William Shatner und David Fisher
William Shatners in Zusammenarbeit mit David Fisher entstandene Autobiographie "Lebe Lang" ist inzwischen das dritte Buch über das eigene Leben. Es ist nicht unbedingt notwendig, "Durch das Universum bis hierher" und "Spock und ich: mein Freund Leonard Nimoy" zu kennen, um die vorliegende ergänzende Fassung zu lesen. Vielmehr entpuppt sich "William Shatner im Gegensatz zur ihm oft vorgeworfenen Arroganz - auch auf diesen Punkt geht er ein - als Plauderer, als Mensch, der Menschen weniger etwas mitteilen, als mit ihnen sprechen möchte.
Das der Titel dem ersten Teil der vulkanischen Grußformel entspricht, ist kein Zufall. William Shatner betont immer wieder, dass er ein langes und glückliches Leben hinter sich hat. ER ist aber nicht mit dem Erreichten zufrieden. Wie alle Menschen weiß er, dass er irgendwann sterben muss. Er möchte diesen Zeitpunkt aber positiv gesprochen weit aufschieben. Wie Shatner sagt, es ist ein Unterschied, einen geliebten Menschen oder eines seiner zahlreichen Tiere zu verlieren oder selbst am Abgrund zu stehen und dem Tod in die Augen zu stehen. Diesen Moment will er möglichst weit aufschieben. Das Thema Tod findet sich immer wieder in dem Buch.
Der Tod Leonard Nimoys, eines seiner besten Freunde. In den letzten Jahren hat dieser jeglichen Kontakt mit Shatner abgelehnt. Eine offene Wunde, die sich der Autor nicht erklären kann. Da es sich um eine Autobiographie handelt, ergänzt David Fisher auch keine Daten und stehen einige Behauptungen subjektiv alleine aus Shatners Perspektive im Raum.
Der Kontakt zu Christopher Reeve. Beide sind Pferdenarren gewesen. Während sich Shatner vorsichtig zu einem aus seiner Sicht guten Reiter entwickelt hat und immer großen Respekt vor der Kraft der Tiere zeigte, geht er kurz aus seiner persönlichen Sicht auf den Reitunfall Reeves ein. Vielleicht hat dessen kräftiger Körperbau den Unfall begünstigt, in dem sein Gleichgewichtspunkt zu weit vom Rücken des Pferdes weg gewesen ist. Beklemmend ist die Begegnung nach dem Unfall, als Shatner nicht in der Lage gewesen ist, mit Reeve ein Gespräch zu führen, bis es auf das Thema von Pferden ging.
William Shatner hat bis auf seine letzte vierte Frau mehr Tiere als Menschen geliebt. Er spricht von seiner Pferdezucht, seinem Leben mit Hunden und der Tatsache, dass er nach der Einstellung der Originalserie "Raumschiff Enterprise" als Vater von drei Kindern mit fünfzehn Dollar in der Tasche - ein wenig melodramatisch und anscheinend auch falsch, den er hat sich einen alten Pickup gekauft und ihn umgebaut - da stand und drei Jahre nur mit seinem Hund für ein Sommertheater auf Tour gegangen ist, um Geld zu verdienen.
Tiere stellen für ihn, nicht nur für einen gestandenen Schauspieler, sondern den Menschen William Shatner im Grunde das Grundprinzip der Ehrlichkeit da. HUnde sind treu, zwar suchen sie sich ihre menschlichen Partner auch ein wenig aus, danach sind sie aber ehrlich, versuchen die Menschen nicht nur zu begleiten, sondern auch zu schützen und vor allem immer immer an deren Seite zu leiben. Auch der Kontakt zu Pferden unterscheidet sich stark vom zwischenmenschlichen Verhalten. In Perfektion bilden Roß und Reiter eine untrennbare Einheit. Das Vertrauen muss sich der Mensch bei den Pferden stärker verdienen, aber wie bei Hunden hält es ein Leben lang.
