Die besten Stories von 1940

Die besten Stories von 1940, Isaac Asimov, Titelbild, Rezension
Isaac asimov

Mit den Jahresbänden hat der Moewig Verlag im Rahmen seiner Play Boy Science Fiction Reihe die individuellen „Best of“ Anthologien einzelner Autoren sehr gut ergänzt. Natürlich kommt es wegen der unterschiedlichen Herausgeber zu Überschneidungen einzelner Geschichten auch innerhalb der Playboy SF Reihe, aber im Gegensatz zu den im Hohenheim Verlag veröffentlichten Dekadenbänden aus den achtziger Jahren finden sich durch die jeweilige Fokussierung auf ein individuelles Jahr auch Storys eher unbekannterer, aber deswegen qualitativ nicht minderwertiger  Autoren in diesen Sammlungen für die Jahre 1939 bis 1943 wieder.

 “The Dwindling Sphere” ist in mehrfacher Hinsicht eine interessante, wenn auch durch die distanzierte Ausführung in Form von Tagebuchaufzeichnungen auch sperrige Geschichte. Sie nimmt sowohl die Entwicklung der Atombombe – ein Teil der Geschichte spielt  im Sommer 1945 – vorweg wie auch die Gefahren der Atomkraft, welche Lester del Rey in seinem Roman „Nerves“ so expliziert beschrieben hat. Eine neue, im Grunde aber unbezähmbare anscheinend atomare Energiequelle ist erschaffen worden. Im Laufe der mehr als eintausend Jahre, welche der Plot umfasst,  hat diese saubere Energiequelle furchtbare, aber auch sehr originelle Folgen für die Natur. Viele kleine Ideen wie die Reaktionen der Menschen auf diese besondere Art der Überbevölkerung werden fast in Nebensätzen erwähnt, so dass sich erst mit dem fatalistischen Ende die ganze Tragik der Geschichte erschließt.  Der Originaltitel ist ein direkter Hinweis darauf.

Auch wenn Isaac Asimov davon spricht, dass „The Automatic Pistol“ einer der besten Fritz Leiber Geschichten ist, stimmt diese Aussage leider nicht. Ein kleiner Ganove verfügt  über eine besondere Waffe, die neben den acht Schusskammern im wahrsten Sinne des Wortes automatisch ist.  Den Verlauf der am Ende der Prohibition spielenden Story kann der Leser sehr viel früher ahnen als die eher eindimensional gezeichneten Protagonisten, so dass keine wirkliche Spannung oder Überraschung erzeugt wird.

„It“ ist eine der berühmtesten Geschichten aus Theodor Sturgeons Feder, die immer wieder gerne auch nachgedruckt wird. Wäre „It“ ein Roman gewesen, hätte er sicherlich seinem Schöpfer ewigen Ruhm eingebracht. Jahre später wird der DC Verlag auf diese Geschichte zurückgreifen. Die Ähnlichkeiten zwischen dem „Swamp Thing“ sowie dem „Man- Thing“ und dem Protagonisten dieser Geschichte sind frappierend. Sturgeon ist in diesem Text die Schöpfung eines originalen und originellen Monsters gelungen. Dabei gelingt es ihm als Autoren, seiner fremdartigen Kreatur zutiefst menschliche Züge zu geben. Wie bei den klassischen Monstren - Frankensteins Schöpfung oder Dracula -erregt Sturgeon Mitleid für seine Kreatur bei den Lesern und überwindet die äußerlichen Vorurteile. Er deutet an, ohne die subtile Atmosphäre zu beeinträchtigen oder gar zerstören. Mit wenigen Strichen entwirft er ein überzeugendes Szenario. Dieses lebt mehr von seinem farbenprächtigen, aber angemessenen Hintergrund als der eigentlichen Handlung. Sturgeon weiß, dass er dem typischen Monsterstoff kaum neue Impulse geben kann. Darum konzentriert er sich auf den kreativen Schöpfungsprozess und schenkt der Welt eine gänzlich andere Kreatur. Hätte er einen Roman oder vielleicht einen Comic daraus gemacht, stünde „It“ auf der gleichen Höhe wie  „Der Schrecken des Amazonas“. So
hat er die Grenzen des in den vierziger Jahren herrschenden Monstergenres mit der richtigen Mischung aus Spannung und emotionaler Tiefe auf eine fast prophetische, die fünfziger und sechziger Jahre beschwörende Art und Weise für einen Moment erweitert.

