Sternenfinsternis

Sternenfinsternis, Titelbild, Rezension
David Seinsche

Mit “Sternenfinsternis” präsentiert der Autor David Seinsche Military Science Fiction der eher soliden, als wirklich nachhaltig inspirierten Art. Im letzten Drittel des Buches versucht sich der Autor  an einer Art Evolutionstheorie mit den Stärkeren, welche die jeweils Schwächeren verdrängen.  Dieser Ansatz erinnert teilweise an Ideen, die Andreas Suchanek auch mit den großen Alten aus einer anderen Dimension entwickelt hat.  Über den ganzen Roman gesehen sind  diese Hinterwesen vielleicht der interessanteste Aspekt des ganzen Buches, das über Potential verfügt, es aber nicht zu heben vermag. Auch hier greift der Autor abschließend auf Ideen zurück, welche andere Autoren von Campbell bis Heinlein in ihren Arbeiten paranoider, effektiver und vor allem spannender angewandt haben.

Von der Struktur her hat der Leser den Eindruck, als wenn er vor dem gleichen Hintergrund zwei Novellen liest, die notdürftig miteinander verbunden worden sind.  Der erste Handlungsabschnitt besteht aus dem Konflikt mit einer außerirdischen, technologisch überlegenen Rasse,  während der zweite Handlungsabschnitt den Hintergrund dieser aggressiven Fremden zu beleuchten sucht. Verbunden sind die beiden Handlungsabschnitte durch verschiedene Raumschlachten, die Entwicklung von Abwehrwaffen fast aus dem Nichts heraus und  einem sehr schnellen vorläufigen Sieg gegen die Invasoren, der anscheinend auch für die Charaktere überraschend kommt.

Positiv ist, dass David Seinsche im Gegensatz zu vielen anderen Autoren den Plot nicht auf eine Trilogie oder noch schlimmer endlose Serie ausgedehnt hat. Mit Nebenkriegsschauplätzen,  politischen Ränkespielen,  Missverständnissen mit  einer anderen außerirdischen Rasse, die als Verbündete der Menschheit in diesem in der Theorie aussichtslosen Kampf auftreten, Erfolgen und Fehlschlägen;  Kommunikationsversuchen und schließlich die Suche nach dem Grund der Invasion durch die Fremden. Alles hätte sehr viel gedehnter, ausführlicher und ohne Frage auch verschachtelter erzählt werden können.

Auf diese unnötigen Anhängsel verzichtet der Autor. Trotzdem springt der Funke nicht richtig über.  Betrachtend der Leser den Roman von der technischen Seite her, dann macht David Seinsche sehr viel richtig. Auch wenn neben den militärischen Auseinandersetzungen inklusiv des entsprechenden Opferflugs  einer ausgewählten Crew – eine der mitreißenden Szenen, die ohne Frage an SF Serien wie „Kampfstern  Galactica“ oder „Space 2063“ erinnern -  solide beschrieben worden sind, konzentriert sich der Autor eher oberflächlich auf ausführlichste Beschreibungen. Natürlich gehören zur Military SF Statistiken mit Waffen, Einsätzen, Erfolgen und Verlusten.  Die terranischen Kriegsschiffe erinnern in ihrer Erhabenheit an die frühen Zeiten der Perry Rhodan Serie. Während Andreas Suchanek die zynische Balance zwischen Waffenfetischismus und manipulierten Emotionen im Endkampf  um das  Überleben der Menschheit besser hinbekommt, versucht David Seinsche durch schnelle Schnitte zwischen den einzelnen Handlungsebenen Spannung zu erzeugen. Dabei wäre es ohne Frage sinnvoll gewesen, stilistisch ein wenig mehr zu variieren und vor allem auch das zugrundeliegende Erzähltempo nicht so gleichförmig durchzuhalten.

