Operation Vergangenheit

Ronald M. Harris

Bei der als Gemini Science Fiction  24 publizierten Geschichte handelt es sich um die Erstveröffentlichung des mittlerweile sowohl in den achtziger Jahren im Rahmen der Ullstein Anthologie „Inmitten der großen Leere“ wie auch im 21. Jahrhundert im Apex Verlag ebenfalls im Rahmen dieser Kurzgeschichtensammlung nachgedruckten Heftromans.

  Ronald M. Hahn hat von den insgesamt siebenundvierzig „Gemini Science Fiction“ Romanen mehr als eine Handvoll unter diversen Pseudonymen geschrieben.  Dabei ist Ronald M. Harris wahrscheinlich am ehesten direkt auf den Wuppertaler Autoren, Verleger und Agenten zurückzuführen.

Aus heutiger Sicht ist die Geschichte unter anderem aufgrund eines kleinen Hinweises interessant, den Wolfgang Jeschke später in „Der achte Tag der Schöpfung“ zu einem ganzen Roman ausbauen sollte. Ronald M. Hahn wirft den Leser mitten in die Handlung, hält das Tempo über den ganzen Spannungsform sehr hoch und präsentiert abschließend sogar eine kleine romantische Liebesgeschichte, vielleicht als Kompromiss für eine als Heftroman ausgesprochen dunkle, teilweise brutale Geschichte um einen Diktator, der in der Gegenwart gescheitert einen zweiten Versuch in der Vergangenheit des Quartär versucht. Das es sich dabei auch noch um den amerikanischen Präsidenten inklusiv einer sehr hübschen Tochter handelt, lässt die Geschichte in Zeiten Trumps aktueller erscheinen als es Ronald M. Hahn wahrscheinlich in den siebziger Jahren vorherahnen konnte.

 Die Wissenschaftler im Quartär sollen in ihrer mit einem Elektrozaun abgesicherten Basis vor allem die ersten Menschen erforschen. Aus dem Nichts heraus landet der gegenwärtige amerikanische Präsident mit seiner hübschen Tochter, einigen Generälen und Offizieren, sowie einer Handvoll Soldaten in der Vergangenheit und berichtet von einem Bürgerkrieg. Anscheinend haben sozialistische, wenn nicht sogar kommunistische Kräfte gegen den gewählten Präsidenten opponiert und ihn in die Flucht geschlagen. In der Vergangenheit ohne Aussicht auf eine Rückkehr in die Gegenwart versucht er die Wissenschaftler und Forscher unter seine Knute zu bringen und ein diktatorisches Reich innerhalb des Energiezauns, später den errichteten Palisaden zu etablieren. Mit drakonischen Maßnahmen versucht er die Männer unter seiner Macht zu halten, bis eine kleine Gruppe um den allen Zwängen kritisch gegenüberstehenden Steiner in den Dschungel außerhalb des Camps flieht und sogar bei den Steinzeitmenschen lebt.

 Vor allem die ersten Hälfte ist ausgesprochen stringent erzählt. Immer wieder konfrontiert Ronald M. Hahn die Leser mit neuen Fakten, auf Augenhöhe der Charaktere. Die Hintergründe werden erst im letzten Viertel des Romans aus einer neutralen Position heraus erläutert. Absichtlich scheint der Autor vor allem die wichtigen Charaktere zu desorientieren, wie sie alle vom charismatischen, am Rande des Wahnsinns agierenden amerikanischen Präsidenten an der langen Leine geführt werden. Dabei bewegt sich Hahn auch ein wenig am Rande des Klischees mit dem Wasser predigen und heimlich Wein konsumieren. Auch die Präsidententochter als verwähnte Zivilisationszicke mit einem späteren Herzen zumindest aus Silber, wenn nicht Gold wirkt eindimensional und dem Plot untergeordnet gezeichnet. Erstaunlich ist die kontinuierliche Steigerung von Gewaltszenen, die schließlich in der brutalen Ermordung fast der letzten im Lager befindlichen Opposition gipfelt. Selbst Seiner als wichtigste Identifikationsfigur des Lesers ist nicht unbedingt sympathisch gezeichnet.

 Die zweite Hälfte des Romans mit dem Leben bei den freundlichen Steinzeitmenschen, dem Austauschen von Erfahrungen und schließlich dem heraufdämmernden Winter ist ruhiger, aber nicht weniger interessant oder spannend geschrieben worden. Fast ein wenig bedauernd wird das Tempo notwendigerweise um den Plot abzuschließen umgehend wieder angezogen und einige in dieser Phase angesprochenen Ideen wie das tatsächliche Überleben in der Urzeit durch Anpassung an das Leben der Steinzeitmenschen fallen abschließend wieder unter den Tisch.

Wie bei vielen Zeitreisegeschichten schwingt zwar in einigen Passagen die Furcht vor dem Flügelschlag des Schmetterlings, der Veränderung der Zukunft mit, aber es bleibt nicht selten bei Lippenbekenntnissen, wie die abschließenden Ereignisse im Dorf der Steinzeitmenschen zeigen. Sie spielen auch angesichts des Actionplots einer untergeordnete Rolle.

 Ronald M. Hahn verzichtet auf seinen nicht selten in dieser Art von Geschichten satirischen Unterton bis zur Karikatur einzelner Protagonisten, sondern erzählt das Garn mit einigen unter die Haut gehenden Actionszenen ernsthaft, dynamisch und angesichts der verschiedenen Möglichkeiten im Mittelteil auch sehr spannend. Es wäre nicht die erste Story, in deren Verlauf die Figuren erkennen müssen, das es tatsächlich keinen Weg zurück gibt.

 Auch heute über vierzig Jahre nach der Erstveröffentlichung liest sich „Operation Vergangenheit“ unabhängig von den Hinweisen auf eine „rote“ Bedrohung innerhalb der absolutistischen USA kurzweilig und ist wie einige andere Romane der heute fast in Vergessenheit geratenen „Gemini Science Fiction“ Reihe eine Wiederentdeckung entweder als Einzelveröffentlichung oder als Beimischung zu einer Anthologie wert.

 

Heftroman, 64 Seiten 

Kelter Verlag, 1976

Gemini Science Fiction 24