James Bond Spezialakten

Kieron Gillen, Ibrahim Moustafa, Declan Shalvey

Das Album „James Bond- Spezialakten“ besteht aus vier Oneshots unterschiedlicher Autoren und Künstler, die für den vorliegenden Band zusammengefasst worden sind.

 Ein verbindendes Element aller vier Geschichten ist die Vergangenheit. Dabei hat „M“ einmal direkt und einmal indirekt die Hauptrolle.

  „Service“ von Kieron Gillen und Antonio Fuso ist zusammen mit „Solstice“ auf den ersten Blick eine klassische James Bond Mission. Ein Attentäter möchte auf die gegenüber Großbritannien abwertenden Bemerkungen des neuen amerikanischen Außenministers bei dessen Besuch mit einem Anschlag reagieren. James Bond soll anfänglich nur informell im eigenen Land den vagen kryptischen Hinweisen folgen. Dabei stellt sich heraus, das der Attentäter den Enigmacode verwendet.

 James Bond muss schließlich wie meistens auf sich alleine gestellt den Attentäter verfolgen. Grundsätzlich wirken die beiden Autoren eher bemüht. Insbesondere vor dem Versteck der als Neonazis agierenden Attentäter wirkt der Agent mit der Lizenz zu Töten schrecklich naiv. Auf der anderen Seite verführt das Geltungsbewusstsein die Verschwörer dazu, den Agenten mit an den Tatort zu nehmen. Bei konsequenterer Vorgehensweise wäre die grundlegende Mission der Opponenten erfolgreicher gewesen.

 „Solstice“ von Ibrahim Moustafas benutzt auch eine derartige Unvorsichtigkeit des Agenten, um die Handlung zu einem blutigen, aber auch pragmatischen Ende zu bringen. James Bond soll in Paris inoffiziell einen Russen beschatten, der mit einer Tochter eines hochrangigen Geheimdienstangestellten liiert ist. M hat Angst, das sie vielleicht als Faustpfand benutzt wird. Es ist erstaunlich, dass James Bond nicht einen Moment in dieser Hinsicht auf den richtigen Gedanken kommt. Sich selbst in Gefahr bringend und naiv agierend gelingt es ihm schließlich, den Fall abzuschließen und vor allem die Tochter von allen falschen Fährten abzulenken.

 „M“ von Declan Shalvey und PJ Holden konzentriert sich auf die aktuelle Gegenwart des Brexit. Damit wird der Vorhang der Zeitlosigkeit wie bei „Service“ durchbrochen. „M“ erhält eine seltsame Botschaft und reist nach Irland, wo seine Karriere in der britischen Armee begonnen hat. Er wird erpresst und soll die Liste der Überläufer und Verräter aus der Zeit vor dem Karfreitagabkommen  seinem ehemaligen Vorgesetzten übergehen, der vor dem Inkrafttreten des Brexit die einzige Chance auf Rache wittert. „M“ ist die beste Geschichte dieser Ausgabe. James Bond charismatischer und nicht zuletzt dank verschiedenen Schauspielern in den Daniel Craig Filmen dunkler und weniger behütet erscheinender Chef hat vor vielen Jahren nicht ein Verbrechen begangen, wie es der Klappentext fälschlicherweise impliziert, sondern im Rahmen seines Diensts als Soldat einen verhängnisvollen Fehler begangen. Dieser Fehler könnte ihm seine Karriere kosten. Das muss nicht zwangsläufig so sein, aber er kann sich auch keine offene Flanke erlauben.

 Die Auflösung der Geschichte ist wunderbar pragmatisch. In einer dunklen Gasse begegnen sich auf eine ungewöhnliche Art und Weise Vergangenheit und Gegenwart, wobei die Autoren implizieren, dass „M“ in diesem Fall weniger Opfer als Täter ist, der die Chance nutzt, seine eigene Vergangenheit „rein zu waschen“. Damit die Geschichte funktioniert, müssen die Leser den „falschen Spuren“ folgen und auch der Ansicht sein, dass M das Zepter des Handelns aus den Händen gegeben hat.

 Das Ende ist wie angedeutet passend und schließt hoffentlich ein dunkles, niemals wiederkehrendes Kapitel der irischen Vergangenheit ab.

