Die besten Stories von 1939

Isaac Asimov (Hrsg.)

In seinem Vorwort schreibt Isaac Asimov über die Bedeutung des Jahres 139. Neben der fatalen zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs führenden politischen Kette ist nicht nur der erste Weltcon in New York anlässlich der Weltausstellung hervorzuheben, sondern das Debüt von Autoren wie Isaac Asimov, Alfred Bester, van Vogt, Heinlein, Fritz Leiber oder Sturgeon in einem einzigen Jahr.  

Drei der Autoren – Heinlein, Sturgeon und van Vogt – sind mit ihren ersten veröffentlichten Geschichten in dieser Anthologie vertreten, während nur Alfred Bester nicht zu den in diesem Sammelband vertretenen Debütanten des Jahres 1939 gehört.

Robert A. Heinleins „Die Lebenslinie“   zeigt auch heute noch eindrucksvoll, warum er viele Jahre das Genre mit seinem konservativen, aber auch ausgesprochen pragmatischen Ansichten dominieren soll. Ein exzentrischer Erfinder hat eine Möglichkeit gefunden, die Lebenserwartung bis auf einem Abweichung von weniger als einem Prozent Wahrscheinlichkeit zu berechnen. Die Wissenschaft sieht ihn als Scharlatan, die Versicherungsindustrie als Gefährdung ihres eitlen Wohlstandes. Die Rechtfertigung des Erfinders ist das Herzstück dieser Story, während das Ende in doppelter Hinsicht ausgesprochen tragisch ist. Für einen Debütanten eine überzeugend humanistische und gleichzeitig doch originelle Story.

Alfred Elton van Vogts Geschichte „Der schwarze Zerstörer“ ist nicht nur das Herzstück seines Fugenromans mit den Abenteuern der Space Beagle und mindestens eine Inspiration für „Alien“, es ist eine der klassischen Monster im All Geschichten, in denen der Autor eine wirklich fremdartige Kreatur erschaffen hat, die mit menschlicher Logik hinsichtlich ihrer Handlungen nicht zu erklären ist.  Die Originalgeschichte ist aber in einen Punkten auch deutlich schwächer als die späteren sechs Kapitel im angesprochenen Roman. Der multidisziplinäre Ansatz im Kontakt mit fremden Rassen – vertreten durch den Forscher Elliott Grosvenor – fehlt in der Kurzgeschichte.

Der Plot ist stringent mit den Außerirdischen, die quasi auf die Menschen warten, weil sie sich selbst ihrer bisherigen Nahrungsquelle durch maßloses Töten beraubt haben. Die Menschen reagieren anfänglich menschlich, aber schließlich geht es ums eigene Überleben und es kommt zum bekannten Kampf Mann gegen Kreatur. Auch wenn die Abschnitte im „Space Beagle“ Roman deutlich geschmeidiger sind, ist es empfehlenswert, auch die Urfassung wenigstens einmal gelesen zu haben.

Theodore Sturgeons Story Ärger im Äther“ setzt sich nicht mit fremden Wesen auseinander. Es ist ohne Frage eine der besseren Texte des Jahres 1939, in Sturgeons umfangreichen Kurzgeschichtenkanon handelt es sich um eine interessante, aber auch ein wenig schematische komödiantische Kurzgeschichte, während ihm sonst noch mehr die humanistische Tragik liegt.  „Die Muschel“ des Schriftstellers Hamilton soll verfilmt eine der ersten Sendungen des Farbfernsehens werden. Nicht kommt es bei der Liveausstrahlung zu peinlichen Abweichungen gegenüber dem Drehbuch. Die schwarzweiße Aufzeichnung der Sendung weißt diese Abweichungen nicht auf. Bei der Suche nach der Ursache im „Äther“ machen Hamilton und die Wissenschaftler natürlich eine erstaunliche Entdeckung. Sturgeon nimmt nicht nur das in den dreißiger Jahren ja noch futuristisch erscheinende Fernsehen – es gab ja nur Tests – auf die Schippe, auch mit den trockenen Komödien oder Lustspielen im Kino nimmt er es auf. Die Dialoge sind pointiert, die Figuren mit einem Hang zur Übertreibung ausgezeichnet charakterisiert, wenn auch das Ende der Geschichte vorhersehbar ist.

Die Anthologie wird mit der Geschichte „I Robot“ eröffnet. Isaac Asimov schreibt selbst, dass er niemals wollte, das der Titel von Eando Binders Kurzgeschichte – hinter dem Pseudonym standen zu dieser Zeit noch zwei Brüder – für seine spätere Sammlung von Robotergeschichten genommen werden sollte. Natürlich hat ihn der Text um das tragische Schicksal eines der ersten Roboter berührt. Die Binders machen gegen Ende von ihrer Hommage an Frankenstein und seine Kreatur aktiv Gebrauch, in dem der ersten Roboter – er heißt Adam Link – Shelleys Buch im Schrank seines Schöpfers findet. Durch einen Unfall kommt sein „Vater“ ums Leben. Zusammen mit dessen treuen Hund befindet er sich auf der Flucht vor den dummen Menschenmassen. Das Ende der Kurzgeschichte ist tragisch, anrührend, aber nur eine Momentaufnahme. Weitere Robotergeschichten um Adam Link sollten folgen, diese sind auch in einem Buch mit dem entsprechenden Hinweis auf den Namen des Protagonisten zusammengefasst worden. Aber „Ich, der Robot“ ist ein perfekter, ein emotional aufwühlender Auftakt zu einer der alleine aufgrund seiner geschichtlichen Bedeutung wichtigsten Anthologien.

