Vigiles 1: Tod im Senat

vigiles 1, tod im senat, titelbild, rezension
Dirk van den Boom

„Tod im Senat“ ist die Spin Off Serie zu Dirk van den Booms „Kaiserkrieger“. Der Plot der Trilogie setzt nach dem sechsten „Kaiserkrieger“ Band ein. Die Zeitreisenden des kleinen Kreuzers „Saarbrücken“ haben sich in der Vergangenheit etabliert, der neue römische Kaiser ist ein ehemaliges Besatzungsmitglied. Ungeachtet der Folgen für die Zukunft treiben sie die Etablierung eines etwas demokratischeres römisches Imperiums voran und versuchen die Teilung des Reiches zu verhindern.

Dirk van den Boom gibt zwei im Verlaufe der Handlung rudimentäre Informationen nicht selten in Form von Dialogen über diese neue Zeit, aber bis auf eine Figur konzentriert er sich bei der Besatzung der „Saarbrücken“ auf die bekannten, im Vorwege charakterisierten Protagonisten und erwartet, dass die Leser die „Kaiserkrieger“ Serie besser als oberflächlich kennen.

Das schwächste Glied ist wahrscheinlich die Rahmenhandlung. In der „Gegenwart“ vor der Abreise der Saarbrücken sowohl geographisch als auch durch die Zeit etabliert der Autor mit dem peniblen Polizisten Ackermann (?) eine Figur, die verzweifelt nach einem psychopathischen Killer von jungen Mädchen sucht, die er auf eine besondere Art und Weise markiert. Diese Idee wird im Epilog noch einmal aufgenommen und impliziert, dass vielleicht nicht nur Helden durch die Zeit gereist sind. Die Dickköpfigkeit, das die Stände und Seilschaften ignorierende Wesen und einhergehend die Motivation, Gerechtigkeit selbst zum Schaden der eigenen Person walten zu lassen zieht sich passend wie ein roter Faden durch den ganzen Roman und soll das persönliche Korsett seines Ermittlers bilden. Geschickt doppelte Dirk van den Boom dabei einige Szenen, wobei der Ausgang der Situationen unterschiedlich ist. Die  Konfrontation im Deutschen Reich mit einflussreichen Adligen inklusiv einer notwendigen, aber auch sehr persönlichen Brüskierung führt zur Verbannung ins afrikanische Exil, während er im römischen Reich die Unterstützung erfährt, die er bei seinen Ermittlungen unabhängig von den Ständen benötigt, um erfolgreich zu sein. 

 Es bleibt abzuwarten, ob sich die Rahmenhandlung in den weiteren zwei Romanen in eine überraschende Richtung weiter entwickelt.

 Der zugrunde liegende Kriminalfall ist einfach, wie überschaubar gestrickt. Er wird noch um eine zweite Idee erweitert, welche Dirk van den Boom aber mit dem neidischen Geheimdienstchef relativ schnell und vielleicht zu hektisch abschließt. Auch die Idee der eingeschleusten Attentäterin/ Spionin wirkt nur wie ein vordergründiges Spannungselement, das der Autor nutzt, um dem Roman Fülle zu geben. Diese beiden relevanten Nebenhandlungen hätten vor allem in einer besseren Verbindung zur Hintergrundebene dem Roman mehr Fülle geben können. Mit der Schaffung der neuen Polizeibehörde nach den Vorbildern des 19. und 20. Jahrhunderts engt der Kaiser den Einfluss der Senatoren und ihren Familien deutlich ein. Gerichtsbarkeit ist nicht mehr eine Frage des Geldes und die übliche, wie falsche Bestrafung eines Sklaven durch den Tod als Sündenbock ist mehr möglich, um gewichtigere Fälle unter den Teppich zu kehren. Diese politische Wandlung im Alten Rom initiiert durch den neuen Kaiser nutzt Dirk van den Boom immer wieder effektiv, um seinem Ermittler Steine vor die Füße zu legen oder bei dem Mord an einem Senator auf seinem eigenen fest durch Vergiften Abkürzungen hinsichtlich der Schuldigen zu etablieren.

 Den Spannungsaufbau unterminiert Dirk van den Boom an einer wichtigen Stelle durch den Wechsel der Perspektive. Bis dahin bewegte sich sein Polizeiinspektor ausschließlich im Bereich der Vermutungen hinsichtlich der Landreform und dem zurückgedrängten Einfluss der Senatoren. Durch das konspirative Treffen und die Verhaftung des einzigen im Ausschlussprinzip herausgearbeiteten Verdächtigen fügt der Autor von einer zweiten, für den Ermittler bis dahin nicht einsichtigen  Perspektive heraus wichtige Informationen hinzu.