Der Leser beginnt sich aber schnell zu fragen, warum die Menschheit und ihre Verbündeten derartig schnell auf die Fremden reagieren können. Sie passen sich  mit einer Kombination aus Abwehrschilden und Angriffswaffen den Angreifern kann und können sie dann in der vorerst finalen Auseinandersetzung ungewöhnlich schnell ausschalten. Die Fremden dagegen werden von einer ersten Begegnung  mit dem Abwehrschild derartig überrascht, dass nur die Masse der attackierenden Schiffe einen Vorteil bringen könnte.  Allerdings ignorieren sie anschließend im Gegensatz zu den Menschen die gewonnenen Erkenntnisse und ihr Hochmut kommt damit vor dem Fall. Diese Idee wirkt nicht nur unglaubwürdig, sie steht in einem starken Kontrast zu den Erkenntnissen, die auf den letzten Seiten präsentiert werden.  Hier werden aus Gejagten plötzlich Jäger,  ohne dass sie die Schwächen aus der Zeit als Opfer umgesetzt und effektiv genutzt haben. Vor allem für ein Volk, das wie die Menschen anscheinend leiden musste, erscheint ihre Arroganz zu aufgesetzt. Aber damit der Plot funktionieren kann, braucht David Seinsche diese teilweise doch ein wenig zu simpel konstruierten Szenen, die ausschließlich wie angesprochen mit verschiedenen Raumschlachten und martialischem Getöse unterbrochen worden sind.

In der zweiten Hälfte geht der Autor überambitioniert vor. Die Idee, dass die Sieger sich um die technologischen Überreste der Angreifer balgen und damit einen neuen Krieg in diesem Jahrmarkt der Eitelkeiten heraufbeschwören ist interessant und ohne Frage ausbaufähig.

Eine weitere Irritation ist das Verhalten der eigenen Streitkräfte in dem Konflikt, das wiederum bei den Helden – die Crew der „TAS Bengalore“ – eine Gegenreaktion auslöst. Auch hier wird sehr viel Potential gehoben, dann aber hektisch relativiert. Viel stärker wären diese Szenen als eine fortlaufende Serie erschienen, in denen der Autor sehr viel mehr Raum und inhaltlich Zeit hat, um die Szenarien besser vorzubereiten und die Auflösung effektiver zu gestalten.

Vor allem weil die Szene dann in einer klassischen, den neuen „Star Trek“ Streifen auch entlehnten finalen Konfrontation endet, die dunkler und „brutaler“ hätte ausgehen müssen, um im Leser Emotionen zu wecken.  Hier greift David Seinsche zu sehr in die Hollywood Trickkiste, zumal die Bedrohung anfänglicher großer und ambitionierter beschrieben worden ist. Der Rückfall auf zwei Schiffe; der zeitliche Druck und schließlich die Brachiallösung inklusiv einigen Scotty Momenten wirken ohne Frage dynamisch und dank des Momentums auch spannend beschrieben, aber wie bei einem Essen in einem Fast Food Restaurant, wird der Leser intellektuell nicht satt.

Eine weitere Schwäche ist die Zeichnung der einzelnen Protagonisten. Sie wirken eher eindimensional und grob geschnitzt, pragmatisch agierend.  Die Komplexität, aber nicht unbedingt komplizierte Struktur der sehr stark verdichteten, von einem Höhepunkt zum nächsten Paukenschlag eilenden Handlung überdeckt einige Schwächen, aber besonders in der zweiten, mehr auf die Aktionen und weniger Reaktionen der „Bengalore“ Crew abgestimmten Hälfte des Buches zeigen sich diese Schwächen deutlicher.

David Seinsches erzählt seine Military Space Opera in einem angenehm dezenten Stil, der nicht zu sehr Waffenfetischismus zelebriert oder martialische Töne anstimmt. Es gibt wie angesprochen einige martialische Szenen, aber als Ganzes betrachtet wirkt „Sternenfinsternis“ fast wie das Expose zu einer soliden, aber nicht unbedingt inspirierten, auf Versatzstücke zurückgreifenden Miniserie.

Das überzeugende Titelbild fängt die Stimmung des Romans gut ein.      

 

Titelbild: Mark Freier
Atlantis, 2018, Paperback, 232 Seiten,

ISBN 978-3-86402-560-0 (auch als Hardcover und eBook erhältlich)