Dagegen stehen seine vier Ehen. Shatner geht nicht auf alle Frauen gleichberechtigt ein. Seine jetzige Ehe, aufgebaut auf den Trennungen ihrer Beiden, aber auch gemeinsame Interessen scheint auf dem stabilisten Fundament zu stehen. Ob es mit der Reife, den ERfahrungen des Alters zu tun hat oder sich abschließend zwei Charaktere einfach gefunden haben, kann und will Shatner nicht weiter erklären. Er fürchtet sich wahrscheinlich, wenn er zu sehr in die Details geht, verliert sich diese Magie. Auf die ersten Ehe - die Mutter seiner drei Kinder - geht er nur bedingt ein. Keine einfache Scheidung, ein Leben weit über den Verhältnissen seines Rollengehaltes als Captain Kirk und schließlich die Einsamkeit. Dazwischen greift er den Selbstmord seiner dritten Ehefrau auf. Alkoholikerin, depressiv. Es ist ein Thema, das Shatner durch eine sensible Oberflächlichkeit immer wieder anspricht, um seinen eigenen Charakter inklusiv der eigenen Scheu vor Menschen basierend auf der Einsamkeit in der Schule gegenüber zu stellen und darzulegen, das das Leben eine wilde Fahrt auf einem reißedenn Fluß ist. Es gibt ruhige Abschnitte, aber auch Stromschnellen. Es ist vielleicht die einzige Reise, dessen Ende die Menschen nicht unbedingt erleben möchten- den Tod.
Natürlich interessieren sich die Leser auch für William Shatner, den Schauspieler. Hier zeigt sich eine gewisse Ambivalenz. Über Captain Kirk als Rolle seines Lebens, als Charakter, der ihn berühmt und schließlich über die zahlreichen Kinofilme auch sehr vermögend machen sollte, spricht er nur bedingt. Er versucht zu zeigen, wie schwierig es gewesen ist, immer jede Woche den Held zu spielen oder geht auf die damals noch primitiven Trickeffekte ein. Viel mehr fühlt er sich zu anderen Protagonisten seines Lebens hingezogen. Da schreibt er über den weißen Rassisten in Roger Cormans "WHite Terror" - ein Film, der eine Wiederentdeckung Wert ist - oder über die Figur des Anwalts in "Boston Legals", der mehr mit der eigenen Krankheit zu kämpfen hat als vor Gericht. Es ist vielleicht auch die Figur, die dem wahren Shatner am Nächsten kommt. Ein Mann, der immer Profi ist und sich hier keine Schwächen erlauben möchte, der aber wie einige Schauspieler seine weiche Seite hinter einer Fassade verbürgt. Nicht umsonst sind anscheinend so viele Schauspieler Alkoholiker oder Drogenabhängig, immer ängstlich bemüht, in der Öffentlichkeit perfekt zu erscheinen.
Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Werk zeigt aber auch eine Charakterschwäche Shatners, ER ist stolz und manchmal verwundert über die vielen Sachen, die er mit erschaffen hat. Aber wenn es zum Beispiel um "Star Trek" V geht, spricht er nur davon, dass seine ursprüngliche Idee - ein außerirdisches Wesen, das sich gottgleich sah - verworfen und verändert worden ist. Kein Wort von den Auseinandersetzungen mit Leonard Nimoy, der ja beim Vorgängerfilm so erfolgreich Regie geführt und bewiesen hat, wieviel Potential in der Reihe noch steckt, wenn man Autoren von außen zu lässt. Es ist ja nicht nur die weichgespülte Idee, welche "Star Trek" V zu einem Desaster machen sollte. Eine kritische Auseinandrsetzung mit dem eigenen Werk findet nicht statt. Muss es vielleicht auch nicht, denn William Shatner geht es vor allem darum zu erklären, dass er immer noch versucht, ein Profi zu sein, der in Schundfilmen wie in erfolgreichen Serien, auf der Bühne im Team oder als Soloentertainer vor allem immer versucht hat, professionell sein Bestes zu geben. Ob er vor allem vor Beginn der Produktionen über einige Allüren verfügte oder seine gute Position durchzusetzen suchte, wird nicht weiter erläutert. Es spielt auch im Grunde keine Rolle. Shatner versucht aufzuzeigen, dass er sich niemals für einen großartigen Schauspieler oder gar einen Star gehalten hat, sondern auch einen Menschen, der immer wieder auf den Anruf seines Agenten, auf ein Angebot gewartet hat. Die Angst vor dem Vergessenwerden, vor den fehlenden Einnahmen und jetzt vor dem Respekt der Öffentlichkeit zieht sich durch das ganze Buch und macht den Charakter deutlich zugänglicher, sympatischer als es vielleicht viele Menschen aus den öffentlichen Informationen schließen könnten.
