Die Gewehre von Avalon

Die Gewehre von Avalon, Titelbild, Rezension
Roger Zelazny

„Gewehre von Avalon“ ist der zweite Band der fünfteiligen „Corwin von Amber“ Reihe aus der Feder Roger Zelaznys. Obwohl der Autor erst im folgenden Roman wichtige Aspekte aus dem Auftaktbuch „Die neun Prinzen von Amber“ wieder aufnimmt und vor allem die auf der Erde spielende Handlung extrapoliert, ist es wichtig, die Bücher in der publizierten Reihenfolge zu lesen.

 Ein großes Problem sowohl beim ersten Buch als auch der vorliegenden Fortsetzung ist buchstäblich nicht nur Roger Zelaznys Ideenreichtum, sondern die ganze Konzeption der Serie. Am Ende von „Die neun Prinzen von Amber“ hat Corwin kurz vor dessen Krönung einen Fluch zugeworfen, der in Form von dunklen Manifestationen schwarzer Straße Amber zu vergiften droht. Auch in diesem Buch antwortet Eric schließlich mit einem Gegenfluch auf Corwins zweiten Angriff auf Amber, wobei dessen Folgen in die gleiche Richtung zielen, wie bei Corwins Verwünschung. Ein Gegenmittel scheint es in Amber als Mittelpunkt zahlloser Parallelwelten nicht zu geben, so dass sich die Frage stellt, ob der Machtkampf der Prinzen um den verwaisten Thron des Vaters Oberon nicht schließlich zur Zerstörung der ganzen Königreichs führt.

 Aber noch ein weiterer Aspekt ist interessant. Nach seiner Flucht von Amber macht sich Corwin auf die Suche nach Avalon, früher seine Heimat. Nicht nur mit dieser Anspielung, sondern einigen Aspekten der König Arthur Saga verbindet Roger Zelazny seinen Fantasyzyklus mit den Mythen der Erde, die im Gegenzug aber nur eine der Nebenparallelwelten Ambers ist. Viel mehr stellt sich Corwin wie auch der kritische Leser die Frage, ob dieser Konflikt um Amber wirklich Sinn macht, da es anscheinend unzählige Variationen dieser Welt geben könnte oder wahrscheinlich auch gibt, auf denen jeder der neun Söhne Oberons im Grunde über sein persönliches Amber herrschen könnte. Eine Schwäche des ersten Romans ist es schon gewesen, dass der Autor die Einzigartigkeit Ambers genauso wenig ausgeführt hat wie die Ideen der Bewegungen durch die Schatten teilweise auch mittels der Tarotkarten offensiv erläutert worden sind. Nicht selten erscheinen diese spektakulären, aber oberflächlichen Ideen aus dem Nichts heraus entwickelt und verschwinden vor dem wieder sehr hektischen, sehr komprimierten Höhepunkt zwischen den verschiedenen Welteninkarnationen wieder.

 Während des zweiten Showdowns nutzt Riger Zelazny aber eine perfekte Idee, welche er später in seinem Multiweltenroman „Straße nach Irgendwohin“ ebenfalls extrapolieren sollte. Mit hunderttausenden von Männern und Wesen ist Corwin zusammen mit einem seiner Brüder – dieser spielt erst im dritten Band wieder eine wichtige Zuträgerrolle – bei der Eroberung Ambers gescheitert. Dieses Mal ist das frisch zusammengestellte Heer deutlich kleiner, da Corwin von Amber aber auf Gewehre von der Erde setzt, fällt es ihm leichter, entscheidende Vorteile zu erhalten. Auch hier stellt sich die Frage, ob Corwins Idee wirklich so neu ist oder ob er einen Tabubruch begangen hat. Kritisch gesprochen nutzt zumindest Eric, der momentan amtierende König, im dritten Buch auch die Idee, auf die Erde zurückzugreifen und damit unliebsame Gegenspieler mundtot zu machen. Warum nicht die modernen Waffen der Erde importieren, wobei angesichts der Arsenale sich das Beschränken auf Schnellschussgewehre fast primitiv erscheint.

 Ebenfalls improvisiert und nicht überzeugend ist die Idee, dass Corwin zwar die Waffen mit Lastwagen weit nach Amber hinein transportieren lässt, ihm dann aber der Treibstoff ausgeht. Wer sich mit Edelsteinen derartige viele Waffen kaufen kann, wird doch noch die Mittel für einen Tanklastzug übrig haben. Auch erscheint das Transportieren die Waffen durch die Schatten ambivalent, Einschränkungen scheint es keine zu geben.

 Wer Roger Zelaznys umfangreiches Werk kennt und schätzt, wird aber auch die Ironie erkennen, mit welcher der geläuterte Corwin einfach die Klischees des Genres auf den Kopf stellt und effektiv wie modern ein zweites Mal nach dem Thron greift. Hinsichtlich des Bruderkonfliktes nimmt Roger Zelaznys ihm schließlich die Entscheidung ab, wobei diese „Deus Ex Machina“ Variation vor allem im direkten Vergleich mit dem dynamischen Schlussdrittel des ersten Buches ein wenig enttäuscht.

