Starship- Verloren im Weltall

Brian W. Aldiss

Der Mantikore Verlag legt mit „Starship“ Brian W.  Aldiss ersten, schon aus den fünfziger Jahren stammenden Roman neu auf. Grundlage ist eine vom Autoren selbst überarbeitete Fassung, die der Bastei Verlag unter dem Titel „Die unendliche Reise“ in den achtziger Jahren publizierte. Die erste Veröffentlichung erfolgte im Heyne Verlag schon in den sechziger Jahren. 

Brian W. Aldiss hat bei der Erstveröffentlichung möglichst lange das Geheimnis hinter dem seltsamen Aufenthaltsort des primitiven Stammes verstecken wollen. In den fünfziger Jahren gehörte sein Buch zu ersten Arbeiten, in denen sich ein Autor intensiv mit den Schattenseiten der Generationenlangen Reisen zu den Sternen in einem unterlichtschnellen Raumschiff auseinandergesetzt hat. Da der Plot weitgehend bekannt ist, hat der Mantikore Verlag im Grunde den Daumen auf die inhaltliche Problematik gelegt.  Damit folgen sie den amerikanischen Taschenbuchveröffentlichungen, während einige andere Verlage auf Aldiss selbstironischen Titel „Non Stop“ zurück gegriffen haben. 

Roy Complain ist Mitglied eines kleinen Stammes von primitiven Jägern.  Sie leben in einem unwirtlichen herausfordernden  Dschungel.  Als die Nahrung in unmittelbarer Nähe knapp wird, beschließt eine kleine Gruppe von Jägern, die weitere Umgebung zu erkunden. 

Nachdem sein Frau entführt worden ist, fordert ein Priester des Stammes Complain auf, mit einer weiteren Gruppe durch die nicht erforschten Korridore auf die Suche nach dem Kontrollraum zu gehen. Der Priester ist aufgrund der Aufzeichnungen der Ansicht, dass sie alle an Bord eines Raumschiffs auf dem Weg zu den Sternen sind und der  Kontrollraum ermöglicht es ihnen, Kontrolle über das Schiff zu gewinnen. 

Auch wenn die Zusammenfassung den  Plot primitiver und oberflächlich erscheinen lässt als er in Wirklichkeit  ist, ergibt sich ein schiefes Bild. Die Primitiven mit dem instinktiv zum Anführer geborenen Complain können mit den meisten Begriffen nichts  anfangen. Auch die Idee eines Raumschiffes, zwischen den Sternen fliegend, ist ihnen im Grunde fremd. Interessant ist zusätzlich, dass die künstliche Umgebung ihnen nicht die Möglichkeit gibt, ein Raumschiff als Boot zwischen den Sternen mit einem Schiff zu vergleichen. Sie kennen ja diesen Begriff nicht.

Während andere Autoren wie Robert A. Heinlein oder Poul Anderson sind in ihren Werken um die vielleicht auch ein wenig pseudowissenschaftlichen Grundlagen gekümmert haben, konzentriert sich Brian W. Aldiss auf einen evolutionären Roman vor dem Hintergrund eines seit einer unbekannten Zeit im All treibenden Raumschiffs.

Auf den ersten Blick könnte die Geschichte auch in einem engeren Zusammenhang mit William Goldings „Herr der Fliegen“ stehen. Auch wenn beide Bücher die weitere Entwicklung einer in die Primitivität entweder zurückgefallenen – Aldiss – oder absichtlich zurückgeworfenen – Golding -  kleinen Gruppe von Menschen bzw.  Jugendlichen beschreiben, enden die Vergleich beim alltäglichen Überlebenskampf.

Der Fokus in Brian W.  Aldiss Geschichte hätte in der Theorie größer sein können. Wie bei einigen anderen Büchern dieser  Ära ist dabei die Reise im Raumschiff interessanter als das Ende, in dem der britische Autor debüttechnisch zu viel auf einmal offenbaren will und dabei an seinen eigenen Erwartungen auch ein wenig scheitert.  „Non Stop“ ist kein schlechtes Buch, aber Brian W. Aldiss will einfach auf zu wenig Raum zu viel. 

In seinen späteren Büchern hat er gelernt, dass weniger mehr ist und  vor  allem die herausragende Reise über „Heliconias“  Weiten gehört zu den exemplarischen Musterbeispielen, in denen fremde  Welten bereist worden sind. 

Brian W. Aldiss macht es sich hinsichtlich des Ausgangsszenarios ein wenig zu einfach. Die Gruppe bricht zum ominösen Kontrollraum auf, weil der  Priester alte Dokumente gefunden hat. Das Konzept eines Raumschiffs, den Sternen und schließlich einer endlosen Reise wird von den Protagonisten zu schnell akzeptiert.  

