Sternentod

Frederic Brake

Frederic Brakes „Sternentod“ versammelt insgesamt zwanzig Geschichten, die von dem im Grunde Musikprojekt, aber weniger Band „Two Steps from Hell“ inspiriert worden sind. Im Vorwort geht der Herausgeber auf die Bedeutung der Gruppe sowie die Entstehung einiger der Storys ein. Dabei wird jeder Beitrag einem Musikstück als begleitende Hintergrundmusik zugeordnet.

 „Two Steps from Hell“ wurde 2006 von Nick Phoenix und Thomas Bergersen gegründet. Sie haben zu zahlreichen Trailern und Filmen Musikstücke geschrieben oder  ihre instrumentalen Epen sind verwandt worden.

 Felix Schledde „Aan“ eröffnet die Anthologie mit einer martialischen Hommage an wahre Helden. Aan ist ein in Ehren ergrauter Krieger und Barde, der bei seinem Streifzügen im Westland Siedlungen gegründet hat. Als Maschinenwesen die Dörfer angriffen, hat er eine aus seiner Sicht unentschuldbare, aber auf alten Mythen basierende Tat begangen. Jetzt soll er als Begleiter einer Prinzessin, die um Hilfe gebeten worden ist, auf den Kontinent zurückkehren, wo ihm die Todesstrafe droht.

 Felix Schledde trifft mit seiner Mischung aus Melancholie; fataler Heldenverehrung, dem unwirtlichen Klima und schließlich immer wieder Anspielungen auf eine futuristische, in die Barbarei zurückgefallene Zukunft den richtigen Tonfall.  Sein Protagonist ist ein gebrochener wehleidiger Mann, der sich vor der Welt und eigenen Entscheidungen verkriecht. Immer wieder wird ihm gesagt, das das Zeitalter seines egoistischen Heldentums im Grunde vorbei ist, wobei er bei der finalen Auseinandersetzung von Robert E. Howards Dimensionen über sich hinaus wachsen muss.  Das wäre klassische Heroic Fantasy, wobei Felix Schledde den Plot in einem surrealistischen erscheinenden Niemandsland platziert und mit jedem Schritt neue Ideen einführt.

 „Und es begann ein Sterben“ von Tobias Langemann ist eher eine klassische, gut geschriebene Horrorgeschichte, dessen abschließende Pointe frühzeitig erkennbar ist. Der intensive Sprachstil und die lange Zeit vernünftig erscheinende Protagonistin irritieren rückblickend den Leser und führen ihn auf eine falsche Spur. Die Geschichte beinhaltet keine neuen Ideen oder erweitert das Genre, aber sie lässt sich kurzweilig und intensiv lesen.   

 Die Idee des berühmten, berüchtigten und ergrauten Kriegers auf (s) einer letzten Mission nimmt Fleix Woitkowski in „Die aus der Esche stammen“ wieder auf. Ein Krieger kehrt in seine Heimat zurück. Die Verehrung ist ihm zu wider – er möchte nur noch eine letzte Aufgabe erledigen. Intensiv und kompakt geschrieben bildet die Miniatur eine gute Ergänzung zur Auftaktgeschichte „Aan“ dieser Anthologie.

 Einige der Geschichten spielen gerne mit den Klischees des Genres. Am ehestens beginnend mit dem aussagekräftigen Titel lässt sich das bei Tobias Habenichts „Von den besonderen Gefahren beim Bekämpfen von Drachen“ ablesen. Machoritter in ihrem „Kloster“ der Einsamkeit, die keine holden Jungfrauen mehr retten oder Drachen töten können. Die moderne Zeit trifft auf diese eingebildeten „Helden“, die durch die Epoche gefallen sind. Mit einem ironischen Unterton beschreibt der Autor die Schwierigkeiten dieser aussterbenden Generation und präsentiert eine kurzweilige Erzählung.

