Echo aus dem All

John Brunner

Als Terra Heftroman erschien unter dem gut übersetzten Titel statt "Echo an die Welt" als "Echo aus dem All" ein weiterer von John Brunners in den sechziger Jahren verfassten Ace Doppelbandbüchern. John Brunner hat den Text in den achtziger Jahren nicht unbedingt grundlegend, aber inhaltlich überarbeitet und unter dem ebenfalls interessanten Titel "Warnung an die Welt" noch einmal veröffentlicht. Diese Fassung ist die gängigere Version, wobei der ursprüngliche Text auch einige Vorzüge hat. 

 John Brunner hat die Handlung unabhängig von einem kosmopolitischen Hintergrund auf zwölf Ablaufstunden gerafft.  Nach und nach öffnet der Autor erst den Hintergrund der Geschichte. Sie beginnt mit Sally Ercott, eine Alkoholikerin, die gerade aus ihrem Suff wieder aufwacht. Sie ist pleite, hat das Geld für ihre Miete vertrunken und ihr Vermieter will sie als Prostituierte an Freier vermieten, um so an sein Geld zu kommen. Die Szenen sind für einen Heftroman ausgesprochen realistisch und intensiv. Anscheinend erinnert sich Sally aber auch an ein anderes Leben, in dem es um einen Außerirdischen geht. Diesem gigantischen Wesen werden Menschenopfer dargereicht. Die Erinnerungen an den Hintergrund sind eher ambivalent. 

 Sally ist Alkoholikerin, vielleicht auch geisteskrank. In einem eher realistisch angelegten Roman könnte der Leser die Visionen als Wahnvorstellungen ablegen, zumal John Brunner sie auch derartig exzentrisch und übertrieben beschreibt.  

 Sie wird beinahe von einem jungen Mann überfahren, der sie unbedingt zu sich nach Hause einladen möchte. Sie soll wenigstens die Möglichkeit haben, sich zu säubern und einmal satt zu essen. Ab diesem märchenhaften Moment baut John Brunner eine weitere Idee ein. Sallys Vermieter scheinen ein fast ungesundes Interesse an ihrer Versklavung als Prostituierte zu haben. Das Auftreten des jungen Märchenprinzen passt nicht in ihr Konzept.  Der Held Nick Jenkins ist ein Erfinder und will unbedingt Sallys Geschichten hören. Später soll Sally einige Szenen zeichnen. Die Außerirdischen haben vier Arme und in einer Vision ist sie auch gehäutet worden.  

 Das große Problem bei der zweiten Hälfte des Buches ist, dass John Brunner dann auf eine alte Idee zurückgreift. Es sind in dem Boarding House einige Menschen verschwunden und auch die Polizei ermittelt schon seit einiger Zeit. Der Leser kann sich denken, in welche Richtung sich der Plot entwickelt. Dazwischen finden sich die angesprochen märchenhaften Elemente mit dem

Prinzen aus dem Auto und nicht vom Sattel springend. Die Liebesgeschichte mit einem obligatorischen Ende wirkt ein wenig kitschig. Viel intensiver sind die ersten Beschreibungen allerdings ohne Hintergrundinformationen der zur Alkoholikerin gewordenen Sally.  

 Unabhängig von den nicht nur vagen, sondern echten Hinweisen auf Außerirdische, die im Hintergrund agieren, greift John Brunner auf verschiedene Ideen zurück, die er gerne und oft verwandt hat. Dabei reicht das Spektrum vom Gruppenbewusstsein einer fremden Macht bis zu einer persönlichen Tragödie. John Brunner ist kein Freund eines Actionendes mit möglichst vielen Toten oder bösen Außerirdischen, die aufopferungsvoll wie blutig zurückgeschlagen werden. Stattdessen greift er allerdings auf eine Idee zurück, die auch nicht unbedingt gut funktioniert, aber zumindest interessant ist und an einigen Enden in der alten "Star Trek" Serie erinnert. Dem Leser wird die Vorgeschichte verbal stellvertretend für eine Reihe von Charakteren präsentiert, die tatsächlich staunend zuhören. Das wirkt angesichts der bisherigen Dynamik der Handlung eher kontraproduktiv und vor allem teilweise wirkt der Unterton belehrend. Hinzu kommt, das der Leser die komplette Wandlung von einer verstörten Alkoholikerin zu einer inzwischen selbstbewussteren Frau anerkennen muss. Hier fehlen die emotionalen Zwischentöne.  

Erstaunlich ist, das John Brunner ein wirklich intensives Ausgangsszenario entwickelt hat. Selbst die Idee des Gruppenbewusstseins, das durch einen außenstehenden Impuls fehl gelenkt worden ist, kann der Leser verstehen. Wenn der Autor aber eher auf Ursache und Wirkung eingeht, fehlt dieser Szene entweder der Humor, der ja „Blob“ reife Dimensionen erreicht oder ein Händchen für Bizarres. Auf jeden Fall geht John Brunner mit seinen Erläuterungen zu sehr in die Details, um abschließend überzeugen zu können.  

 In einem Punkt hat John Brunner aber auch gelernt. Während im vorliegenden „Echo in the Skull“ am Ende ein großer Müllcontainer dran glauben muss, lässt er in der neuen Fassung „Warning to the World“ ein ganzes Haus einstürzten. Während in der ersten Fassung die Polizei schon einen Verdacht hat, verzichtet John Brunner auf diesen Handlungsstrang und lässt die Ordnungskräfte erst später eingreifen. Statt dieses Spannungselement aber weiter auszubauen, fügt er mit dem korrupten wie inkompetenten Arzt Richard Argyle eine Figur hinzu, die einen der außerirdischen Parasiten auf seinem Nacken trägt. Dadurch nähert sich die neue Version anderen Stoffen wie Heinleins „Puppetmasters“ oder Finneys „Invasion of the Body Snatcher“ mehr an. Sally wird auch viel früher entführt und direkt im Boardinghouse gefangen gehalten, was die Verbindung zwischen den Visionen und den Vermietern viel früher aufdeckt.

Clyde West agiert mehr als eine Figur aus den siebziger bzw. achtziger Jahren. Sie dient vielleicht sogar eher als Mittler zwischen dem Leser und den verschiedenen Szenen. Er greift aktiv in die Handlung ein. John Brunner hat einen Jamaikaner aus dem ehemaligen Australier gemacht, wobei Rassenunterschiede in der Geschichte keine Rolle spielen.

Zusammengefasst sind beide Fassungen des Plots interessant und kurzweilig zu lesen, wobei die Extrapolation sehr viel interessanter ist als die abschließende Pointe.  Hier zeigen sich in beiden Versionen neben dem belehrenden Ton einige kleinere unlogische Elemente und John Brunner wirkt eher bemüht, ernsthaft und überzeugend zu bleiben. Ein weiterer früher John Brunner, der vor allem dessen Talent, eine Geschichte rasant und überwiegend auch friedlich zu erzählen unterstreicht, während die Ideen nicht unbedingt aus der Masse der Pulp Science Fiction herausragen. 

Das Titelbild des Terra Heftromans gibt aber zu viele zu konträre Informationen Preis, während die Neuauflage im Heyne Verlag fast zu bieder, zu geheimnisvoll konservativ und mahnend angesichts des „Invasion durch einen unglücklichen Zufall“ Plots erscheint.   

Bildergebnis für john brunner, warnung, terra

Pabel Verlag

Heftroman, 64 Seiten