Framstag Sam

Paul van Herck
Der Apex Verlag legt mit "Framstag Sam" einen  Klassiker der humoristischen Science Fiction Literatur neu auf. Das Buch ist Anfang der achtziger Jahre im Heyne- Verlag erschienen und gehört dort zu den auch antiquarisch gesuchten Titeln.
Der in Antwerpen als Lehrer arbeitende Paul van Herck begann seine literarische Karriere als Autor von SF- Hörspielen. 1965 publizierte er eine Sammlung von Kurzgeschichten, drei Jahre später seinen erfolgreichsten Roman "SAm of de Plunderdag" und sein zweiter/ letzter Roman "Oh Caroline" erschien nur in französischer Sprache. 1972 ist "Framstag Sam" mit dem European Science Fiction Award als bester belgischer Roman ausgezeichnet worden.    
 
"Framstag Sam" beinhaltet viele skurrile Ideen. Aber unabhängig von dem rasanten Handlungsverlauf bleiben zwei Punkte länger im Gedächtnis. Aus dem Nichts heraus wird weltwelt die Science Fiction als Literatur verboten. Der bislang erfolgreiche Schriftsteller Sam muss sich ein neues Arbeitsfeld suchen. Sein neues Manuskript ist für die Tonne. Aber Sam ist nicht alleine. So will John Wyndham, den er in einer Kneipe tritt, Nähutensilien verkaufen, während Heinlein sich dem Schreiben von Pornographie zuwendet. Jahre bevor Heinlein wirklich mit seinen letzten Büchern die sexuellen Spielarten austestete.
 
Viel interessanter ist aber noch ein gänzlich anderer Aspekt, der hinter dem "Plunderdag", dem Framstag steht. Michael Ende hat fünf Jahre später (1973) seinen Kinderbuchklassiker "Momo" geschrieben.  Die grauen Herren, welche den Menschen die Zeit stehlen und sie in einer Zeitsparkasse deponieren, sind ein bestechendes Merkmal dieses Buches. Die Idee der gesparten, aber nicht gestohlenen Zeit, welche eine elitäre Kaste ausnutzt und die den Massen allerdings mit konträren Folgen wieder zur Verfügung wird, ist ein wichtiger Aspekt in Paul van Hercks Buch. 
 
Bis dahin muss der gestresste Sam allerdings eine wahre Achterbahnfahrt durch insgesamt viereinhalb Leben - beim fünften Mal kommt er nicht mehr zur Himmelstür und muss vorher umdrehen - durchleiden; wird der erfolgreichste Schriftsteller und reichste Mann der Welt mit einem Sachbuch und versucht verzweifelt gegen alle Widerstände und Pascal ein Date mit der Liebe seines Lebens einzuhalten. Und dieses Date ist natürlich am Framstag gegen acht Uhr Abends. 
 
Paul van Herck hat seinen irrwitzigen Roman lange vor Douglas Adams über weite Strecken ausgezeichnet strukturiert. Das Wiederholen von Szenen ist pure Absicht und soll wie bei einer Slapstickkomödie den abschließenden Effekt verstärken. Dazu gehört der regelmäßige Besuch vor Petrus Tür. Sam hat das Problem,  das er auf seinen Reisen nicht nur durch die Zeit, sondern auch auf andere "Ebenen" mehrfach stirbt. Dabei fällt ihm jedesmal eine Ausrede ein, um nicht am Ende in den Himmel zu kommen, Nachtisch mit/ ohne Rosinen zu erhalten und die Harfe spielen zu müssen. Paul van Herck dreht bei jedem dieser "Besuche" ein wenig mehr am Rad. Sein Himmel mit Petrus als Torwächter ist gerade zu klassisch aufgebaut und wirkt als starker Kontrast zum bizarren Geschehen auf der Erde. Nicht jede dieser Episoden ist vom Grunde auf originell und überzeugend, aber selbst die vertrauten Situationen unterhalten in dem durchgedrehten Kontext des ganzen Romans ausreichend und bilden eine Art roten Faden.
 
Zwei weitere Aspekte fallen auf. Betrachtet der Leser den Roman vom Ende ausgehend, dann handelt es sich um eine Sozialsatire, in welcher das rücksichtslose Verhalten einer kleinen Elite stark kritisiert wird. Sam demaskiert sie, in dem er sie nach ihrem letzten Framstag fragt. Wer ohne zögern antwortet, gehört zu den reichen "Ausbeutern". Nicht ganz klar ist,  warum sie derartig stark kritisiert werden. Einer der reichen - Julies Vater - Politiker macht Sam stellvertretend für den Leser klar, dass die schwerbeschäftigen Reichen Zeit durch Effektivität einsparen können. Michael Ende wird daraus genau wie Sam eine Art Zeitdiebstahl konstruieren. Ob Paul van Herck die hektische Konsumgesellschaft dabei im Auge hatte, ist aus heutiger Sicht kaum zu erkennen, aber definitiv handelt es sich um Zeitooportunisten, welche den Framstag für die eigene Freizeit nutzen und nicht um Menschen, welche den unterdrückten Massen ihre wertvolle (Arbeits-)Zeit stehlen.     
 
