The Magazine of Fantasy & Science Fiction May/ June 2019

C.C. Finlay (Hrsg)

Der Frühsommer bei „The Magazine of Fantasy & Science Fiction“ ist höflich gesprochen launisch. Das beginnt beim kritischen Blick auf die Netflix Produktion „The Bird Cage“ über die ausgesprochen ambivalenten Buchrezensionen und endet bei zwei Handvoll von Kurzgeschichten, einer Novelle und einem Nachdruck, die durchschnittlich alle nicht wirklich überzeugen können. Die Texte sind ambitioniert, ihnen fehlt aber eine innere Richtung.

Andy Dudak eröffnet die Ausgabe mit „The Abundance“ bestehend aus nicht nur Versatzstücken im Werk des Autors. Ein Mann mit einer schwierigen Vergangenheit lebt auf einem entfernten Planeten. Immer mehr Veteranen aus einem Krieg tauchen auf, während der Mann sich parallel an die eigene nicht glorreiche Vergangenheit erinnert.

Die Charaktere sind höchstens solide gezeichnet, ihre Handlungen eher pragmatisch und vor allem die erdrückende Vergangenheit besteht aus Fragmenten, so dass sich kein kontinuierliches Bild entwickelt.

Theoretisch könnte „How to Kiss a Hojacki” von Debbie Urbanski alles Mögliche sein. Menschen beginnen sich zu verändern. Anscheinend sind die Hojacki asexuelle Wesen, die sich mehr und mehr von ihrer Umgebung isolieren. Der Leser verfolgt diese ohne einen festen Grund einsetzende Entwicklung vor allem aus den Augen des lange Zeit noch geduldigen und liebevollen Ehemanns. Die politischen Bezüge der Präsidentenwahl scheinen genauso wie die utopischen Ideen aufgesetzt. Vor allem leidet der Text unter dem Recycling von Ideen, die Debbie Urbanski schon in einer Geschichte für „Strange Horizons“ verwandt hat. Die abschließende Unentschlossenheit hinsichtlich der Ausgangsbasis für diese Hojacki Transformationarbeitet trotz der nicht sympathisch, aber dreidimensional gezeichneten Figuren abschließend gegen den Plot.

 Mit Lavie Tidhars „New Atlantis“ wird nur eine Novelle präsentiert. Die Handlung fasst die Protagonistin im Grunde selbst zusammen. Sie empfängt eine Nachricht, sie geht auf eine lange Reise, findet eine tragische Liebe und kehrt mit ihren Erinnerungen wieder zurück.  Es sind die Details, welche den Text lesenswert machen. Die Welt ist durch die Zerstörung des Mondes aus dem Gleichgewicht geraten, die bekannte Zivilisation zerstört und in die Primitivität zurückgefallen. Die Erzählerin wird genötigt, weil man in Großbritannien ein VR Habitat gefunden hat, in das sie aufgrund ihrer Ausbildung eintauchen kann. Die Route ist ohne Frage eine lebensgefährliche Herausforderung und der Autor bietet so viele Einzelheiten an, dass der Text vor Leben und Fakten förmlich übersprüht. Auch wenn einzelne Abschnitte „verkürzt“ worden sind.  Der Unterton ist ein wenig zu theatralisch, zu belehrend. Aber das ist auch ein stilistisches Markenzeichen des israelischen Autoren, der dieses Momentum ein wenig zu oft einsetzt. Der Hintergrund ist ohne Frage interessant, alleine die Pointe lässt zu viele Wünsche offen. Die Figuren sind zugänglich gezeichnet, vor allem die Erzählerin ist pragmatisch und weiblich emotional zugleich. Solide Unterhaltung, aber leider nicht eine seiner besten  Novellen.     

