Im Nachwort weisen die Herausgeber darauf hin, dass Murray Leinster die Urversion des vorliegenden Romans „The Mad Planet“ schon 1920 verfasst hat.
Sie erschien im legendären Magazin „Argosy“. In der Novelle ist der Plot auf einen fremden Planeten verlegt worden und die Mitglieder des Stammes sind Nachfahren der vor vielen Jahren gestrandeten Astronauten. Aus dieser Fassung hart Murray Leinster schließlich „the Forgotten Planet“ gemacht, wobei der 1954 veröffentlichte Roman nicht nur auf einer Kurzgeschichte, sondern drei Arbeiten basiert. Neben „The Mad Planet“ erschien ebenfalls im Magazin „Argosy“ die Geschichte „The Red Dust“ und 1953 zusätzlich in „Science Fiction Plus“ die Novelle „Nightmare Planet“.
Aus heutiger Sicht ist der kurzweilig zu lesende Roman aber aus einem gänzlich anderen Grund interessant. Während die meisten tierischen Mutanten im amerikanischen Paranoia Kinos der fünfziger Jahre vor allem durch atomare Strahlung verursacht worden sind, geht der Amerikaner einen anderen Weg.
Vor mehr als dreißigtausend Jahren hat sich das Klima auf der Erde durch eine drastische Erhöhung der Karbondioxid Belastung aus dem Inneren der Erde stark verändert. Leinster spielt noch nicht mit der Idee, dass die zu Beginn des 20. Jahrhunderts laufende, aber im Vergleich zu heute noch in den Kinderschuhen steckende Entwicklung einer Schwer- und Großindustrie für die klimatischen Veränderungen verantwortlich ist. Der Tradition Burroughs und Jules Vernes folgend kommt die Bedrohung aus dem Inneren der Erde.
Sowohl die meisten der Menschen als auch die meisten Tierarten haben diese Veränderung nicht überlebt. Die überlebenden Menschen sind degeneriert und auf das Niveau der Steinzeitmenschen vor der Entdeckung von Feuer, Waffen und schließlich auch Kleidung zurück gefallen. Während sich die Insekten explosionsartig vermehrt haben, sind die anderen Tierarbeiten ausgestorben. Die Pflanzenwelt ist überdimensional gewachsen.
Die Menschheit hat ihre Erinnerung an die blühende technische Zivilisation verloren. Ronald M. Hahn hat den belehrenden Ton Murray Leinster nicht immer abmildern können oder wollen. Nicht selten schweift der Autor ab, verlässt die fortlaufende Handlung und versucht vor allem mittels beschreibender Dialoge ein gewaltigeres Szenario zu entwickeln, das dieses effektive Kammerspiel nicht verdient hat. Fast wie ein Lehrer versucht Murray Leinster nicht nur seine Leser, sondern auch seinen im Grunde einzigen fortlaufenden Charakter Burl immer wieder aufzuklären. Dabei kommentiert der Autor Burl einzelne Entwicklungsschritte eher wie ein Lehrer als der Erzähler des Dramas.
Wie nachhaltig Murray Leinsters Ideen in die Gegenwart getragen worden sind, zeigt unter anderem „After Earth“ mit Will Smith aus dem Jahr 2013. Die Beschreibung der wilden Erde mit ihrem alltäglichen Überlebenskampf auf allen Ebenen ist ohne Frage faszinierend. Interessant ist auch, dass die Menschen durch die Beobachtungen der Tierwelt einigen Fallen entgehen und insbesondere bei den gefürchteten Spinnen und ihren Netzen zurückschlagen können. Mit dieser Fähigkeit setzen sie sich im Allgemeinen und der allgegenwärtige Charaktere Burl im Besonderen von der Masse ab. Murray Leinster spricht aber den Menschen in einem der ersten Kapital die verlorene Fähigkeit des abstrakten Denkens, des Umsetzen von Beobachteten in Handlungen ab, während Burl den ganzen weiteren Plot über genau von dieser Fähigkeit profitiert.
Auch wenn sich die primitiven Menschen wieder zu Stämmen zusammenschließen, erscheint es unwahrscheinlich, dass die Faszination des anderen Geschlechts, die Idee der „Liebe“ und daraus resultierend die Gründung von Familien sowie die Zeugung von Nachkommen derartig pubertär und unwissend abgehandelt werden wie in dieser Geschichte. Damit unterminiert Murray Leinster die wichtigen, die modern klingenden Passagen seines Romans.
Burl selbst durchläuft seine Entwicklung eher in Wochen, vielleicht Tagen als Jahren. Es wirkt unwahrscheinlich, dass er fast aus dem Nichts heraus Waffen und festere Kleidung „erfindet“, dadurch eine Überlegenheit gegenüber der gigantischen Tierwelt gewinnt und schließlich mit seiner Beute nach einer wahren Odysee ohne nachhaltige Orientierung oder Plan wieder auf sein Dorf trifft, sogar auf die junge Frau, in welche er sich verliebt hat, um dort in den unausgesprochenen Rängen nach oben zu steigen.
Murray Leinster macht zusätzlich den Fehler, seinen Charakter diese Erfahrungen nur bedingt selbst machen zu lassen anstatt sie fast ausschließlich mit einer gewissen Distanz zu beschreiben. Wie bei vielen Geschichten, die Jahre oder Jahrzehnte später von den betreffenden Autoren zu Romanen erweitert worden sind, fehlt ein zusätzlicher Funke. Den Fokus alleine auf einen einzelnen Protagonisten zu legen ist ohne Frage nicht leicht. Der Leser weiß, dass Burl die einzelnen Herausforderungen nicht nur meistern muss, sondern aus ihnen auch lernen wird.
Wie angesprochen kommt weniger eine ureigene Spannung auf, als das der Leser die Geschehnisse fast durch eine Wand hindurch aus der Distanz verfolgt.
Aus literarisch historischer Sicht ist aber die Wiederveröffentlichung dieses wahrscheinlich seit vielen Jahren vergessenen Werkes ungemein wichtig. Im Gewand einer Abenteuergeschichte handelt es sich unabhängig von der Tatsache eines „natürlichen“ Katalysators um einen der ersten grünen Science Fiction Stoffe, in dem die Warnung vor einer Änderung der Lebensbedingungen direkt und expliziert angesprochen worden ist. In dieser Hinsicht ragt der Kurzroman gegenüber der auf einer fremden Welt spielenden Kurzgeschichte deutlich hervor.
Auch wenn die gigantischen Pilze und Insekten vor allem im ein wenig phlegmatischen Mittelteil den Handlungsbogen schier erdrücken, weil es nur eine begrenzte Anzahl von Bedrohungsszenarien gibt, fängt sich Murray Leinster am Ende des Plots wieder und beendet die Geschichte ausgesprochen zufriedenstellend und positiv zügig.
Im Gegensatz zu einer Reihe von Pulpgeschichten wirkt der Texte ein wenig aufgeblasen und wie erwähnt manche erzähltechnische Wendung eher bemüht als auch sich heraus entwickelt, aber zusammenfassend lohnt sich die Lektüre von „Der tollwütige Planet“ alleine schon aus dem Grund, um mit dem Klischee aufzuräumen, dass Murray Leinster alleine für die niederen Instinkte der Pulpmagazin Massen seine zahllosen Kurzgeschichten und Romane verfasst hat.