Einzelgänger des Alls

Fredric Brown

Fredric Brown war einer der einflussreichsten und erfolgreichsten Kurzgeschichten Science Fiction Autoren der vierziger Jahre. In verschiedenen Interviews erläuterte er, dass diese Fix-Up Novels ihm geholfen haben, seine Schreibblockade halbwegs zu überwinden und vor allem Geld zu verdienen. Auch Fredric Browns zweiter wichtiger Markt – Detectivromane – war zum Erliegen gekommen. Diese Mosaikarbeiten zeigen auf der einen Seite den Ideenreichtum des Autoren, wirken auf der anderen Seite teilweise zehn Jahre nach ihrer Erstveröffentlichung manchmal sehr spärlich zusammengesetzt auch ein wenig antiquiert. In erster Linie unterstreichen sie nachhaltig, dass Brown besonders in den vierziger Jahren einer der wichtigsten Kurzgeschichten und mit Einschränkungen Novellenautor des phantastischen Genres gewesen ist, der mit seinem pointierten und nachhaltigen Sinn für Humor den Lesern nicht selten den Eulenspiegel vors Gesicht gehalten hat.   

 

Im Fall von “Rogue in Space” setzt sich der Roman aus den beiden Kurzgeschichten  “Gateway to Darkness” und “Gateway to Glory” zusammen. Ende der fünfziger Jahre in einer gesundheitlich sehr schwierigen Phase seines Lebens begann Fredric Brown wie schon angesprochen diesen Roman zu „bauen“ und weniger zu verfassen. Die Browns zogen zwangsweise wieder aus Los Angeles zurück in die Wüste nach Tucson, Arizona. Die trockene Wüstenluft schützte ihn weitgehend vor seinen Allergien und dem Asthma.

Trotzdem nahm seine Produktion bis auf einen – nicht sonderlich langen Roman ab. Wahrscheinlich schrieb er schon die letzten Züge seines Buches “The Office”, das 1958 erschien. In dieser autobiographischen Geschichte, die weder zur Science Fiction noch zum Krimi gehörte, schildert er seine Jahre 1922 und 1923 in einem Büro in Cincinnati. Es ist eine Mischung aus Realität und Träumereien und stellt den einzigen Text dar, den Frederic Brown vor seiner Veröffentlichung überarbeitete.

 

Schon beim Schreiben dieser hier vorliegenden zusammengesetzten Version von “Rogue in Space” stellte er –laut Auskunft seiner Frau- fest, dass er mit dem Text nicht viel anfangen konnte und das ist vielleicht der leichteste Erklärung, warum es im Gegensatz zu seinen anderen Büchern schwerfällig und belanglos erscheint.

 

Crag ist ein Schmuggler und Dieb, der von den Behörden der Erde festgenommen wird, als er ausgerechnet nichts angestellt hat und ihm eine Falle zum Verhängnis wird. Es gibt nur zwei mögliche Urteile für ihn: Löschung seiner Persönlichkeit und Neubeginn in der Gesellschaft oder lebenslange Zwangsarbeit. Darum ist er überrascht, als ihm der Richter eine dritte Alternative anbietet. Er soll für eine Millionen Dollar und seine Freiheit einen Gegenstand aus einer schwer bewachten Festung auf dem Mars stehlen, den der Richter und seine Freiheitspartei benötigen, um das Machtgleichgewicht gerade zu rücken. Mit einigen Tricks erreicht Crag sein Ziel. Auf dem Rückweg/ Rückflug stellt sich heraus, dass er nur Ziel eines grausamen Diktators geworden ist, der mit einer Demonstration dieser Waffe die Weltherrschaft übernehmen möchte. Um dieses Ziel zu verhindern, opfert sich Crag.

 

Parallel zu diesen Ereignissen dringt ein namenloses, einsames Wesen in das Sonnensystem ein, erkennt die Ereignisse und setzt seinerseits durch die Erschaffung eines neuen bewohnbaren  Planeten mitten im Asteroidengürtel ein Signal. Nebenbei rettet es auch Crag, der sich in der zweiten Hälfte des Romans vor den Behörden in Sicherheit bringen muss, seine Bargeldbestände umdisponiert (vom Konto ins erdige Grab und wieder zurück) und schließlich seine Berufung findet.