Jack Williamson ist ohne Frage einer der Autoren des Golden Age gewesen, der Action mit interessanten, auf einer wissenschaftlichen Basis extrapolierten Ideen kombiniert hat. In „Hindsight“ stecken so viele Ansätze, dass sie für einen ganzen Roman reichen. Der Protagonist schließt sich einem außerirdischen Tyrannen an, der auch die Erde bedroht. Die Erde selbst entwickelt erst die Raumfahrt.  Das besondere Teleskop des Protagonisten  ermöglicht den Blick indirekt auch in die Zukunft, was bei der ersten der finalen Auseinandersetzung ein gänzlich anderes Szenario offenbart. Erst die Korrektur des Zeitablaufs – in diesem Punkt agiert Williamson eher ambivalent – zeigt,  wo der Protagonist sich geirrt hat und von seinem auf der Erde zurück gebliebenen Freund entwicklungstechnisch überholt worden ist.  Das romantische Element wirkt aufgesetzt und das fatalistische Ende soll ein wenig belehrend zeigend, dass man seiner Heimat treu bleiben sollte.

Lester del Rey beschreibt in seiner Kurzgeschichte „Dark  Mission“ die Rückkehr einer Rakete vom Mars mit einem geheimnisvollen Passagier, der eine weitere Mission zum roten Planeten verhindern möchte. Wie Jack Williamsons Protagonist handelt es sich um einen Getriebenen, der anfänglich ohne Frage mit guter Absicht zu handeln sucht. Im Gegensatz zu Jack Williamsons Story bleiben lange Zeit die Motive des „Marsianers“ im Dunklen, aber die Pointe wirkt bei Lester del Rey deutlich überzeugender als bei Jack Williamson. Tragik und Opferbereitschaft ziehen sich durch den gut entwickelten Text.

Wie wegweisend A.E. van Vogt nicht nur in Richtung „Alien“ – siehe seine „Space Beagle“ Geschichten – gewesen ist, sondern auch irgendwie den wandelbaren Superterminator aus „T 2“ voraus gesehen hat, zeigt „Vault oft he Beast“.  Ein Superwesen reist vom Mars zur Erde, um den besten Mathematiker zu engagieren, der ein mit Primzahlen gesichertes Zeitschloss deaktivieren soll, hinter dessen Stahlmauern ein Wesen gefangen gehalten wird. Alleine diese Idee, diese Prämisse ist herausragend.  Von hohem Tempo geprägt eilt die Geschichte von einem Höhepunkt zum Nächsten mit einer außergewöhnlichen Struktur und vor allem auf der emotionalen Ebene einer Auseinandersetzung mit der eigenen Identität. Sehr gut herausgearbeitet ist der Aspekt der Paranoia.  Das fremde Wesen geht zwar zielstrebig vor, scheint aber aufgrund seiner wechselnden Identitäten auch immer Teile der neuen Persönlichkeiten  anzunehmen.  Interessant ist, dass es um an sein Ziel zu kommen sogar einen Konzern mit Börsenaktivitäten in den Ruin treibt.  Das Ende ist fatalistisch mit einem aufgesetzten Hauch von Optimismus. Aber alleine die ersten Seiten zeigen überdeutlich, welchen langfristigen Eindruck A.E. van Vogt mit seinen Kurzgeschichten vor allem in den vierziger Jahren hinterlassen hat.     

Bei Ross Rocklynnes „Into the Darkness“ spricht Isaac Asimov davon, dass es sich auch  um eine New Wave Geschichte handeln könnte. Dabei ignoriert Asimov Olaf Stapledons Werk, während viele Leser aus Deutschland unwillkürlich an Kurd Laßwitzs „Aspira“ denken könnten.  Die Geschichte einer ambivalenten  kosmischen Entität von ihrer Geburt über ihre lange Reise durch die Dunkelheit bis zur Begegnung mit einem impliziert weiblichen Gegenpart aus einem anderen Universum ist ohne Frage herausfordernd geschrieben und der Autor versucht möglichst viele Themen von der Bedeutung der eigenen Existenz, der Angst vor dem Tod und schließlich auch der im Grunde zutiefst menschlichen Neugierde nach neuen Ziel ausführlich und vor allem durch innere Monologe zu beschreiben.  In den Pulp Magazinen ist diese ambitionierte Story ohne Frage auf den ersten Blick deplatziert, aber in einem engeren Zusammenhang vor allem mit der ursprünglichen Entstehung – der Text stammt aus dem Jahr 1934 und steht damit Stapledon tatsächlich näher als dem Golden Age  - bildet sie einen interessanten Übergang von der philosophischen Tiefe einzelner Autoren zu einer breiten Unterhaltungsform, aber keinesfalls eine Art Vorboten des New Wave.

