sind es die inneren Monologe, beginnend mit der Ablehnung der neuen Begleiterin des Doctors, die einen wichtigen Teil des Romans bilden. In dieser Form sind sie in einer Fernsehserie nicht darstellbar. Selbst die Idee, dass der damals schon von den Fans kritisierte Computerhund K 9 seine Schnauze aus der Tardis in den Zeitwind hält, bleibt eine geträumte Vision. Während sich viele andere "Doctor Who" Autoren vor allem bei den Adaptionen der Drehbücher sklavisch an den Text halten, ist James Gross ein eigenständiger Schriftsteller, der neben den pointierten Dialogen vor allem die Essenz den Vorlagen entnimmt und sie auf eine eindrucksvolle Art modernisiert. Anhänger von Douglas Adams eigenständigen Serien wie "Per Anhalter durch die Galaxis" finden sehr viel von Douglas Adams so typisch britischen Humor in diesem Roman.

Nicht alle stereotypen Handlungsstränge wie die das Monster der Woche können ignoriert werden, aber im Verlaufe des Spannungsbogen mit seinen Anspielungen an James Bonds "Der Spion, der mich liebte" - Leser werden wissen, in welche Richtung Douglas Adams zielt - sowie den exzentrischen mechanischen Kreaturen finden sich so viele positive Dinge, das es Spaß macht, in die goldene Zeit von "Doctor Who" auch ohne Tardis zurück zu reisen. 

Dieses Mal landen der Doctor und seine Begleiterin/ Timelords in Ausbildung Romana auf dem kalten und langweiligen Planeten Calufrax, der die Position des eigentlichen Zielobjektplaneten einnimmt. Auf der Welt finden sie eine wie es sich für die Serie gehört ungewöhnliche wie exzentrische Zivilisation. Der Leser hat dieses Völkchen des lebenden Sozialismus unter Piratenflagge schon vorher durch einige Einschübe kennengelernt. Immer wieder werden Zeitalter des ewigen Wohlstandes angekündigt, obwohl das Volk davon nichts spürt.

Die Menschen haben vor allem Angst vor einem mysteriösen Völkchen, das als die Trauernden bekannt ist. Im Original heißen sie Mentiads. Bis auf regelmäßige Auftritte vor allem zu den unmöglichsten Zeiten bleiben sie lange, vielleicht zu lange im Verborgenen.

Tyrannisiert wird der Planet vom Captain, einer Mischung aus Mensch und Maschine, die nicht nur in der Fernsehserie, sondern vor allem auch dank Douglas Adams Beschreibungen aussieht, als wenn jemand in hektischer Eile Ersatzteile zusammengesetzt hat. Sein mechanischer Papagei ist seine Waffe, die Bürokratie erledigt in seinem fensterlosen Büro ein echter Lohnsklave. Verarztet wird der Captain von einer allgegenwärtigen Krankenschwester, ein Klischee, das Douglas Adams vor allem im letzten Viertel des Romans sehr gut ausbaut.     

Der rote Faden ist das Verschwinden eines jungen Mannes und die Entführung Romanas durch den Captain. Der Doctor muss sich mittels Münzwurf entscheiden, wen der beiden Menschen er zuerst rettet. Er muss sich über diese seltsame Welt auf seine Feinde zu bewegen. Durch diese mehr zieltechnisch koordinierten, ablauftechnisch eher improvisierten Bewegungen inklusiv des mehrfachen Diebstahls eines Fluggleiters hat der Leser die Möglichkeit, die Welt und ihre Bewohner in Form von teilweise isolierten Anekdoten kennenzulernen. Es sind angesichts der sehr gut übersetzten Dialoge die stärksten Passagen des ganzen Romans, weil der Überbau spannungstechnisch ein wenig in eine zu enge Fernsdehform gepresst erscheint.    

Handlungstechnisch werden die von James Gross nach dem ersten Manuskript noch einmal herausgearbeiteten Schwerpunkte Verantwortung und „Schuld“ sehr stark relativiert. Auch wenn auf jede Aktion eine mehr oder minder umfangreiche Reaktion erfolgt, sind diese Ideen sowohl in der gedrehten Fernsehfolge als auch der auf verschiedenen Quellen basierenden Adaption weniger stark herausgearbeitet. In vielen Punkten erinnern sie an die für „Doctor Who“ so signifikanten Handlungsmuster mit einer im Hintergrund arbeitenden Kraft, den überdrehten selbstverliebten „Schurken“ und schließlich dem Doctor, der die Rätsel nicht immer durch Deduktion, sondern dank des Faktors Zufall auf seiner „Suche“ nach einem ambivalenten Ziel löst.

 Die Stärke der vorliegenden Episode sind deswegen auch weniger die kritischen Punkte, die Douglas Adams in dem engen Korsett des Gerüsts um die Schlüssel der Zeit herausarbeiten wollte, sondern die einzelnen Szenen mit seinem subversiven, so typisch britischen Humor, der erst im Laufe seiner erfolgreichen, aber leider auch abrupt beendeten Karriere teilweise in den Bereich des Klamauks abgerutscht hier. Hier liegt er mit pointierten Bemerkungen angesichts einer perfektionierten wie langweiligen Gesellschaft den Finger in einige Wunden, auch wenn die Idee des Planeten absorbierenden Piratenraumschiffs und seines überdrehten, selbst verliebten Kapitäns gegen einen sozialkritischen Kontext spricht.

Romana und der Doctor müssen sich noch annähern. Während die Fernsehfolgen darüber teilweise hinweg gehen, hat James Gross den Raum und die inhaltliche Zeit, um einige Szenen zwischen den beiden auf den ersten Blick so unterschiedlichen Timelords beginnend mit der Nutzung von Handbüchern für altgediente Tardis zu entwickeln.

Auch wenn die verschiedenen im Anhang publizierten Treatments nur einen kleinen Einblick in die ursprüngliche Version bilden – vor allem aus dem ersten Entwurf könnte heute noch eine vollkommen neue „Doctor Who“ Episode entstehen -, hat James Gross mit seiner Romanversion wahrscheinlich die bestmögliche aller Welten literarisch erschaffen und Douglas Adams zukünftigen Einfluss auf die langlaufende Serie ein weiteres Mal zementiert.

 

 

Übersetzung: Andrea Blendl
Cross Cult, 2017,

Taschenbuch, 430 Seiten, 

ISBN 978-3-95981-180-4 (auch als eBook erhältlich)