 Nicht ganz so ironisch, aber humorvoll mit einem deutlichen Augenzwinkern beschreibt „Der erste Ritt der Zwergenkönigin“ von Andre Geist das Abenteuer einer Zwergin, die auszog, um nicht nur Abenteuer zu erleben, sondern zur Söhnin zu werden. Mit einer Art mittelalterlichen Rat Pack im Schlepptau nehmen die Beschreibungen ihrer Abenteuer aber im Vergleich zur Entwicklung des Hintergrundes den kleinsten Raum ein.

 Die Anthologie ist Susanne Haberland gewidmet. Sie ist vor Erscheinen der Sammlung verstorben. Unter ihrem Pseudonym Tedine Sass präsentiert die Autorin mit „Der Glanz der Seide“ eine märchenhafte Parabel. Eine Schneiderin mit einer besonderen Feenfähigkeit kehrt in ihre Heimat zurück, wo ihr Jugendfreund sich opfert und eine garstige Prinzessin heiratet. Sie soll das Brautkleid nähen. Allerdings erweist sich der magische in das Kleid eingewebte Spruch als Bumerang und entblößt andere Seiten. Die Pointe ist zwar im Vorwege zu erkennen, aber die Figuren sind dreidimensional entlang der Muster solcher märchenhafter „Belehrungsgeschichten“ gezeichnet und helfen dem Leser über manche vertrauten Ansätze hinweg.    

 „Cohen Greife“ von Gabriele Behrend ist einer der Geschichten, in denen der Leser lange Zeit die Handlung verfolgt und das Geschehen zuordnen kann, bis eine Bemerkung des Protagonisten Mares den Plotverlauf auf den Kopf stellt. Die Armee will ein Geschwader von Greifenreitern ausbilden. Die Tiere lassen sich nicht gut bändigen, bis Mares den Soldaten quasi eine Art Fahrplan vorlegt und aus den Individuen ein Geschwader formt. Gut geschrieben mit der richtigen Mischung aus Realität und Phantasie wirken aber einige der Protagonisten auch ein wenig zu konstruiert entwickelt und der hintergründige Plot hätte vielleicht auch einfacher umgesetzt werden können.

 „Wandlung“ von Galax Acheroian setzt auch auf eine derartige Pointe, allerdings scheut der Autor ein gänzlich fatalistisches Ende. Ein junger Stallbursche trifft in einem der Verließe unter der Festung auf einen gefangenen Gargoyle. Die beiden so unterschiedlichen Wesen schließen Freundschaft und der junge Mann sucht in alten Quellen nach Möglichkeiten, den Gargoyle zu befreien. Der Autor deutet im Laufe der Handlung auch eine Wendung an, vollzieht sie aber erst in den letzten drei vier kurzen Kapiteln seiner Geschichte. Enttäuschtes Vertrauen; dunkle Mächte und schließlich ein konsequenter Showdown treffen aufeinander, bevor der Plot noch einmal ein wenig unvorbereitet und überraschend auf den kopf gestellt und dann konsequent zu Ende geführt wird.

 Auch „Drachentochter“ von Hannah Wölfl reiht sich in diese kleine Variation bekannter Fantasyfacetten ein. Mit Drachen zu verhandeln ist nur leicht, wenn man ihnen von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen kann. Das Geheimnis verrät schon der Titel dieser angenehm zu lesenden, aber inhaltlich nicht gänzlich zufrieden stellenden Story. 

 Gundel Steigenbergers "Solvet Saeculum in Favilia" beschreibt das Schicksal der jungen Frau Mio, die erst von Banditen gefangen und später von einem Ritter vor dem Drachen beschützt werden muss. Im Vergleich zu den anderen Drachengeschichten wirkt der Plot ein wenig bemüht erzählt, zumal das konsequente, eine ritterliche Tugend vergangener Zeiten beschwörende Ende nicht überrascht oder schockiert oder den Plot auf den Kopf stellt. Positiv ist, das eine derartige Wendung nicht gepasst hätte, negativ ist, aber das der Plot mit eher solide pragmatisch gezeichneten Protagonisten dahinfließt und sich zu wenig aus der Masse vergleichbar strukturierter Geschichten abhebt.