William Shatner stellt sein Leben niemals als fehlerlos oder perfekt da. Er hat eine Stufe des Glücks, der persönlichen Zufriedenheit gefunden, sucht aber immer noch die Herausforderung. Rasten heißt für ihn rosten. Das ist nicht nur glaubwürdig, sondern dürfte Motivation für viele Menschen sein, auch im hohen Alter aktiv zu bleiben und das zu machen, was Spaß mit Herausforderungen verbindet. Da fällt es Shatner natürlich ein wenig leichter, weil er finanziell abgesichert ist. Aber darum geht es ihm im Grunde gar nicht. Selbst kleine Aktivitäten wie das Hundehalten, die Liebe zu ausgestoßenen Kreaturen oder die alltägliche Neugierde auf die Welt da draußen zählen zu den positiven Impulsen, welche den Geist - von Krankheiten abgesehen - wach halten. Vielleicht ist es aber auch nur die begründete Angst vor dem Tod, vor dem Ende, die William Shatner im positiven Sinne antreibt und fordert.
Welche Motive er hat, werden sich nur bedingt erschließen. Auch wenn William Shatner einen Teil seiner Seele öffnet und an einigen Stellen des Buches sehr intime Dinge verrät, verweist er immer wieder auf die Tatsache, dass er keine Ratschläge geben kann und will. Jeder Mensch muss seinen eigenen Weg finden und gehen. Das gilt für finanzielle Dinge wie auch das persönliche Leben. An diesem Punkt fragt sich der Leser, warum Shatner dann überhaupt drei Autobiographien geschrieben hat, wenn er seine Leser nicht "aufklären", vielleicht ein wenig belehren möchte. Sie bringen einem den Menschen William Shatner nicht einmal aus der neutralen Position einer Biographie, sondern in diesem Fall als eine Art Streifzug durch ein langes Leben näher. David Fisher und WIlliam Shatner gehen dabei den Weg des subjektiven und vielleicht auch unzverlässigen Erzählers, der wie bei einem Theaterstück das Publikum auffordert, das Stück anzuschauen und aus ihrer jeweiligen persönlichen Perspektive darüber nachzudenken, aber niemals in den Verlauf der Handlung einzugreifen oder auch nur auf den Gedanken zu kommen, die Handlungen der Protagonisten eins zu eins auf ihre eigenen Leben zu übertragen.
Der Hannibal Verlag hat der deutschen Ausgabe den Hinweis beigefügt, die Star Trek Legende erzählt. Das ist richtig. William Shatner erzählt aus seinem Leben, sprunghaft, emotional und gleichzeitig an einigen Stellen auch berührend. Nicht mehr, aber vor allem auch nicht weniger. Nach der Lektüre kennt man den Menschen William Shatner losgelöst von seinen berühmten Rollen ein wenig besser, aber auch nicht ganz. Das kann man auch nicht erwarten. Das Buch ist wie eine Begegnung auf einem Coktailabend, es wird nett geplaudert, ein wenig getrunken und man verabschiedet sich höflich bis zum nächsten Mal. Insgeheim hofft man, dass dieses Treffen nicht auf einer Beerdigung stattfindet.
- Broschiert: 200 Seiten
- Verlag: Hannibal Verlag; Auflage: 1 (21. März 2019)
- Sprache: Deutsch
- ISBN-10: 3854456646
- ISBN-13: 978-3854456643
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