Der deutsche Titel dieses interessanten und an die Anfänge der Serie erinnernden neunzehnten Abenteuers um den Weltraumtramp Earl Dumarest ist nicht ganz richtig. Im Original wird im Gegensatz zu den vielen Frauennamen der frühen Weltraumtrampabenteuer auf einen besonders dichten Sektor der Milchstraße hingewiesen, in dem viele bewohnbare, aber auch primitiv bevölkerte Planeten liegen. Der deutsche Titel bezieht sich auf einen kurzzeitigen Antagonisten, den Tubb als Mittel zum Zweck auf der Suche nach Earl Dumarest etabliert.
Die Cyclan sind inzwischen trotz ihrer logischen Vorgehensweise derartig verzweifelt, dass sie einen psychopathischen Killer und Jäger namens Bochner anheuern, dem es im Grunde egal ist, was er jagt. Die Grundidee der Cyclan ist vielleicht noch nachvollziehbar. Sie stellen einem Menschen einen bedingt menschlichen Gegner gegenüber. Aber die Vorgehensweise entspricht dann plötzlich wieder der kalten Logik der Cyclan, wobei beide Seite lernen müssen, dass das Auffinden Earl Dumarest nicht gleichbedeutend mit der Verhaftung des Tramps sein muss.
Der Plot beginnt und endet auf einer Welt, dazwischen spielt ein Teil der Handlung auf einem Frachtschiff im All. Earl Dumarest hat sich anheuern lassen, um als Stewart verkleidet einen weiteren einsam gelegenen Planeten verlassen zu können. Ihm hilft die Ingenieurin an Bord des Raumschiffes, die sich prompt in den einsamen stoischen Tramp verliebt. Nur hat sie auf der einen Seite ein Verhältnis mit dem Kapitän des Frachters, auf der anderen Seite ist ein junges Crewmitglied unsterblich in sie verliebt und versteht ihre nette Art vollkommen falsch.
Dieses Viereckverhältnis beinhaltet nur bedingt Spannung, denn die immer wieder vor Dumarest quasi niederknienden Frauen treten in jedem Roman auf. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um verwöhnte Adlige, exzentrische Künstlerinnen oder klassische Arbeiterinnen handelt. Nur dieses Mal ist es ein anderer Frauentyp. Keine überdurchschnittliche Schönheit, deren erotische Ausstrahlung durch ihre Reife kommt.
Anfänglich beraten die Cyclan und Bocher, wie sie in dem dichten Quilian Sektor vorgehen. Dabei ist ihr Plan nicht unbedingt innovativ oder überraschend. Schon lange werden alle Raumflughäfen in dem Sektor bewacht und Dumarest sollte die Welt gar nicht verlassen können. Nachdem er nicht nur beinahe bei einem Unfall in der Miene ums Leben gekommen ist und zur Strafe den arroganten Baggerfahrer natürlich in einem fairen Duell getötet hat, ist es die verständnisvolle Ärztin, die ihm weiterhilft. Allerdings gibt es nur wenige Routen, die ein Schiff nehmen kann. Die meisten werden schnell ausgeschlossen. Bochner entschließt sich, dem wahrscheinlichsten Weg zu folgen und schifft sich zusammen mit einer von ihm emotional abhängigen Frau, an welcher er am liebsten seine Mordlust abreagieren wurde, auf Dumarest Schiff ein. Bedenkt der Leser, wie oft Tubb diese Art des Reisens als schwierig beschrieben hat und wie lange Raumschiff brauchen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, wirkt diese Wendung konstruiert. Wenn Bochner wirklich ein privates Raumschiff zur Verfügung hätte, dann wäre ein Zuschlagen leichter möglich. Zumindest hätte es der Jäger in der Hinterhand haben können. Auf der anderen Seite soll der Leser akzeptieren, dass Bochner quasi aus dem Stand auf einer Cyclan Welt gewesen ist, von welcher eine Art Querreise möglich ist.