 

“Rogue in Space” ist ein Roman voller unsympathischer Charaktere. Crag ist ein Gauner (nicht unbedingt ein schlechtes Attribut), ein Frauenhasser, ein rücksichtsloser Egoist, aber dann wieder ein Verbrecher mit dem Herz am rechten Fleck. Als er erkennt, welche Auswirkungen seine Tat hat, schlägt er mit einem gezielten Wurf in Schwerelosigkeit zurück. Danach wandelt sich sein Charakter, doch im Gegensatz zu z.B. Heinleins  namenlosen Agenten in “Gulf” bleibt die Figur blass. Dieser eindimensionale Zeichnung teilweise den Geschichten der vierziger Jahre entnommen überrascht in doppelter Hinsicht. In den fünfziger Jahren schaffte es Brown sogar, psychopathischen Serienkillern ein abgerundetes Profil zu schenken, während in der Blütezeit seiner Kurzgeschichte viele vor allem seiner humorigen Texte von mit kurzer leichter Hand skizzierten Antihelden förmlich überquollen.  

Judeth, die weibliche Hauptfigur der Geschichte, steht dem in nichts nach. Am Ende der Geschichte wird sie mit Crag verliebt (ein anderer Ausdruck passt nicht), während der geheimnisvolle Geschäftsmann Hauser sich immer auf die richtige Seite legt.

 

Der erste Teil des Buches ist eine abwechselungsreiche, aber nie spannende Gangster-in-Space Geschichte, abgelöst durch eine Parabel auf das Paradies (hier künstlich geschaffen), das nur den ehrlichen und aufrichtigen Menschen zutritt gewährt. Das ist ernst gemeint. Anstatt sich mit den Widersprüchen auseinandersetzen und über den konstruierten Plotverlauf hinaus eine Parabel auf die Gesellschaft insbesondere in Kriegszeiten zu schreiben, geht Brown den Weg des geringsten Widerstands und verspielt sehr viel von seiner anfänglich mehrdimensional aufgebauten Geschichte.

Die Wandlung der Figuren ist aufgesetzt und unglaubwürdig. Die Charakterisierung ist schon eindimensional, so dass kaum Sympathie zwischen dem Leser und ihnen entstehen. Sie verfolgen deren verdiente Schicksale in der ersten Hälfte des Romans gleichgültig distanziert. Die Belohung in Form eines künstlich überzeichneten Paradieses wirkt leider nicht – wie es sich für Satiren gehört – als Strafe oder Weg zur Einkehr, sondern tatsächlich als eine idealisierte Kunstlebensform, aus welcher die Protagonisten im Gegensatz zu den Lesern nicht ausbrechen wollen, geschweige denn Können.

 

Es fehlt die stilistische Leichtigkeit seiner anderen Romane. Schwerfällig bewegt sich der Text vorwärts, um dann schließlich in einem herbeikonstruierten Höhepunkt im Nichts auszulaufen. Enden gehören selten in Fredric Browns langen Texten zu seinen Stärken, aber „Rogue in Space“ wird als lieblose Auftragsarbeit zum Geldverdienen abgeschlossen und hinterlässt ausschließlich Fragen im Leser statt Antworten.

Die zwei Handlungsfäden ( Außerirdischer Eindringling und Crags Karriere als geläutertes Mitglied der Gesellschaft) verknüpft van Vogt zumindest sehr geschickt durch einen anscheinend extra für diesen Patch Up Roman verfassten Höhepunkt in der Mitte des Geschehens.  Diese Szene ist eindringlich und mit viel Gefühl geschildert. Sie wirkt allerdings auch wie ein Fremdkörper, bevor die Handlung leider unabsichtlich und van Vogt überfordernd gänzlich auseinander fällt.

 

Als Ganzes betrachtet wirkt der Roman „unsympathisch“ und vor allem selbst für Browns eher skurriles, ideenreiches, aber seltsam distanziertes Werk lieblos und distanziert.. Diese natürliche Reaktion setzt sich im Laufe der Handlung immer mehr fest und selten kann der Autor die Barrieren überwinden, die er gegenüber seinen Lesern durch die Verknüpfung zweier solider, aber niemals herausragender Kurzgeschichten aufgebaut hat. Zu sehr dringt die Notwendigkeit des Honorars zwischen den Zeilen heraus und verwehrt dem Außenstehenden einen den Blick auf einen in der Theorie ohne Frage mit viel Potential ausgestatten Science Fiction Abenteuerroman. 

TERRA Moewig Sonderband 75

96 Seiten, Taschenheftformat