Am Ende ist die Zielrichtung zwar richtig, aber der „falsche“ Täter wurde verhaftet. Es ist kein perfekter Erfolg für die neue Behörde. Ein Manko, über das der Autor ein wenig zu hektisch hinweg fliegt, um seinen Roman zu beenden. Aber gerade diese möglichen ermittlungstechnischen „Fehler“ heben die großen Figuren der Kriminalliteratur aus der Masse heraus.

 Unabhängig von diesem Kriminalfall verfügt „Tod im Senat“ insbesondere im direkten Vergleich zu der um den sechsten bis achten Roman auch ein wenig schwächelnden und zu Wiederholungen greifenden Hauptserie „Kaiserkrieger“ um sehr viele Stärken und zeigt, wie gut Dirk van den Boom als Autor ist, wenn er sich auf eine Arbeit fokussiert und konzentriert an Handlung/ Hintergrund arbeitet, anstatt zu viele Romane in zu kurzer Zeit abzuschließen. 

 Die Zeitreisenden der „Saarbrücken“ haben in diesem sich mehr und mehr zu einer Alternativwelt entwickelnden römischen Gesellschaft sehr viel erreicht. Die einzige Gegenwartsszene der ganzen Serie beschreibt die schrecklichen Morde des Frauenmörders im Kaiserreich und wie der Ermittler eben an Bord des kleinen Kreuzers gekommen ist. Ansonsten nutzt Dirk van den Boom das historische Rom, beschreibt vielleicht nicht so bekannte politische und soziale Entwicklungen und baut nachhaltig immer weitreichender die Veränderungen des deutschen Kaiserreichs ein. Die Zeitreisenden sind in diese Gesellschaft mit mehr oder minder großer Skepsis aufgenommen worden; sie können sie aber nicht aus dem Nichts heraus auf einen Schlag umstellen oder in ihrem Sinne modifizieren. Stattdessen zeigt sich mehr und mehr eine Art politische Symbiose, in welche die unabänderlichen Standesgesetze Roms wie die besonderen Privilegien des Senats mit den neuen Regeln der Zeitreisenden wie der unabhängigen Polizei; dem Aufbau eines umfassenden Archivs und demnächst das Frauenwahlrecht zusammenfließen.

 Hinzu kommt, dass insbesondere sein Ermittler wie es sich für derartige Serie gehört kein einfacher Charakter ist, sondern auch durch sein impulsives Wesen und vor allem seine demokratische Gesinnung und seinem Respekt jeglichen menschlichen Lebens gegenüber sowohl im Kaiserreich als auch dem alten Rom – bis auf das Verständnis des neun jungen Kaisers – im Grunde nur anecken kann. Er ist zum erfolg verdammt. Vielleicht überbetont Dirk van den Boom diesen Teil der Handlung zu sehr, aber wie in seinen anderen in sich abgeschlossenen Serie versucht der Saarbrücker Autor gleich zu Beginn einer Trilogie eine Art Duftmarke zu setzen, auf welcher er in den Fortsetzungen oder in dieser Serie mit einem die einzelnen Teile verbindenden Fall ohne Probleme aufbauen kann.

 Alleine diese politischen Veränderungen bilden einen interessanten, von Dirk van den Boom überwiegend distanziert, aber auf Augenhöhe des Lesers hintergründig erläuterten Hintergrund der Geschichte. Die „Kaiserkrieger“ haben durch den schnellen Ortswechsel – der neue Handlungsabschnitt spielt teilweise in Mittelamerika mit einem japanischen U Boot, das ebenfalls durch die Zeit gefallen ist – die Feinheiten der Entwicklung Roms zu Gunsten oder auch zu Lasten einer Actionhaltigeren Handlung in den Hintergrund gedrängt.

 In „Vigiles“ hat Dirk van den Boom genau die Freiräume, um die Lücken zu schließen. Wie bei einer sehr gut konzipierten Spin Off Serie geht es vor allem darum, den Haupthandlungsfaden zu ergänzen, zu verfeinern und gleichzeitig zu erweitern. Im Gegensatz zum allerdings ein wenig zu simplen, sehr viele Potentiale verschenkenden Haupthandlungsfaden überzeugt der Autor genau in diesen Punkten und lässt „Tod im Senat“ zu einem überzeugenden Spin Off werden.    

  • Taschenbuch: 250 Seiten
  • Verlag: Atlantis Verlag (30. Juni 2015)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3864022428
  • ISBN-13: 978-3864022425