 „Moneypenny“ von Jody Houser und Jacob Edgar weckt die größten Erwartungen. Immer hat sich die Figur der ewigen Sekretärin und James Bond Flirtobjekt in den letzten Jahren sehr verändert. Dabei wird in allen vier Texten nur auf die junge attraktive Farbige eingegangen. Vergangenheit und Zukunft fallen zusammen. Moneypennys Eltern sind bei einem Terroranschlag ums Leben gekommen. In der Schule gehänselt wird sie zu einer der besten Agentinnen des britischen Geheimdienstes. Auf einer Mission erkennt sie Spuren des damaligen Terroranschlages wieder und versucht mit Instinkt, Mut und vor allem Entschlossenheit die von ihr zu schützende Zielperson in Sicherheit zu bringen. Die Autoren stellen immer wieder Vergangenheit und Gegenwart auf jeweils einer Seite gegenüber. Das erschwert nicht unbedingt die Lektüre, aber der Spannungsbogen will sich zu langsam entwickeln.

 In Ihrer Vergangenheit gibt es keine überraschenden Elemente. Am Ende dieser Mission wird sie noch einmal belobigt, aber auch an den Schreibtisch in „M“s Büro versetzt. Auf den ersten Blick eine unglaubwürdige Entscheidung, auch wenn sie im Herzen des Geheimdienstes eine zumindest in der Theorie sehr wichtige Aufgabe übernimmt.

 Während bei „M“ die James Bond Autoren vor allem der Filmreihe bewiesen haben, das der Charakter austauschbar und deswegen sterblich ist, gehört Moneypenny egal in welcher Inkarnation zu den unverrückbaren Pfeilern der Buch, Film und damit auch dieser Comicreihe. Niemand glaubt einen Moment, das sie wirklich in Lebensgefahr ist. Alleine der Schwenk von der Vergangenheit in die Gegenwart erfolgt zu heftig. Vielleicht wäre es sinnvoller gewesen, sie zu verletzen oder zu traumatisieren, so dass der Wechsel von der Front hinter den Schreibtisch überzeugender gewesen wäre. Auch eine zweite Mission den paranoiden Strukturen der Geheimdienste folgend wäre akzeptabel gewesen. Aber fast stoisch akzeptiert sie ihre neue Aufgabe, auch wenn sie jetzt mit James Bond einseitig zusammenarbeiten darf.

 Die vier Oneshots geben Neueinsteigern eine gute Möglichkeit, verschiedene Facetten der Dynamitecomicreihe kennen zu lernen. Die vier grundlegend verschiedenen und doch hinsichtlich vor allem der Actionkompositionen so vergleichbaren Künstler konzentrieren sich auf  verschiedene Facetten. Die Protagonisten sind klar erkennbar, die Hintergründe nicht selten überdimensional realistisch. Auf die Spitze getrieben wird es erst im nächsten Album „The Body“ mit einem Autoren und insgesamt fünf verschiedenen Zeichnern, die einen Fugenroman erzählen.

 Alle vier Geschichten sind unabhängig von den angesprochenen kleineren Schwächen schnell und gut lesbar. Die Spannungskurven sind von unterschiedlicher Qualität und zweimal müssen die Autoren auf Überheblichkeiten ihres Agenten zurückgreifen, um den Handlungsbogen zu Ende zu bringen. Vor allem, weil diese Klischees auch zu stereotypen Handlungsmustern vor allem in den letzten Roger Moore Bonds geworden sind. Daher überzeugt vor allem durch den komplexen Plotaufbau „M“ am meisten und zeigt, dass selbst aus vordergründig bekannten Figuren noch viel Neues, Geheimnisvolles herauszuholen ist.   

 Auf knapp zweiunddreißig Seiten ist Komplexität der Miniserien anderer Splitter James Bond Sammelalben nicht zu erreichen, aber das hier Präsentierte ist wirklich kurzweilig unterhaltsam und die Zusammenfassung sowie Integration der Oneshots in diese grundsätzlich empfehlenswerte Sammelausgabe zeigt, mit welchem Respekt der Bielefelder Verlag die Dynamite Vorlagen behandelt und vor allem konsequent optisch einheitlich präsentiert.            

  • Gebundene Ausgabe: 144 Seiten
  • Verlag: Splitter-Verlag; Auflage: 1., (12. Dezember 2018)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3962192700
  • ISBN-13: 978-3962192709

James Bond. Band 7: Spezialakten

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