Im Wilden Westen Nordamerikas Band 9: Der geist von Rio Pecos

Thomas Ostwald

Mit „Der Geist vom Rio Pecos“ beschließt Thomas Ostwald seine interne Trilogie. Der Text orientiert sich stellenweise an Auszügen aus „Winnetou“ 2 und „Old Firehand“ hinsichtlich des Hintergrunds und der weiteren differenzierteren Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Indianerstämmen, aber auch angefacht vom obligatorischen weißen Mann im Hintergrund vor allem zwischen den Comanchen und den Weißen.

 Karl May hat seine Handlung vor allem auch durch Dialoge vorangetrieben. Thomas Ostwald wählte von Beginn an eher die distanzierte beschreibende Erzählform mit Old Shatterhand alias Reiseschriftsteller Winter als weiterführendes erläuterndes Element. Während Karl May mit seinen Dialogen ganze Seiten oder Kapitel geschunden hat, um die Bände zu füllen, muss Thomas Ostwald differenzierter vorgehen. Die Handlung erscheint deutlich kompakter und die einzelnen Actionszenen sind dreidimensionaler, teilweise auch brutaler mit dem absichtlichen Töten von Pferden verfasst worden, aber der Autor muss auch mehrmals auf Klischees zurückgreifen.

 Wie ein roter Faden durchzieht nicht nur diesen Roman, sondern die ganze Serie, dass Old Shatterhand ohnmächtig wird. Niedergeschlagen, beim Untergang des Mississippidampfers verletzt und an Land gespült oder wie im vorliegenden Abenteuer auch durch Kräuter ein wenig willfährig gemacht. Der Leser kann sich an einigen Stellen ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen, wenn wieder das geistige Licht des Protagonisten kurzzeitig ausgeschaltet wird, die hinterhältigen Schurken aber diese Momente nicht ausnutzen, um den Feind hilflos zu töten. Dadurch gewinnt Old Shatterhand immer wieder Oberwasser und kann mit einer spektakulären Aktion die beiden Köpfe der Bande stellen.

 Während des Showdowns wird er allerdings mit einer Schurkenloyalität konfrontiert, die ihn in seiner Position hilflos macht. Aber Thomas Ostwald hat seine Geschichte als Ganzes dicht genug geknüpft, um auf Hinweise zurückzugreifen und dadurch eine Rettung in letzter Sekunde zu etablieren.

 Old Shatterhand bleibt aber trotz des obligatorischen Triumphs mit „leeren“ Händen zurück.

Es ist diese Tragik, der roten Faden hinsichtlich des Geists von Rio Pecos, der die Geschichte noch mehr an die ersten sechs Bände anknüpfen lässt, die bekannten Schemata eisenbahntechnisch aus den vertrauten Gleisen hebt und sehr viel mehr Potential auf der emotionalen Ebene bietet, als sich der Autor anscheinend zutrauen wollte. Dabei wird hier wirklich das meiste originelle Potentiell verschenkt und nicht nur Old Shatterhand, sondern auch der Leser bleibt unglaublich einsam und verlassen zurück, um den Abschlusssatz zu zitieren.

 Im Gegensatz zu Karl May und zahlreichen Autoren dieser Epoche differenziert er nicht nur zwischen den guten Roten und den hinterhältigen Indianern und gibt nicht nur den von Winnetou angeführten Apachen ein positives Profil, sondern zeigt, dass auch die Chinesen von den Weißen beim Bau der Eisenbahn ausgenutzt und gequält worden sind. Er entwickelt einen interessanten und in der Zukunft auch ohne Frage ausbauwürdigen Protagonisten, der westlich orientiert und trotzdem asiatisch traditionell ist.

 Es sind wieder einige Nebenfiguren, die aus dem rasant geschriebenen, aber manchmal auch unnötig verwinkelten Plot positiv herausragen und deswegen eher überzeugen als Old Shatterhand, der sich ein wenig mit Glück und Mut zur Improvisation vor allem getrennt von Winnetou entlang hangelt und Risiken eingeht, die das Ganze gefährden könnten.

 Die Grundidee der Geschichte ist allerdings klassischer Karl May. Daran ändert sich auch der Handlungsablauf des abschließenden Bandes nichts. Viele der Schachzüge auf beiden Seiten kommen dem Leser vertraut vor. Alleine das Auftreten einzelner aus den Originalen bekannter Figuren entschädigt für die Vertrautheit. Damit soll auf keinen Fall ausgedrückt werden, dass sich die drei Romane schlecht lesen oder nicht unterhaltsam ist, aber Thomas Ostwald wirkt ein wenig ausgeschrieben. Natürlich ist es schwer, gänzlich neue Plots zu entwickeln, da sowohl die wichtigen Protagonisten als auch der Hintergrund bekannt sind. Aber vielleicht gibt der Wilde Westen mit seinen unzähligen Frontiergeschichten noch ausreichend Stoff, um andere Storys zu erzählen. Thomas Ostwald hat nicht zuletzt aufgrund seiner Kenntnisse und seiner Vertrautheit mit Friedrich Gerstäcker noch mehr die Möglichkeit, Old Shatterhands Abenteuer im 21. Jahrhundert modern und trotzdem respektvoll zu erzählen, aber auch neue Wege zu gehen. Vor allem die ersten sechs Bände haben in dieser Hinsicht mehr überzeugt als dieser wie gesagt solide, aber grundsätzlich nicht gänzlich zufrieden stellende Dreiteiler.

152 Seiten, Taschenbuch

www.blitz-verlag.de

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