 Wie einige Kollegen spielt Laurin Seetals „Falscher König“ ebenfalls mit der Erwartungshaltung der Leser. Der Protagonist ist arrogant, aber nicht zuletzt dank seiner magischen Fähigkeiten auch ein gefürchteter Herrscher. Selbst seine Tochter sieht nicht unbedingt zu ihm auf. Als Feinde in sein umfangreiches Reich einfallen, ,muss sich der König dieser Schlacht stellen, wobei er nicht nur an die Grenzen der eigenen Fähigkeiten getrieben wird, sondern auf Hilfe von fremder Seite abschließend angewiesen ist. Es ist schwer, Sympathie für den Protagonisten zu empfinden. Zu selbst verliebt wird er hier charakterisiert. Aber diese Vorgehensweise erscheint auch notwendig, damit der Leser die abschließenden Wendungen – nicht so prägend wie zum Beispiel in Gabriele Behrends Geschichte – nachvollziehen und den langen wie dunklen Weg in Ansätzen verstehen kann. Auf der anderen Seite lebt der Text von diesem eckigen Charakter und seinen lange subjektiv nur vermittelnden Handlungen, was die ganze Geschichte aus der Masse vergleichbarer Heroic Fantasy positiv heraushebt. 

 Auch die Titelgeschichte „Sternentod“ von Matthias Ramtke folgt dieser Idee. Eine martialische Geschichte um einen Kindkönig; übermächtige Feinde, die vor den Toren stehen und schließlich auch eine Wendung zum Übernatürlichen mit einem ungewöhnlichen „Rettern“. Der Autor verzichtet allerdings auf Wendungen in der letzten Sekunde, sondern entwickelt seinen Plot konsequenter, aber damit auch zugänglicher als einige seiner Mitstreiter. Der dunkle nihilistische Unterton einzelner anderer Texte wird allerdings nicht erreicht, so dass die flott geschriebene Geschichte dem Leser eher unbewusst vertraut erscheint und damit vor allem nach einem sehr guten Auftakt im mittleren Abschnitt an Originalität verliert, bevor sie wie angedeutet konsequenter und weniger auf eine nicht immer notwendige überraschende abschließende Wendung schielend beendet wird.   

 Eine ganze Reihe von Storys sind auf den ersten Blick martialisch angelegt, verzetteln sich aber hinsichtlich ihrer Stringenz. Das beginnt bei Tino Falkes „Moloch“, in dem ein Monster beschworen wird, aber es sich gegen Ende der Geschichte als „halb so schlimm“ erweist, weil es in diesen archaisch primitiven Welten andere Schrecken gibt. Christine Ulrichs „Die Rache der Götter“ zeigt auch auf, wie ein „Gott“ erschaffen wird und das er sich gegen die niederen Wesen durchzusetzen vermag. Auch hier erscheinen die einzelnen Versatzstücke solide entwickelt, wollen aber nicht gänzlich zufrieden stellend angesichts der Kürze der Geschichte zusammenpassen. Gabriele Meier fügt diesem roten Faden eine andere Facette bei. In einer Kneipe erzählt im Grunde eine Art Narr, wie er in „Der Sporn des Phönixes“ einen Feuervogel besiegen konnte. Anfänglich zeigt er seine Heldentat als eine Art Puppenspiel. Erst nach und nach wird der Erzählraum erweitert und der Leser kann die einzelnen Charaktere besser einordnen. Aus Sicht der Schurken wird „Der Angriff auf Schoenenburg“ von Martin Beyerling erzählt. Es ist eine der wenigen Geschichten mit Elementen, die eher der Science Fiction als der Heroic wie mystischen Fantasy entsprechen. Auch wenn Martin Beyerling eine intensive Atmosphäre erschafft, leidet seine Story vor allem an einer fragmentarisch erscheinenden Handlung, welche es dem Leser nicht ermöglicht, quasi hinter die Frontlinien zu schauen und dadurch Positionen einzunehmen.   