Selbst in den fünfziger Jahren muss die Idee schon bekannt gewesen sein, welche Auswirkungen moderne Erkenntnisse auf primitive Zivilisationen haben.  Hier kommt das aktive Handeln der kleinen Gruppe hinzu.  Der Katalysator der Reise ist schwach und im Grunde akzeptiert Complain ohne Murren die Führung durch den Priester, obwohl dieser ihm hinsichtlich der Erfahrung in den lebensfeindlichen Korridoren unterlegen ist. 

Auch sind die Dokumente nicht nur hinsichtlich des Weges unvollständig.  Aus ihnen geht nicht hervor,  woher das Raumschiff gekommen ist und wohin es fliegen will. Es muss schon ein grandioser Zufall sein, wenn solche Art von Dokumenten gefunden werden.  Vielleicht wäre es packender gewesen, wenn Complain mit seiner Truppe vagen hinterlassenen Hinweisen auch auf den Aufenthaltsort seiner verschwundenen Frau gefolgt wäre. 

Es ist aber die einzige große Schwäche des Buches. Auf der Reise begegnen die Menschen Riesen. Dabei handelt es sich unter anderen Voraussetzungen aufgewachsene Menschen. In einem anderen Abschnitt des Schiffes hat sich eine technologisch höherstehende menschliche Zivilisation entwickelt, die aber auch keinen Überblick über das Ganze hat.  Die intelligenten Ratten wirken eher wie ein Exkurs aus dem Bereich des klassischen Horrors. 

Durch die einzelnen Begegnungen wirkt der ganze Plot wie ein Fortsetzungsroman.  Einer Gefahr wird begegnet, ein Problem stellt sich. Die kleine Gruppe findet sich selten unter Anwendung, brutaler, aber auch effektiver Gewalt eine Lösung für  ein kleines Problem.  Der folgerichtige Schritt, als erweiterte Gruppe nach der  Kommandozentrale zu suchen findet nicht  statt.  Auf der anderen Seite fehlt Aldiss auch in einigen Szenen die literarische Erfahrung, um den Spannungsaufbau zufriedenstellend abzuschließen.  So wird Complain aus einer im Grunde aussichtslosen Situation einfach von einer Gruppe freigelassen und kann seine Reise fortsetzen. Weitere Erklärungen gibt es nicht.

Das Ende ist zynisch und auf der  einen Seite konsequent angelegt, auf der anderen Seite unterminiert Aldiss diesen Ansatz wieder. Hätte er die Geschichte mit der Grunderkenntnis enden lassen, dann wäre „Non Stop“ ein perfekter und vor allem auch logisch zu Ende gebrachter Roman gewesen. Warum sich so viel Mühe geben und entsprechende Risiken auf sich nehmen, wenn am Ende in einer „Deus ex Machina“ Variante buchstäblich die Türen geöffnet werden.

Heute ist nicht mehr festzustellen,  ob dieses zu optimistische Ende dem verlagstechnischen Zeitgeist geschuldet worden ist. Im Gegensatz zu vielen anderen Generationenraumschiffgeschichten bis zu „Aurora“, welche einen Teil der Grundlagen wieder aufgenommen hat, ging die Reise immer nur in eine Richtung.

„Non Stop“ ist auf der charakterlichen Seite ein eher unterentwickelter Roman. Aldiss findet nicht immer über die pragmatische Handlungsweise hinaus einen Zugang zu den einzelnen Protagonisten und verfängt sich ein wenig zu sehr in der allerdings spannenden, stringenten Handlung.  Selbst die Erkenntnis, das sich die Figuren an Bord eines Generationenraumschiffs befinden, stört bei dieser exotischen Reise in einer sich wild entwickelnde, unkontrollierbare Flora/ Fauna nicht sonderlich.

Aldiss ist clever genug, sie als eine Art roter Faden mit auf die Reise zu nehmen. Ansonsten geht es ihm um die Entwicklung des Lebens außerhalb der dünnen Bande der Zivilisation. In dieser Hinsicht wirkt „Non Stop“ auch heute noch nach.   Vielleicht hätte das Buch mit dreidimensionalen Protagonisten noch lesenswerter gewirkt, aber in Ehren gealtert ist „Non Stop“ trotz  der angesprochenen Schwächen ein Klassiker dieses Subgenres und immer wieder auch als Einstieg in Aldiss sehr vielschichtiges umfangreiches Werk mehr als einen zweiten Blick wert.

Bildergebnis für mantikore, starship, aldiss

  • Taschenbuch: 340 Seiten
  • Verlag: Mantikore-Verlag; Auflage: 1 (18. Juli 2018)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3961880174
  • ISBN-13: 978-3961880171
  • Originaltitel: Starship (Non-Stop)