 Es gibt aber noch zwei weitere Aspekte, welche „Gewehre von Avalon“ aus der Masse herausragen lassen.  Mit Dara tritt eine weibliche Figur auf. Anfänglich scheint es sich um das Mündel seines gemäßigten Bruders Benedict zu handeln, der sich in Avalon versteckt hat. Wie bei einer Screwball Komödie kommt es zu einem entsprechenden Missverständnis und Benedict will Corwin töten, weil er der Ansicht ist, dass dieser sein Mündel entjungfert hat. Die geplante deftige Sexszene musste Roger Zelazny auf Wunsch des Verlegers streichen. Sie findet sich in einem der Sammelbände mit seinen Kurzgeschichten. Im Laufe der Handlung relativiert Zelazny diese Idee und zeigt auf, dass das Missverständnis sehr viel tiefer ist. Auf den letzten Seiten hat der Amerikaner sogar den Mut, Dara als Figur gänzlich auf den Kopf zu stellen und wahrscheinlich weit in seiner Amber Serie vor zu greifen, um in diesem Punkt den finalen Konflikt vorzubereiten. Der Autor spielt mit dem Klischee des Machos und „entmannt“ Corwin von Amber indirekt.

 In der ersten Hälfte des Romans kommt es zu einer Auseinandersetzung mit einer Armee des dunklen Kreises, die von Corwin unbewusst schon im ersten Buch beschworen worden ist.  Deren mystischen Anführer kann Corwin töten. Dabei erfährt er stellvertretend für den Leser etwas über den Hof des Chaos, einer weit entfernten Welt, in welcher die Schatten an sich und dem entsprechend deren Transportfähigkeiten ihre Macht verlieren. Das Ausbreiten dieser Macht entlang den Schatten symbolisiert Roger Zelazny mit einer schwarzen Straßen bestehend aus einer klebrigen Masse. Stephen Donaldson scheint für die Romane um Thomas, den Zweifler diese Idee in einer leicht veränderten Form übernommen zu haben. Im vorliegenden Roman nutzt Roger Zelazny sie noch sehr ambivalent, wobei überraschend ist, dass Corwin von Amber als möglicher Auslöser dieser Verseuchung relativ wenig Sorgen hat, dass die schwarze Straße auf allen Welten und damit auch sein zukünftiges Reich zurück greifen kann.

 Die finale Auseinandersetzung ist wieder wie im ersten Buch sehr kurz. Der Autor verzichtet auf den entsprechenden Aufbau einer fatalistischen Atmosphäre und hält sich auch nicht mit detaillierten Beschreibungen der Auseinandersetzungen auf, sondern scheint eher eine Art Bericht abzuliefern, der zu einer distanziert erzählten Chronik passt. Hinzu kommt, das die Zeichnung auch der vorhandenen Figuren eher pragmatisch ist. Im Gegensatz zu den exzentrischen Charakteren, die nicht selten seine Kurzgeschichten und vor allem seine Science Fiction Romane dominiert haben, wünscht sich der Leser manchmal einen emotionalen Ausbruch, viel Gefühl und Herzschmerz. Da es sich um Unsterbliche und vor allem Überhelden mit besonderen Fähigkeiten – ihnen wachsen nicht nur wieder neue Gliedmaßen, auch das Ausbrennen der Augen wird innerhalb von vier Jahren von ihren Körpern geheilt – handelt, fehlt die Diskrepanz zwischen diesen Figuren und ihrer Umwelt. Roger Zelazny stellt ihr Intrigenspiel den Regeln der Götter verschiedener Kulturen folgend als eine Art multifunktionelles übernatürliches wie übergreifendes Machtspiel dar, an dessen Ende mit der Krone von Amber der ultimative Preis steht. Durch diese Überheroisierung der einzelnen Figuren macht der Autor aber auch den Fehler, vor allem den Ich- Erzähler Corwin von Amber als Mann auf der Suche nach sich selbst als Identifikationsfigur aus dem Spiel zu nehmen und dadurch die Sympathiebrücke zum Leser zu verlieren.

 „Gewehre von Avalon“ ist eine solide Fortsetzung eines vor allem hintergrundtechnisch interessanten, aber auch nicht abschließend entwickelten Fantasy Romans, welche die Geschichte aber eher mechanisch weiter erzählt und vor allem die vielen kleinen Höhepunkte fast beiläufig abhandelt, so dass der Funke nicht immer zum Leser überspringt und er eher staunend als wirklich involviert auf Zelaznys vielschichtige „Spielkartenwelt“ schaut.        

  • Taschenbuch: 300 Seiten
  • Verlag: Klett-Cotta; Auflage: 1. Druckaufl. (11. November 2017)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3608981284
  • ISBN-13: 978-3608981285
  • Originaltitel: Chronicles of Amber 2
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