 Nele Sickels „Mann gegen Mann“ beschreibt eine Schlacht während einer anscheinend mondlosen Nacht. Die Krieger kämpfen gegen die aggressiven und fremden Eindringlinge, bis sie wie der Titel impliziert Mann gegen Mann antreten. Der Plot ist geradlinig, die Sprache eindringlich, aber die Grundprämisse wirkt insbesondere angesichts erfahrener Krieger ein wenig zu stark konstruiert, um überzeugen zu können. 

 Angela Hoptichs "Die Farben des Himmels"  ist eine lesenswerte Mischung aus Fantasy und Post Doomsday Geschichte. Durch einen Zufall lernt ein junger Mann Vater und Tochter in der Einöde kennen. Sie werden von Siekers verfolgt, die sie aufgrund ihrer Fähigkeiten jagen. Sie schließen eine Art Zweckbündungs, um in dieser rauen Zukunft zu überleben. nach und nach erkennt der jugendliche Protagonist den Hintergrund seiner Begleiter. Die Autorin baut den Plot konsequent auf. Wichtige Informationen werden zwar in Bröckchen, aber jederzeit nachvollziehbar präsentiert und machen rückblickend auch Sinn. Zusätzlich platziert sie die verantwortung auf mehreren Schultern, damit durchbricht sie den klassischen Heldengarn einer Handvoll anderer Storys dieser Anthologie. 

 Tom Waldschicht passt sich in der abschließenden Story der Sammlung "Das Schwert des Zauberers" diesem Handlungsverlauf an. Auch hier fließen Elemente in den Plot ein, die eher dem Bereich der Science Fantasy zuzuordnen sind. Die Suche nach dem Titelgebenden Gegenstand wird vor allem auch durch pointierte Dialoge vorangetrieben, ein Novum dieser Anthologie mit dunklen Untertönen. Auch hier wird eine grundlegend stringente Handlung auch konsequent zu Ende gedacht und nicht auf abschließende Pointen gesetzt. Die Protagonisten sind gut gezeichnet worden, wobei auf eine schwarzweiße Zeichnung verzichtet wird.

  Eine Reihe kürzerer Texte versuchen eher mit Stimmungen zu spielen als konsequent eine Geschichte zu erzählen. „Der König des Waldes“ von Katarjas Kaweras ist in dieser Hinsicht Programm. Die Natur betrachtet den Menschen aus ihrer langfristigen Perspektive, kann sich aber nicht wirklich entschließen, das Geschmeiß schon zu tilgen. 

 Vielleicht wirken einige der Texte anders, wenn der Leser wirklich auf voller Lautstärke "Two Steps from Hell" hört. Im Gegensatz zu einigen anderen Musikstoryanthologien wie Spliff konzentrieren sich die Autoren in den einundzwanzig Texten zu sehr auf Fantasyelemente und erweitern die Möglichkeiten der Musikvorlagen zu wenig. Das überrascht angesichts der Tatsache, wo der Hörer die Musik von "Two Steps from Hell" überall kommerziell genutzt findet. Die Autoren versuchen zwar, dem Heroic Fantasy Genre mit teilweise konstruiert wirkenden, aber die Handlung auf den Kopf stellenden Pointen neue Facetten zu verleihen, aber selbst einige der längeren Geschichten sind in dieser Hinsicht zu kurz. "Sternentod" ist eine solide Anthologie mit einigen herausragenden Geschichten, aber es fehlt ihr das Expressive, das Überraschende, während die drangvolle Dynamik der "Two Steps from Hell" Musikstücke sich in den stringenten Strukturen der Texte eher wiederfindet als der Versuch, auf deren musikalischer Grundlage zu experimentieren.

 

STERNENTOD
Inspiration Two Steps from Hell
Außer der Reihe 34
p.machinery, Winnert, Juni 2019, 436 Seiten, Paperback
ISBN 978 3 95765 161 7 – EUR 18,90 (DE)
E-Book: ISBN 978 3 95765 910 1 – EUR 9,49 (DE)

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