Auch „The Impossible Highway“ von Oscar J. Friend past  eher in eine andere Zeit. In diesem Fall die fünfziger und sechziger Jahre mit ihren Mystery Geschichten in der “Twilight Zonme“ Tradition. Es ist erstaunlich, dass Rod Serling sich dieser Story niemals angenommen hat.  Reisende haben sich verwirrt und folgen einer seltsamen Straße, von der sie nicht wissen, ob sie Rettung verspricht oder sie weiter in die Irre führt. Atmosphärisch dicht entwickelt ohne abschließende befriedigende Antworten hinterlässt der Plot im Leser ein Gefühl der Desorientierung.

„Strange Playfellows“ von Isaac Asimov ist eine seiner ersten Robotergeschichten. Später als „Robbie“ in seine bahnbrechende Robotergeschichtensammlung eingefügt hat der Leser die Möglichkeit, in dieser Anthologie die ursprüngliche Magazinfassung zu lesen. Es ist aus heutiger Sicht eine solide, fast kitschige Liebesgeschichte zwischen einem intelligenten Roboter und einem jungen Mädchen mit einem entsprechenden Happy End. 

Harry Bates „Farewell to the Master“ ist vor allem als Vorlage zu „Der Tag, an dem die Erde stillstand“ bekannt geworden. Magazin Herausgeber Bates hat in seiner langen Karriere nur wenige Kurzgeschichten geschrieben und ohne  Frage ragt diese Geschichte nicht nur wegen des subversiven Endes aus seinem Werk heraus.  Einige Motive hat Robert Wiese  für seinen christlich inspirierten First Contact Film übernommen. Der gigantische Roboter, der menschenähnliche Botschaft Klaatu, das Attentat und die Ermordung Klaatu, der Amoklauf des Roboters und schließlich die kurzzeitige Wiederbelebung. Auch die Figur des Reporters als Außenstehender ist aus der Kurzgeschichte übernommen worden. Aber Harry Bates hat einige weitere Aspekte wie die tragische Hilflosigkeit der perfekten Maschine genauso gut extrapoliert wie die schon angesprochene abschließende Botschaft. Im Gegensatz zum Film treffen die Fremden mit einem durch die Zeit anscheinend reisenden Raumschiff ein, das aus dem Nichts auftaucht. In einem direkten Zusammenhang ist Robert Wieses Meilenstein wahrscheinlich überlegen, aber um alleine die inspirierenden Motive des Klassikers zu erkennen, ist es schön, Harry Bates herausragender Geschichte zum ersten Mal  oder wieder einmal zu begegnen.    

Die Freunde L. Sprague de Camp und P. Schuyler Miller beenden mit ihren Geschichten diese Sammlung.  Ein durch ein Serum intelligent gemachter Bär erweist sich schließlich in „The Exalted“ als zu intelligent für sich selbst und scheitert an Kleinigkeiten auf seiner abenteuerlichen Odyssee. Mit einem feinsinnigen Humor geschrieben wirkt die Idee aber aus heutiger Zeit eher antiquiert. 

Viel besser ist Millers „Old Man Mulligan“ . Mulligan ist ein Unsterblicher oder zumindest sehr langlebiger Mensch mit implizierten Andeutungen, dass er ein direkter Nachkomme der Neandertaler ist.  Erklärungen gibt es keine weiteren. Zusammen mit einem Polizisten geht er gegen einen brutalen Verbrecherring auf der Venus vor.  Es ist vor allem eine pulpige Actiongeschichte mit einem schmalzigen Happy End. Aber sehr rasant geschrieben und gut zu lesen.

Zusammengefasst sind die besten Geschichten des Jahres 1940 eine solide, aber keine herausragende Mischung der Magazinveröffentlichungen. Sehr viele populäre Namen mit ihren allerdings nicht besten Arbeiten.   Vor allem sind die antiquarisch gut zu erhaltenden Anthologien eine ideale Einstiegslektüre für Science Fiction Leser, die sich erst im 21. Jahrhundert der Gattung nähern und einmal die Wurzeln betrachten wollen, aus denen der Stamm Science Fiction gewachsen ist. 

 

 

  • Broschiert, 320 Seiten
  • Verlag: Pabel-Moewig Verlag Kg (April 1985)
  • ISBN-10: 3811867113
  • ISBN-13: 978-3811867116