PR Neo 59- Die entfernte Stadt

Oliver Fröhlich

Mit „Die entfernte Stadt“ liegt der vorletzte Band des „Arkon“ Zyklus vor. Wer jetzt erwartet hat, dass Autor Oliver Fröhlich die einzelnen Protagonisten in entsprechende Positionen für den Showdown in „Der Kristallpalast“ schiebt, sieht sich getäuscht. Statt dessen wird die Idee der verschiedenen Widerstandsgruppen extrapoliert, die genau wie Atlan/ Belinkhar oder neuerdings da Treffon am Sturz des Regenten arbeiten. Es ist erstaunlich, dass diese ganze Rebellenaktivitäten in einem engen zeitlichen Rahmen mit dem Auftauchen der Terraner stehen. Anders können die ansonsten lachhaften Sicherheitsvorkehrungen nicht erklärt werden. Obwohl sich Oliver Fröhlich darüber hinaus wirklich bemüht hat, einen packenden Roman zu schreiben, scheitert er weniger an den Vorgaben, sondern einem Rückfall auf das „Perry Rhodan Action“ Niveau mit ungenauen Angaben und einem Cliffhangar, der nicht nur unwahrscheinlich, sondern vor allem naturwissenschaftlich auch noch falsch ist.

Die Idee des Himmelsfahrstuhls – siehe den Bau über der Erde – ist schon mehrfach angesprochen worden. Für und wider stehen in einem starken Kontrast. Bedenkt man, dass Atlan bei seinem ersten Besuch über den vierten Planeten überrascht gewesen ist, muss dieser Planet erst nachträglich installiert worden sein. Egal wie man es angesichts des zukünftigen Schicksals der künstlichen Satteliten auch auslegt, ein vierter Planet hätte einen Einfluss auf das Gespinst gehabt. Atlans Rückblick auf seine Freundschaft mit dem damaligen Architekten ist ein schwacher Versuch, dem Leser unauffällig weitere Informationen zuzuspielen. Diese entfernte Stadt – Gath´Etseth genannt ist ein Gespinst aus Korridoren, Verstrebungen und Anbauten, die schließlich einen Ring um Arkon II bilden. Die Stationen sind von den Arkoniden errichtet worden. Angeblich sollten die Mehandor die Städte übernommen haben. Es scheint paranoid, dass die sich immer noch aggressiv verteidigenden Arkoniden über ihrer Heimatwelt eine derartig strategisch wichtige Installation aufgegeben haben, während sie ansonsten selbst die in entfernten Regionen operierenden Flotten von den Ihren besetzt haben. Als der Regent angeblich die uralte Tradition gebrochen hat und auf der Hauptwelt eine Garnison der Flotte errichtet hat, bildete sich eine Widerstandsgruppe, die sich übersetzt die „Vertragstreuen“ nennen. Verträge hat es aber nie gegeben, sondern laut Oliver Fröhlich und Frank Borsch ist das Gewohnheitsrecht eingezogen. Diese Prämisse wäre noch akzeptabel, wenn es sich um eine Randwelt gehandelt hätte. Aber wie gesagt, die Autoren schreiben über das Herz des Imperiums.    

Atlan und Belinkhar setzen sich ab, da Atlan – wie unauffällig – Informationen über die da Gonozal sucht. Passend kennt Belinkhar aus ihrer zeit als Fremdgängerin auch noch den Schlichter der Himmelstadt Simodes. Auch die Idee des Schlichters wirkt bizarr. Als Mehandor kann er nur in seinem Volk schlichten. Im drohenden Konflikt mit der Arkoniden sollten seine Machtbefugnisse arg beschränkt sein, da die Arkoniden wie mehrfach betont keine Fremdvölker auf Augenhöhe anerkennen.  Passend gelingt es dem bislang nur subversiven, aber nicht aktiven Mehandor Widerstand, die Sicherheitsschließfächer zu knacken und sich der Waffen zu bemächtigen, welche die Besucher der Stationen dort deponieren sollen. Belinkhar und Atlan geraten in die Auseinandersetzung, können aber in letzter Sekunde fliehen. Diese erbeuteten Blaster werden später benutzt, um die Himmelskugel aus der Bahn zu werfen. Sie stürzt dann auf den Planeten und nicht ins All. Gleichzeitig sollten allerdings auch die siebenundzwanzig anderen Städte betroffen sein. Alleine die Idee, das die Handfeuerwaffen ausreichen, um einen derartigen Schaden anzurichten, erscheint absurd. Auch hat der Leser das Gefühl, als habe der Widerstand keinen Kontakt zur Außenwelt. Ein erbeutetes Raumschiff – immerhin können Menschen/ Wesen die Stadt besuchen und auch wieder verlassen – wäre als Waffe effektiver gewesen. Diese doppelte Schwäche des Romans ist eine der Tiefpunkte des Plots und zeigt Oliver Fröhlich Unerfahrenheit. Hier hätten Redaktion und Lektor eingreifen müssen. Das die Arkoniden hart durchgreifen können und auch durchgreifen wollen, zeigt der tyrannische arkonidische Gouverneur der Station, der dem Schlichter ein Ultimatum stellt, die Rebellen auszuliefern, nachdem bei der Auseinandersetzung fast zwanzig Arkoniden und Mehandor ums Leben gekommen sind. Oliver Fröhlich geht hier den Weg des geringsten Widerstands und folgt inhaltlich unzähligen Vorlagen. Die Idee, den Gouverneur zu töten, erscheint absurd. Was wäre denn damit gewonnen? Es wäre nur eine Frage der Zeit, bis entsprechende Truppen vom Kriegsplaneten die Station besetzt hätten. Oliver Fröhlich und Frank Borsch scheinen immer wieder zu vergessen, das sie über das Herz des Imperiums schreiben und nicht eine unwichtige Nebenwelt. Alleine die Vorgehensweise der Rebellen ist teilweise so „lächerlich“, das es einem um die Mehandor unter dieser literarischen Führung leid tun kann. Alleine das Ende mit dem Absturz der Station als brennendes Fanal des überall aufflackernden Widerstands gegen den Regenten ist eine dunkle Überraschung, die allerdings negiert wird, in dem zum wiederholten  Male nur Nebenfiguren leiden müssen, während die „Helden“ wie Atlan und Belinkhar – beide erstaunlich passiv im vorliegenden Roman – natürlich in letzter Sekunde entkommen können bzw. gefangen genommen werden. Atlans Begegnung mit der Rudergängerin, in welcher er sich schließlich als zehntausend Jahre alter Kristallprinz outet, ist ein offener Abschluss dieses ambitionierten, aber nicht befriedigenden Romans.    

