Binti: The Night Masquerade

The Night Marsquerade, Titelbild, Rezension
Nnedi Okorafor

“Binti: The Night Masquerade” ist der dritte Teil der “Binti“ Serie. Die Autorin und ihr Verlag Tor sprechen vom krönenden Abschluss der mit zahlreichen Preisen ausgezeichneten „Binti“ Serie. Das offene Ende mit Bintis Rückkehr an die Schule und damit des vorläufigen Schließen eines für den Bildungsroman typischen Entwicklungsabschnitts impliziert aber, dass es weitere Teile geben könnte. In ihrem kurzen Nachwort spricht die Autorin zusätzlich davon, dass sie jeden August beim Besuch ihrer Familie mit einem Notizbuch von Ideen nach Hause zurückgekehrt ist, aus denen sich eine weitere „Binti“ Geschichte entwickelt hat.

 Zwischen den Zeilen ist die im Grunde zweite Rückkehr Bintis an die Oomza Universität eine Art Pyrrhussieg. Das erste Mal ist sie als einzige, aber veränderte Überlebende des angegriffenen Raumschiffs in der Universität gestrandet. Von den anderen Studenten als Außenseiterin betrachtet, den Verlust ihrer zukünftigen Mitschüler und Lehrer jeden Moment spürend. Am Ende dieser dritten Binti Geschichte impliziert die Autorin, dass diese Universität im Gegensatz zu den von Vorurteilungen durchsetzten ethischen Gesellschaften der Erde im Allgemeinen und Afrika mit seinen Stämmen im Besonderen eine Art idealisierter kultureller, sozialer und intellektueller Freiraum ist, in dem nicht nur das Andersdenkende toleriert und geachtet wird, sondern die Mitglieder unterschiedlicher Kulturen friedlich studieren und miteinander leben können. Die Größe der Universität soll sich in ihrer Vielfältigkeit widerspiegeln. Die Beschreibungen inklusiv Bintis Hoffnungen und Ängste wirken so übertrieben positiv, das Ende so abrupt und plötzlich fokussiert, das der Leser im Grunde die nächste Katastrophe ahnen kann.

 Vor allem trifft es die Leser der ganzen Serie und des zweiten Kurzromans „Binti: Home“ auch ein wenig unvorbereitet, denn wie bei Orson Scott Cards „Ender“ Serie ist diese Lehranstalt eben nicht frei von Fehlern und Vorurteilen, von Scheuklappen beginnend bei der Leitung und endend bei den Schülern. Es ist ein typischer Lehrkörper mit vielen Vorteilen, aber auch einigen Nachteilen, so dass dieser Versuch, der dunklen, aber auch faszinierend herausfordernden „First Contact“ Geschichte basierend auf afrikanischer Kultur ein Happy End zu geben nicht unbedingt zufrieden stellt.     

 Es ist aber wichtig, die zwei Kurzromane und diesen deutlich längeren dritten Teil in der chronologischen Reihenfolge zu lesen. Der Übergang zwischen „Binti: Home“ und „The Night Masquerade“ ist fließend. Dank ihrer neuen übernatürlichen wie außerirdisch beeinflussten Fähigkeiten erkennt sie, dass sowohl ihre Heimat als auch ihr im Grunde Symbiont Okwu angegriffen werden. Verantwortlich sind die Khoush, die dominante ethische Rasse auf der Erde. Binti ist seit dem ersten Buch mit dem fischähnlichen Außerirdischen Okwu verbunden, deren Rasse vielleicht ein wenig verwirrend als Medusen bezeichnet wird.

 Binti muss die Wüste durchqueren, um zu ihrem Stamm zu kommen. In ihrer Vision hat sie gesessen, dass nicht nur das Haus ihrer Familie, sondern der Baumstamm, an den sie ihr Anwesen gebaut haben und der vor allem auch unterirdisch durch sein Wurzellabyrinth Schutz gegen die unwirtliche Natur geboten hat, angesteckt worden ist.  Es sind kraftvolle visuelle Szenen, welche die Autorin vor allem im ersten sehr dynamischen Drittel des Buches beschreibt. Und wenn diese Visionen und Alpträume Wirklichkeit werden,  dann erreicht der Roman einen kraftvollen, aber auch sehr frühen Höhepunkt.

 Nnedi Okorafor hat immer wieder in ihren Geschichten kritische Entwicklung der Gegenwart vor allem aus Afrika mit utopischen Elementen kombiniert und extrapoliert. Die Plots ihrer Storys sowie die utopischen Elemente sind nicht selten aus Versatzstücken zusammengesetzt worden. Sowohl in den „Binti“ Geschichte als auch „Lagoon“ spielt sich ja eine ungewöhnliche First Contact Geschichte vor den Augen der staunenden Protagonisten, aber auch der verblüfften Leser. Wie bei einer Zwiebel ist es die zweite Ebene, welche ihre Arbeiten so eindrucksvoll und lesenswert macht. Die Fremden sind wirklich Aliens. Mit viel Liebe zum Detail hat die Autorin fremde Rassen entwickelt und immer wieder über ihre Handlungen und damit viel intimer als aus der übergeordneten Distanz eines Erzählers beschrieben. 

