Die Frühlingsausgabe von “The Magazine of Fantasy & Science Fiction” präsentiert eine Art Novum. Zum ersten Mal werden zwei unterschiedliche Geschichten aus einer von Gardner Dozois zusammengestellten, aber abschließend nicht veröffentlichten Anthologie präsentiert.
Matthew Hughes geht in „The Last Legend“ im Grunde nicht auf ein Märchen oder eine Legende ein, sondern lässt von einem Helden eine ganze Reihe von Sagen aus einer Art Märchenbuch für Heranwachsende stellvertretend für den Leser seinem jugendlichen Protagonisten erzählen. Elizabeth Bears „Hacksilver“ spielt in einer an eine Wikingersiedlung erinnernden kleinen Stadt, in welcher ein früherer Krieger zurückkommt. Seine Rückkehr erfreut aber nicht alle Einwohner, so dass er nicht nur mit seinen inneren Dämonen, sondern mit viel nicht mal unbegründeten Misstrauen kämpfen muss.
„Hacksilver“ ist von der Grundstruktur die lebhaftere und bessere Geschichte. Die Charaktere wirken dreidimensionaler gestaltet, während sich Matthew Hughes auf die einzelnen Episoden konzentriert und das hier angerissene Potential an keiner Stelle nachhaltig wecken kann. Dabei ist die grundlegende Geschichte um einen jugendlichen Dieb und seinen Onkel zu klischeehaft aufgebaut, um mit dem Hintergrund zu überzeugen.
Neben diesen klassischen Fantasy Geschichten finden sich einige phantastische Geschichten in dieser Ausgabe, deren Grundausrichtung durchaus als Fantasy angesehen kann.
„Kikelomo Ultrasheen“ von Dare Segun Falowo spielt in einem Friseursalon in Nigeria. Die junge Tochter der Frisörmeisterin lernt dort nicht nur ihr Handwerk, viel mehr wird sie in speziellen Zeremonien unterrichtet, welche sie zu einer ans Übernatürliche glaubenden Gruppe führt. Die kulturellen Referenzen sind nicht immer leicht einzuordnen, auch die Zeichnung der einzelnen Protagonisten geht im Handlungsverlauf fast unter. Das Ende wirkt zu offen und bemüht.
Auch wenn es in John Possidentes „Red Sword oft he Celiac“ um den letzten Band einer vor Jahren angefangenen Fantasytrilogie eines in der Zwischenzeit in Vergessenheit geratenen Autoren geht, zielt John Possidente eher auf die Leiden, aber auch Leidenschaften der Rezensenten ab. Kurzweilig humorvoll zu lesen, aber auch ein wenig unrund.
Amanda Hollanders „A Feat of Butterflies“ ist eher eine Urban Fantasy Geschichte um fünf vermisste junge Männer. Bei den Ermittlungen stellt sich heraus, dass sie möglicherweise in ein anderes Verbrechen verwickelt gewesen sind. Die Schwester eines der früheren Mordopfer und ein Inspektor versuchen Licht in das Dunkel zu bringen. Allerdings ist die Auflösung eher magisch orientiert und negiert einige der vorangestellten Aspekte, so dass es sich die Autorin abschließend zu leicht macht.
Daneben präsentiert C.C. Finlay eine Reihe von Science Fiction Geschichten, von denen dem Leser mindestens zwei aus anderen Genres bekannt vorkommen. „The Million- Mile Sniper“ von SL Huang ist der erste dieser Texte. Angeblich kann ein Scharfschütze im All aus einer derartigen Entfernung einen tödlichen Schuss abfeuern, dass er aus der angesprochenen Entfernung von einer Millionen Meilen treffen kann. Der Plot ist unlogisch, die Erklärung nicht überzeugend und die Motive hinter dem Auftrag bleiben im Dunkeln.
Brian Trents „Death On The Nefertem Express“ spielt an Bord eines Zugs auf einem fremden Planeten. Der enge Fahrplan muss eingehalten werden, also Saboteure das Leben aller Menschen und Wesen an Bord bedrohen. Die Szenerie ist überzeugend, die Charaktere agieren aber nicht immer nachvollziehbar. Die Auflösung der Geschichte kommt dem Leser nicht nur unwillkürlich vertraut vor, vor allem leidet der Plot wie SL Huangs Vignette unter logischen Fehlern.
Wer das Ende von „Romeo is bleeding“ kennt, wird James Patrick Kellys Vignete „The Man I love“ wahrscheinlich lieben. Ein Mann führt eine Bar, die immer nur Montags auf hat. Seine Gäste sind im Grunde Seelen, die sich auf dem Übergang ins Jenseits befinden. Der Barkeeper kümmert sich ein wenig um. Wenig Plot, aber viel Stimmung zeichnet die kurze Geschichte aus.
Ian Tregillis „Come the Revolution“ hat einen martialischen Titel, der Handlungsverlauf ist eher eben und auf der emotionalen Ebene interessant. Ein Roboter mit einem AI Gehirn lebt ein im Grunde langweiliges Leben. Das hat damit zu tun, dass die Kontrollelemente in ihrem Gehirn ihr eigenes Handeln stark einschränken. Sie trifft schließlich auf eine andere Gruppe von Roboter, die ihrem Leben durch ein eher freiheitliches Handeln neue Impulse geben, wobei plötzlich die künstliche sie kontrollierende Intelligenz nicht weiter eingreift. Die einzelnen Versatzstücke sind interessant beschrieben und die wenigen künstlichen Protagonisten auch nachvollziehbar entwickelt worden, es will der Funke aber nicht wirklich überspringen.
Amman Sabets „Say you´re Sorry“ handelt von einer ungewöhnlichen Seuche, die Menschen dazu zwingt, sich aufrichtig zu entschuldigen oder sie leiden an körperlichen Schmerzen. Es gibt leider keine Hintergrundinformationen und die Zeichnung der Protagonisten ist höflich gesprochen spärlich.
Eine zweite „wir bedrohen die Erde“ Geschichte ist William Ledbetters „Hungry is the Earth“. Außerirdische Wesen bedrohen die Flora und Fauna mit ihren eigenen Pflanzen. Ein junges Geschwisterpaar kommt aber den Intentionen der Fremden auf die Spur. Eine seltsame Geschichte mit wenigen nachvollziehbaren Wendungen, aber stilistisch ansprechend geschrieben.
Keine der Geschichten ragt wirklich aus der Masse heraus. Sie wirken teilweise nicht vollständig geschrieben und konzentrieren sich eher auf bizarre Ideen als einen konsequenten Handlungsverlauf.
Daneben finden sich noch die üblichen Rubriken mit erstaunlich oberflächlichen Buchkritiken, David J. Skals Analyse der Stephen King Adaption von „Doctor Sleep“ und schließlich noch ein sekundärliterarischer Beitrag. Insgesamt eine sehr durchwachsene, teilweise enttäuschende Frühlingsausgabe von „The Magazine of Fantasy and Science Fiction“.