Im mittleren Handlungsabschnitt spielt Tubb aber mit den Erwartungen der Leser. Dumarest und Bochner sitzen sich unter anderem am Spieltisch gegenüber. Der Spannungsaufbau dieser Szene ist solide, aber Tubbs gleichbleibender Stil unterminiert die klassische Konfrontation, welche die Leser erwarten, aber erst sehr viel später erhalten. In dem isolierten Raum an Bord des alten Frachters gelingen Tubb einige der besten Szenen der ganzen Serie. Dumarest ist zwar ein gewiefter Hobbytechniker, aber er kann nicht alles auf einmal. Das Kartenspiel ist wie eingangs erwähnt intensiv, aber nicht unbedingt packend geschrieben worden. Ian Fleming hat in „Casino Royale“ ein besseres Gefühl für die Spieltischdramaturgie entwickelt.
Mit der Künstlerin Gale Andrel und ihren Darbietungen verfügt Tubb zusätzlich über eine Frauenfigur allerdings in einer Opferrolle, die auf eigenen Beinen stehen kann.
Das letzte Drittel des Buches besteht in erster Linie aus den Folgen des Raumschiffabsturzes über einer exotischen Welt. Die Überlebenden müssen sich zu Wasser und zu Lande durchkämpfen. Tubb greift sehr gut auf eine Besonderheit dieser Menschenjagd zurück. Earl Dumarest muss nicht unverletzt, aber auf keinen Fall tot oder besinnungslos zu den Cyclan gebracht werden. Daher ist Bochner im Grunde gegen den eigenen Willen auf eine Kooperation mit dem Mann angewiesen. Diese reicht so weit, dass er Dumarest bei einer spektakulären, aber weder für die Serie noch zum Beispiel viele Jahre später den Streifen „Alien“ überraschenden Rettungsaktion dem Tramp das Leben retten muss.
Das Tempo ist in diesem Handlungsabschnitt sehr viel rasanter und erinnert an die ersten Szenen des Buches. Dumarest erweist sie wieder einmal als ein Teamplayer, der möglichst viele Menschen auch unter der Gefährdung des eigenen Lebens retten möchte. Der Autor baut eine seltsame Abhängigkeit zwischen dem Menschenjäger und dem Tramp auf, wobei Earl Dumarest freier agieren kann. Höhepunkt dieser ganzen Sequenz ist die potentielle Rettung, in welcher zumindest ein Kartenhaus zusammenfällt.
Tubb bringt vor allem Bochner in eine im Grunde aussichtslose Lage, die der Autor dann allerdings relativ schnell und von Seiten der Cyclan fast naiv auflöst. Es ist wirklich fraglich, wie diese Cyborgs später die ganze Galaxis beherrschen wollen, wenn sie menschliche Instinkte und vor allem deren Überlebenswillen inklusiv der Fähigkeit zur Improvisation vor allem als ehemalige menschliche Wesen nicht einschätzen können.
„Menschenjäger“ durchbricht einige stereotype Handlungsmuster, die sich in den letzten Earl Dumarest Romanen förmlich eingeschlichen haben. Selbst die Liebesgeschichte inklusiv der aus dem Nichts kommenden devoten Einstellung der ansonsten mit beiden Füßen auf dem Boden stehenden Frauen lenkt wenig von einem spannenden Abenteuergarn mit exotischen Planeten voll lebensgefährlicher Flora und Fauna sowie dem hintergründigen Konflikt zwischen Mensch und potentieller Maschine ab.
Natürlich werden Anhängern der Serie einzelne Handlungsmuster inzwischen übervertraut erscheinen und Earl Dumarest greift nur kurz nach einem auf die Erde weisenden Strohhalm, aber generell durch den schwelenden Konflikt zwischen „Jäger“ und „Opfer“ führt der Autor in diesem Buch eine pikante Note ein. Vielleicht wünscht man sich nur, dass der egozentrische und narzisstische Bochner Dumarest nur ein mehr das Wasser reichen könnte.
Terra Astra 443
Heftroman, 64 Seiten, Pabel Verlag