Der Titel ist der Längste. „ Apocalypse Considered Through a Helix of Semiprecious Foods and Recipes” ist eine Anspielung auf eine Samuel R. Delany Geschichte. Tobias S. Buckell hängt die Erwartungshaltung sehr hoch. Der Titel scheint in einem starken Kontrast zum Inhalt dieser fünf Vignetten zu stehen, in denen dystopische Experimente beschrieben werden. Keines ist wirklich originell oder konsequent genug erzählt. Die Kürze unterstreicht, dass es Buckell eher um Stimmungen denn Handlungen geht. Und Buckell ist eher ein Autor, der einen roten Faden haben muss, um als Erzähler und vor allem als Szenarist zu brillieren. Ein intellektueller Delany wird er niemals werden und  dieses Ziel sollte er auch nicht anstreben.

In der Fantasy/ Märchenecke haben sich auch einige Geschichten gesammelt. Kelly Barnhill versucht in „Thirty-Three Wicked Daughters“ im Grunde etwas Unmögliches. Zu viele Charaktere mit zu gleichen Charakterzügen umgeben von einem klischeehaften eindimensionalen und anscheinend immer seniler werdenden König buhlen um die Gunst des Lesers, wobei ihre Handlungen ausgesprochen kompliziert erscheinen und sich die Autorin in visuellen Bildern verstrickt, die ins Nichts führen.

Dagegen schafft es Bruce McAllister in seiner kleinen Story „Breath“ – sie spielt im gleichen Universum wie „DreamPet“ – aus einem buchstäblich alltäglichen Problem einer Familie, die verzweifelt egal auf welche Art und Weise Nachwuchs haben möchte, ein interessantes und nachdenklich stimmendes Szenario zu machen.

David Gullens „The Moss Kings“ ist eine Hommage der King Arthur Saga mit den Hütern des Landes, die sich mehr als Unterdrücker der archaischen Zivilisation erweisen.  Auch wenn die inhaltlichen Versatzstücke wie die Vorbereitung eines Menschenopfers eher klischeehaft sind, gelingt es dem Autoren, mit seinem einfühlsamen Stil und vor allem dem eher rudimentär, aber neugierig machenden Hintergrund zu überzeugen.

In eine vergleichbare Kategorie gehört „Second Skin“ von Pip Coen. Ein im Grunde im Ruhestand befindlicher Farmer nimmt einen Schüler auf. Sie verfügt über seltsame Fähigkeiten. Das große Problem dieser Geschichte ist, dass die Autorin mit den entsprechenden Fähigkeiten sehr ambivalent umgeht. Ein grundlegender roter Faden ist nicht zu erkennen. Auch wenn die Figuren solide gezeichnet worden sind, springt der Funke nicht über. Andere Horroroautoren haben aus weniger interessanten Plots sehr viel mehr gemacht.

Rebecca Campbells „The Fourth Trimester is the Strangest“  ist eine dieser Geschichten, die wahrscheinlich wegen der posttraumatischen Erlebnisse nach oder den Ängsten während einer Schwangerschaft eher die weiblichen Leser anspricht. Das soll aber keine Entschuldigung für einen Text sein, der im Grunde weniger fokussiert und konzentriert geschrieben worden ist. Einzelne Szenen wirken effektiv und konsequent, danach verliert der Plot wieder seinen Handlungsfaden. Mit dieser unglücklichen Konzeption reiht sich die Geschichte in das durchschnittliche bis unverständliche Niveau dieser Ausgabe nahtlos ein.

Daneben schließen wieder zwei Gedichte sowie ein sekundärwissenschaftlicher Beitrag die Ausgabe ab. Zusammengefasst wirkt C. C. Finlay wie sein Kollege Neil Clarke bei „Clarkesworld“ überambitioniert und versucht, künstlerische Noten zu finden, die unnötig sind. Viele der Storys lassen einen konsequenten roten Faden vermissen, so dass durchaus vorhandenes Potential nicht gehoben wird. Das wird in den letzten Ausgaben bei ein oder zwei Geschichten immer der Fall, aber leider häuft es sich beginnend bei der stimmungsvollen, aber wenig überraschenden Novelle und endend bei den zu experimentellen Texten sowohl Buckells für die Science Fiction als auch Campbell für den Mamahorror. Da nützt auch nicht das interessante Titelbild, das in dieser Form in Lavie Tidhars Novelle sich nicht wiederfindet.

Bildergebnis für magazine of fantasy and science fiction 05/06 2019

Paperback, 256 Seiten