Abhilfe soll aus Sams proletarischer eindimensionaler Sicht eine sozialistische Idee schaffen. Sie muss aber mit dem Geld vorfinanziert werden, dass Sam durch seinen erfolgreichen Bestseller im Grunde von seinen zukünftigen Kunden verdient hat. Der Ansatz gerät derartig aus den Fugen, dass die Menschen mit nichts anderem mehr besch#ftigt sind als Zeit buchstäblich zu sparen und weniger progressiv einzusparen. Das Ende ist vorhersehbar und führt im Epilog zu einer erwarteten Pointe. Auch die nächste Generation muss wie Sisyphos einen anders benannten Stein wegrollen.  
 
Paul van Herck geht aber auch mit den Science Fiction Elementen sehr respektvoll um. Das Verbot der Science Fiction trifft die Autoren hart. Verzweifelung macht sich selbst bei einem Gastwirt breit. In dieser fiktionalen Welt gibt es aber neben der utopischen Literatur einige ihrer Werkzeuge tatsächlich. So erscheint Sam fast gar nicht überrascht,  dass es Zeitmaschinen gibt und diese auch funktionieren. Die Fahrt in einer eher dunklere Zukunft auf der Suche nach seiner Julie ist genauso ernüchternd wie die Reise in die nähere Vergangenheit, um das erste Date mit ihr wirklich wahrnehmen zu können. Es sind die exentrischen Ideen wie ein vor Ort recherchiertes Buch der Juden oder das preislich ungewöhnliche Angebot, die dem Leser längere im Gedächtnis bleiben.  
 
Zu den Schwächen gehört vielleicht die grundsätzliche Zeichnung der Protagonisten. Sam ist ein Opportunist, der auf der Suche nach seiner wahren Liebe fast zu passiv durch die Geschichte eilt. Die Idee zu seinem Bestseller schenkt ihm eine Fleisch gewordene Muse in der Zukunft, welche Ideen auch an bekannte Schriftsteller verkauft.  So findet das Kloning auch mittels eines Zauberers und keiner Maschine statt. Seinen Klon opfert Sam gerne am Himmelstor, als es zu einer Verwechselung kommt. Da nimmt er keine Rücksicht.  Während Sam noch ein wenig zugänglich ist, bleibt Julie als Tochter eines reichen Politikers oberflächlich. Sie hat kein Problem, Sam am Framstag gegen Pascal einzutauschen. An einer anderen Stelle tröstet sie sich ungewöhnlich schnell nach Sams "Tod" mit einer Zufallsbekanntschaft. Daher fällt es dem Leser schwer, Sams naives Hinterhechseln zu verstehen. In beiden Situationen ist Sam mit der Wahrheit konfrontiert worden und streng gesprochen macht aus seiner gigantischen Reichtum ihn oberflächlich zu einer interessanten passenden Partie, aber welcher intelligente Mann möchte im Gegenzug eine derartig wankelmütige Frau haben? Da hilft auch nicht der Gewissenstest vom Schwiegervater in Spe.
 
Um diese beiden Hauptfiguren herum hat Paul van Herck vor allem pragmatisch exzentrische Figuren platziert, die nicht selten mehr durch ihre historische Bedeutung Aufmerksamkeit erregen als das sie nachhaltig die handlung vorantreiben. Sie sind für Situationskomik ohne Frage gut, unterminieren aber auch in der zweiten Hälfte den angedeuteten oberflächlich bleibenden politischen Tiefgang.
 
"Framstag Sam" sollte aus heutiger Sicht für einen wirklich zeitlosen Roman aus den experimentellen sechziger Jahren als in Worte gefasste "Mad Magazine" Version gesehen werden. Viele auch kleine Ideen passen abschließend gut zusammen und greifen Terry Pratchett, aber vor allem Douglas Adams weit vor. Manch kleine Schwäche wird durch das hohe Tempo dieser allerdings als Liebesgeschichte eher konstruierten Story ausgeglichen, so dass der Leser am Ende den Kopf ein wenig lächelnd über das Panoptikum der Absurditäten schütteln kann.

FRAMSTAG SAM

  • Format: Kindle Edition
  • Dateigröße: 6951 KB
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe: 360 Seiten
  • Verlag: BookRix (17. Januar 2018)
  • Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
  • Sprache: Deutsch
  • ASIN: B0777CSDWK