Die zweite Robotergeschichte „Rost“ von Joseph E. Kelleam nimmt eher Simaks melancholische Geschichte um eine vergangene Zukunft als Vorbild. Nur noch eine Handvoll Roboter haben die extremen Kriege überlebt, die Menschen haben sich ausgerottet. Verzweifelt versuchen sie gegen den natürlichen Verfall durch Rost anzukämpfen und eigenen Nachwuchs zu erschaffen. Die Story ist bis zum konsequenten nihilistischen Ende überzeugend geschrieben und setzt trotz ihrer Kürze die richtige Akzente.

Robert Bloch wird meistens mit dem Begriff des Horrors in Zusammenhang gebracht. Er hat auch Science Fiction Storys geschrieben, wobei ausgerechnet Richard Claytons seltsame Reise“ eben tatsächlich auch mehr eine Horrorstory, ein früher Beitrag zur „Twillight Zone“ ist. Richard Clayton will alleine in seinem Raumschiff zum Mars fliegen. Der Start scheint zu gelingen, aber das Schiff beginnt zu vibrieren. Isoliert, alleine, auf sich gestellt beginnt Clayton wahnsinnig zu werden, bis er schließlich aus dem Raumschiff geholt wird. Auch wenn der Text intensiv verfasst worden ist und Robert Bloch die Isolation des Mannes auf kleinstem Raum ohne Bücher oder Kontakt zum Umwelt intensiv und nachvollziehbar beschreibt, leidet der Text wie „Ärger im Äther“ unter einer Schwäche.

 Bei Sturgeon verfügten die Menschen seit mehreren Jahren über Atomenergie, welche zum Betreiben von Farbfernsehern notwendig ist. Das wirkt genau unlogisch wie die Tatsache, dass Claytons Raumschiff vor allem in der Position, in der es sich befunden hat, nicht von Funkwellen erreicht werden könnte. Bloch versucht zwar zu erklären, das wirklich fast alles an Gewicht eingespart worden ist, aber wer sich künstlich mittels Tabletten nicht nur ernähren, sondern auch seinen Durst löschen kann, wird auch ein ganz kleines Funkgerät an Bord nehmen können. 

Der Idee, die Gefahren der Erforschung des Alls herauszustellen, schließt sich Isaac Asimov mit seiner dritten verkauften Geschichte „Tendenzen“ aus. Religiöse Fanatiker wollen den ersten Raketenstart inklusiv einer Mondumrundung verhindern. Dabei scheuen sie auch nicht vor Gewalt zurück. Wie bei Robert Bloch ist der größte Teil der Expedition privat finanziert. Das in mehrfacher Hinsicht pathetisch erscheinende Happy End zeigt, dass der Ideenmensch Isaac Asimov in der Frühphase seiner Karriere noch als Konstrukteur seiner persönlichen Zukunft arbeiten muss.

 Milton A. Rothmanns „Schwere Welt“ ist eine der wenigen klassischen Hard Science Fiction Geschichten mit dem Kampf um ein abgestürztes außerirdisches Raumschiff. Der Plot ist solide, die Charaktere wirken aber ein wenig oberflächlich und das Finale hektisch.  

 Der eher als Herausgeber bekannte H.L.Gold präsentiert mit „Der Ärger mit dem Wasser“ eine eher phantastisch humoristische Geschichte. Ein Geizhals streitet sich mit einem Wassergnom, der zusammen mit dem Landwirtschaftsministerium für die Auffrischung der Fischbestände zuständig ist. Fortan kann er kein reines Wasser mehr anfassen oder auf der Haut ertragen, was bei einem Bierhasser und vor allem auch Grillhüttenbesitzer natürlich zu Komplikationen führt. Der Autor führt die Geschichte zwar zu einem Happy End, kann sich aber eine Reihe von Seitenhieben bis zum Übers-Wasser-laufen in dem kurzweiligen Text nicht verkneifen.

 Auch Henry Kuttner hat sich im Gegensatz zu seiner ebenfalls in dieser Anthologie vertretenen Gattin C. L. Moore in „Der fehlgeleitete Heiligenschein“ mit einer grandios einfachen, aber perfekt umgesetzten Idee auseinandergesetzt. Ein Engel sieht den eigentlichen Empfänger eines neuen Heiligenscheins als unwürdig an und gibt ihn an einen unbescholtenen durchschnittlichen Amerikaner mit natürlich gravierenden Folgen. Humorvoll, ein wenig augenzwinkernd aber wie H.L. Golds Geschichte ungemein unterhaltsam. 