 Die zweite Zwiebelschale ist aber die afrikanische Kultur. „Lagoon“ spielt nahe an der Gegenwart und wirft verschiedene Stammesrituale sowie das Aufeinanderprallen des explosiv wachsenden modernen Afrikas mit den langen Schatten der Historie und Kultur zusammen.  Sie wirkt vor allem auf westliche Leser mindestens genauso fremdartig, so exotisch und unverständlich wie die Aliens. Aber auch positiv gesprochen dreidimensional, lebendig und vor allem dank der präzisen, niemals belehrenden Beschreibungen der Autoren auch verständlich. Auf der anderen Seite erscheinen einige Idee wie der Hintergrund der „Night Masquerade“ mit ihrer Mischung aus Aberglaube, Visionen und schließlich eher bodenständigen Erklärungen zu wenig nachhaltig genug entwickelt, um den Plot auf eigenen Füßen stehen zu lassen.

 In dieser Hinsicht ist „The Night Masquerade“ vor allem hinsichtlich Bintis Herkunft der richtige Schritt zurück, um auf einer abgeschlossenen Basis hoffentlich in weiteren Fortsetzungen in die Zukunft zu schauen. Die erste Novelle wirkte in dieser Hinsicht noch ein wenig karg und pragmatisch. Die Idee, das die junge Binti zwar als besonders bezeichnet ausbrechen muss, um zwischen den Sternen zu lernen, ist solide entwickelt worden, aber sie wirkte eben nicht originell genug. Hinzu kam, dass der Hintergrund ihrer Herkunft eher fragmentarisch beschrieben worden ist. Das ist im vorliegenden Roman nicht anders.

 Beginnend mit dem abrupten Ende versucht Nnedi Okorafor zu viel in zu wenig Raum zu packen. So impliziert sie immer die unterschiedlichen Kulturen auf der Erde im Allgemeinen und Afrika im Besonderen, während sie diese Differenzen den Medusen nicht zugesteht. Wobei abgesehen von ihrem Symbionten/ Freund die meisten Medusen auch eher eindimensional bis funktional beschrieben worden sind. Viel enttäuschender ist, dass mit der Ankunft im Dorf und den Angriffen der Khoush sowie zwei oder drei Hinweisen auf die „Night Masquerade“ – sie zu sehen ist eine besondere Auszeichnung -  dieser wichtige Aspekt der Story abgebrochen wird.

 Auch mit dem Schritt ins All bleibt die Autorin erstaunlich ambivalent. Es wird immer wieder von den Ringen des Saturn gesprochen, zu denen sie in einer besonderen Mission reisen muss. Auch die Untersuchung ihres Körpers und ihres Bluts aufgrund der besonderen Verbindung zu den Medusen ist ein wichtiger Abschnitt des Buches, der aber viel zu spät kommt. Beginnend mit diesem Punkt werden Fragen hinsichtlich einer möglichen Schwangerschaft und damit dem Einfluss der Meduse auf einen Fötus aufgeworfen, ohne das diese elementaren, Bintis Wesen erschütternden Fragen auch nur in der Theorie beantwortet werden. Angesichts der Antworten der Ärzte sollte sie niemals schwanger werden oder besser keinen menschlichen Partner wählen, da in dieser Menage de Trois mit Medusa niemals ausgeschlossen werden kann, das die bestehende Verbindung dem menschliche Gewebe schaden könnte.  Binti wirkt erschüttert, aber das hektische und unnötige verwirft diese nicht nur sie betreffende Frage umgehend.

 Die Ringe des Saturns erscheinen eher wie eine Art „MacGuffin“, da sie in keinem echten Zusammenhang mit ihren Visionen stehen und abschließend auch keine Geheimnisse enthalten, welche den nicht ungefährlichen Flug dorthin rechtfertigen.

 Es ist schade, das einzelne Facetten eher angerissen werden. Wie „Binti: Home“ besteht der vorliegende dritten Kurzroman aus einer Reihe sehr starker, sehr überzeugender Szenen, die isoliert voneinander länger im Gedächtnis bleiben als die ganze Romanreihe. Auch wenn „Binti“ vielleicht den einfachsten Plot der bislang drei Abenteuer beinhaltet, funktionierte die Geschichte durch die überzeugende wie tragische Zeichnung der jungen Frau am Besten, die sich durch ihre Abenteuerlust von ihrem Stamm entfremdet und als einzige Überlebende des Überfalls auch an der Universität isoliert ist. Auf dieses simple Grundgerüst hat die Autorin dann in den folgenden beiden Geschichte soviel positiv wie negativ Ballast gelegt, dass das „Plotschiff“ wunderschön anzusehen ist, aber nicht mehr manövrierbar erscheint.

 Vielleicht wäre es sinnvoll, sich mit einem weiteren Buch/ Abenteuer wieder auf die Grundidee zu konzentrieren und den Bildungsroman mit den verschiedenen kulturellen Konflikten weiter zu schreiben, den sie mit „Binti“ angefangen hat. Ausreichend Ideen und vor allem angesichts des zu offenen, zu abrupten und nicht zufrieden stellenden Endes rote Fäden sind noch vorhanden.           

  • Taschenbuch: 208 Seiten
  • Verlag: tor.com (16. Januar 2018)
  • Sprache: Englisch
  • ISBN-10: 0765393131
  • ISBN-13: 978-0765393135