Zusammen mit dem Absturz als Folge einer Kettenreaktion ist es das Ende eines ansonsten  ausschließlich  hintergrundtechnisch interessanten Handlungsabschnitts, in dem in erster Linie Atlan mit seiner mittelbaren Vergangenheit konfrontiert wird. Belinkhar hätte mit ein wenig mehr Ausarbeitung  ihren neu gewonnenen Extrasinn kennen lernen können. Es gibt eine Szene, in welche Belinkhar unter den Folgen des Extrasinns leiden könnte. Aber das ist zu  wenig. Auch Atlans Erinnerungen wirken eher gequält. Oliver Fröhlich ist kein Autor für romantische Szenen. Da wird viel Kitsch verarbeitet und das Kennen des Architekten ist angesichts der bevorstehenden Vernichtung der entfernte Stadt eher ein süßsaurer Beigeschmack, der Platz einnimmt, aber als Füllmaterial zu schnell zu erkennen ist. Während bei Scheer durch das rasante Tempo inhaltliche Schwächen einfach überrollt worden sind, macht Frank Borschs teilweise quälend langsame Entwicklung eines Zykluses es dem halbwegs aufmerksamen Leser sehr viel einfacher, diese Ungereimtheiten zu erkennen.

Viel schlimmer ist, dass inhaltlich dieser Zyklus keinen wirklichen Schritt weitergekommen ist. Verschiedene Parteien versuchen es entweder mit versteckten Botschaften, die positiv nicht ankommen oder den üblichen Erpressungen, die angesichts der Umstände nicht fruchten. Dieses Positionsgeschiebe läuft schon über einige Taschenhefte, so dass Oliver Fröhlichs Roman im Grunde überflüssig ist. Stilistisch allenfalls annehmbar geschrieben bemüht sich der Autor in der unlogischen Actionsequenz am Schluss, zumindest latente Spannung aufzubauen. Viel erstaunlicher ist, dass insbesondere zu Beginn des Romans jegliche Dynamik fehlt und die verschiedenen Handlungsebenen mit dem gleichen Tempo voranschreiten. Zusätzlich schafft es Oliver Fröhlich nicht, die fremden Charaktere dreidimensional zu beschreiben. Alles geht „zu“ menschlich zu. Ohne den Hintergrund der Oribitalstadt hätte die Geschichte auch im 16. oder 17. Jahrhundert in der Karibik spielen können. Mit einer wenig Recherche wird der Leser vielleicht sogar auf die Ursprungsquellen in einem „Piraten“Film der vierziger oder fünfziger Jahre stoßen. Neben den „zu“ menschlichen außerirdischen Charakteren verliert „Neo“ als bittere Ironie auch auf der terranischen Seite. Schon in den letzten Romanen fiel auf, dass die jeweiligen Autoren wenig bis gar nichts mit dem Spezialkorps anfangen konnte. Oliver Fröhlichs Roman verzichtet gänzlich auf diese Truppe und trotzdem hat der Leser das Gefühl, als würde Rhodan mit seiner waghalsigen und wenig geplanten Vorgehensweise an jeder Stelle fehlen. In Hinblick auf die Entwicklung der „Rhodan“ Figur müsste er sich in diesem peinlichen Chaos, für das sich Frank Borsch und Oliver Fröhlich am Ende eigentlich schämen müssten, aufblühen.Zusammengefasst ist „Die entfernte Stadt“ bis auf den Versuch, mit der Mehandorkolonie eine weitere fremde und doch vertraute Kultur zur falschen Zeit vor allem am falschen Ort einzuführen ein schwacher „Neo“ Roman, der grundsätzlich zeigt, auf welchen Zufälligkeiten und Unstimmigkeiten Frank Borsch sein Konzept in der „Arkon“ Miniserie aufgebaut hat.                                                                                   




 

Pabel Verlag, Taschenheft, 160 Seiten

Erschienen im Dezember 2013

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