 Lester Del Rey ist einer der am meisten unterschätzten Autoren des Genres. Immer ein Auge auf den Geist der Zeit sind viele seiner Jugendbücher im Schatten von Robert A Heinlein zu Unrecht in Vergessenheit geraten. „Feierabend“ – im Original sehr viel doppeldeutiger wie passender „The Day in Done“ betitelt – beschreibt er den Abschied des Neandertalers und den Aufstieg des Homo Saphiens in einer zeitlosen Parabel mit vielen Anspielungen auf die Gegenwart. Ohne Pathos oder Kitsch emotional überzeugend und nachdenklich stimmend komponiert erhält der Leser erst nach und nach den Eindruck, als wenn die Geschichte eben nicht in der finsteren Vergangenheit spielt, sondern die letzten Neandertaler die Nachbarn von Gegenüber sein könnten.    

 L. Sprague de Camp folgt irgendwie Lester Del Rey mit einer weiteren Science Fantasy Geschichte. Um die Adoption seines Sohns zu erklären muss der Vater weit ausholen. Es geht um ein abgeschiedenes Tal mit bunten Tieren, der möglichen Zwangsheirat mit einer Eingeborenen und schließlich radioaktiven Experimenten. Der Titel „Die blaue Giraffe“ ist in diesem Fall Programm, wobei de Camp nicht das Flair eines Haggard oder Arthur Conan Doyle trotz eines extrem britischen Protagonisten erreicht.

 Nicht nur zu den längsten, sondern lange Zeit auch zu den besten und wahrscheinlich auch dem Zeitgeist der dreißiger Jahre kritisch gegenüberstehenden Geschichten gehört C.L. Moores „Mächtiger als die Götter“. Es kann sich um eine Science Fiction Variante von Disneys „Weihnachtsgeschichte“ handeln, denn der Forscher muss mit der Entscheidung, welche von zwei Frauen er heiraten möchte, auch über die Zukunft der menschlichen Rasse entscheiden. Bis dahin hat er durch genetische Manipulation allerdings in Kombination mit einer Beeinflussung des Selbstbestimmungszentrum die Möglichkeit geschaffen, vor der Geburt über das Geschlecht des Kindes zu bestimmen. Zwei seiner Urahnen wollen ihm ihre jeweiligen Zukünfte zeigen, wobei paradiesische friedliche weibliche Demokratie auf eine faschistische diktatorische Kriegsmonarchie trifft. C. L. Moore greift am Ende zu einem kleinen Trick, mit dem sie ihrer ansonsten nachdenklich stimmenden Geschichte den Boden entzieht. Aber ihre Argumente sind beiden Seiten gegenüber schlüssig, so dass „Mächtiger als die Götter“ nicht ironisch, sondern durchaus ernst zu verstehen ist. Eine sehr gute Charakterisierung der Protagonisten unterstreichen, das sie heute fast vergessene C.L. Moore eine Wiederentdeckung mit ihren phantastischen Geschichten mehr als verdient hat.     

 In zwischenmenschlicher Hinsicht ragt die in den fünfziger Jahren vom Hammer Studio verfilmte Story „Das vierseitige Dreieck“ von William F. Temple aus der Masse heraus. Die Idee, eine geliebte Frau zu kopieren, wird dabei in mehrfacher Hinsicht sehr viel besser als bei der dramaturgisch intensiveren Verfilmung auf die Spitze getrieben. Vielleicht agieren die Protagonisten ein wenig schematisch, aber als interessante Betrachtung mit einer erstaunlich offenen Pointe wirkt der Text zeitlos.

Jack Williamson beschließt die Geschichte mit einer Hommage an H.G. Wells, der auch namentlich erwähnt wird. In „Die Sternschnuppe“ wird ein nicht nur von seinem mickrigen Gehalt, sondern der Familie in den Ruin getriebene Buchhalter – eine wahrlich unscheinbare Persönlichkeit – Opfer eines kleinen Meteoriten, der sich in sein Hirn gräbt und es ihm ermöglicht, Dinge entstehen zu lassen. Natürlich mit den entsprechenden Schwierigkeiten, denn in vielen Bereichen fehlt dem Mann einfach das Wissen. Eine sehr humanistische, sehr ansprechende Geschichte mit einem überzeugenden, wenn auch ein wenig hektisch entwickelten Ende.

Wie die vier Folgebände ist „Die besten Stories von 1939“ eine Pflichtlektüre. Der Beginn nicht nur des Golden Age der Science Fiction, wie die hier gesammelten Kurzgeschichten beweisen. Es sind erstaunlich wenige Space Operas – nur drei Geschichten spielen im All – vorhanden, viel mehr geht es um den Menschen an sich und sein Schicksal angesichts unterschiedlicher Herausforderungen. Isaac Asimovs Einleitungen in Kombination mit den sachlichen Texten Martin Greenbergs sind gut zu lesen, zumal Asimov vieles aus der persönlichen Perspektive subjektiv, aber informativ berichten kann.

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Playboy Science Fiction

Taschenbuch, 380 Seiten