Intelligenz Quotient 10.000

Alfred Elton van Vogt

„Intelligenzquotient 10.000“ ist einer der typischen Fix Up Romane, mit denen Alfred Elton van Vogt in den siebziger Jahren des letzten Jahrtausend sein Einkommen aufbesserte. Weit entfernt von den Stärken der vierziger Jahre baut der Autor aus verschiedenen Kurzgeschichten/ Novellen neue Bücher zusammen.

Die Qualität der ursprünglichen Geschichten scheint noch durch, aber Alfred Elton van Vogt hatte die Angewohnheit, die Plots auch wirklich passend zu zimmern als das Potential des Ausgangsmaterial durch vorsichtige Erweiterungen zumindest zu bewahren.

„Intelligenzquotient 10.000“ besteht dabei aus drei Novellen. „Asylum“ aus dem Jahr 1942 stellt dabei auch den Auftakt dar. „The Proxy Intelligence“ (1968) und „Research Alpha“ (1965) sind für sich alleinstehend noch akzeptable Texte aus van Vogts Spätphase, aber werden durch die Idee des großen galaktischen Beobachters schwach miteinander verbunden. Im Pabel Verlag ist als ein weiteres Taschenbuch eine Kurzgeschichtensammlung van Vogts unter dem Titel „der große Galaktiker“ erschienen ist, hat aber nichts mit den hier zusammengefassten Kurzgeschichten zutun.

„Asylum“ ist die beste Kurzgeschichte dieses Sammelbandes. Colin Wilson hat mit „Vampire aus dem Weltraum“ auch Bezug auf die Novelle genommen.  Zwei Weltraumvampir auf der Suche nicht nur nach Blut, sondern menschlicher Essenz stranden auf der Erde. Die Erde befindet sich als Planet noch im Entwicklungsstadion unter der Beobachtung der großen Galaktiker, die sogar eine Art Botschafter auf die Erde geschickt haben. Dank zweier charismatischer Charaktere und vieler Ideen, die van Vogt schelmisch zwar aus dem Vampirgenre übertragen, dann aber entsprechend verfremdet hat. Das macht den Reiz dieser Story aus, zumal die Idee mit der Lebensenergie interessant ist. Die beiden im Grunde auf der Erde gestrandeten Vampire beginnen Menschen zu überfallen und auszusaugen. Dabei wollen sie absichtlich auf einer grundlegend pazifistischen Erde für Unruhe sorgen, Panik wäre ein zu großer Begriff. Weitere Vampire stehen quasi vor den Toren und warten darauf, von deren Welt abzufliegen, um sich die Erde Untertan zu machen.

Atmosphärisch überzeugend entwickelt bildet diese Geschichte die Grundlage für die weiteren beiden Novellen. Sie ist eher spärlich in die Handlung eingebunden und gegen Ende des Spannungsbogen verschwinden die außerirdischen Vampire bis auf rudimentäre Erwähnungen und die Implikation einer latenten Gefahr ganz im Hintergrund.

„Research Alpha“ ist eine Kooperation zwischen Alfred Elton van Vogt und James Schmitz. Alfred Elton van Vogt hat die Prämisse der Geschichte inklusiv des Handlungsverlaufs leicht überarbeitet und anschließend alleine unter seinem Namen veröffentlicht. Anscheinend haben van Vogt und Schmitz auch ursprünglich geplant, „Asylum“ als eine Art Prolog zu nehmen und mit dem zweiten Teil anzusetzen. Aber selbst in diesem Fix Up Roman ist von der Grundidee nicht viel übrig geblieben und die beiden Teile passen nur bedingt zusammen.

Wissenschaftler wollen die Intelligenz von Menschen steigern. Dazu bedarf es eine Reihe von Spritzen. Bei Leguanen haben nur zwei die dritte Runde quasi überlebt. Wie bei vielen dieser Pulpgeschichten finden die Forschungen im Geheimen statt.

Die mit der Intelligenzsteigerung indirekt verliehene Macht korrumpiert auch. Van Vogt macht das in der ursprünglichen Geschichte an einer jungen Sekretärin deutlich, die durch die Intelligenzsteigerung ihre Hemmungen überwindet und soweit es eine Geschichte aus dieser Zeit zulässt auch ihren Trieben folgt.      

Zusätzlich hat van Vogt das Schicksal eines Frachtraumschiffpiloten eingefügt, der einen Wissenschaftler und seine obligatorisch hübsche Tochter auf einem der Jupitermonde versorgt. Natürlich liebt er die junge Frau platonisch und als sie bedroht wird, greift er unter Gefährdung des eigenen Lebens ein.

Auch seine Intelligenz wird kurzzeitig gesteigert, ist aber wie bei allen Charakteren weit vom reißerischen Titel der deutschen Ausgabe mit einem „Intelligenzquotient 10.000“ . Am Ende wird dessen Schicksal zu stark wie den Vampiren aus dem Weltall verbunden, während die Sekretärin moralisch belehrend erkennt, dass eine höhere Intelligenz auch immer mit einer deutlich höheren Verantwortung verbunden ist.

Die Idee, die Intelligenz  bis zum Punkt Omega zu beschleunigen, an dem das Bewusstsein des Menschen quasi eins mit  dem Universum wird, sich quasi eine Superintelligenz bildet, wird interessant beschrieben.    

Viele dieser Ideen stammen noch aus der dritten Kurzgeschichte „The Proxy Intelligence“. Aus diesem Text hat van Vogt den Wissenschaftler und seine Tochter Patricia übernommen, die gleichzeitig auch die galaktischen Beobachter der Menschheit sind. Mit dem großen Galaktiker als quasi Backuplösung auf der Erde hat van Vogt die ursprüngliche Idee schon aufgeweicht. Das beginnt bei der angesprochenen Patricia, die von einer selbstbewussten, aber nicht arroganten Frau zu einer Art Heimchen am Herd wird, das sehnsüchtig auf den ihr versprochenen, aber bislang ihr unbekannten zukünftigen Mann wartet. Vermittelt vom Vater, der eine gänzlich unscheinbare Persönlichkeit in der ganzen Geschichte darstellt. 

Die zugrundeliegenden Kurzgeschichten sind deutlich besser als dieser Fix Up Roman. Einige Verbindungen funktionieren, bei anderen Überleitungen hat van Vogt gleichzeitig die Personenkonstellation und vor allem deren Persönlichkeiten verändert, so dass vor allem die Modernität, die seine frühen provokanten Texte auszeichnete, verloren gegangen ist.

Die grundlegenden Themen – Menschheit/ intergalaktische Zivilisation und die Position eines intelligenten aufgeklärten Menschen im Kosmos – werden beginnend mit den intergalaktischen Vampiren als der Gegenentwurf zu den Vorstellungen der Galaktiker solide entwickelt, wirken aber abschließend zu abrupt und vor allem zu belehrend inkonsequent abgeschlossen.

Immer noch klar erkennbar ist van Vogts damals fast einzigartige, heute auch an Philip K. Dick erinnernde stilistische Fähigkeit, auch Alltägliches immer ein wenig verzerrt zu beschreiben und dem Leser den Eindruck zu vermitteln, als verfolge er nicht die „Realität“, sondern blicke durch eine Art Zerrspiegel auf die Protagonisten, bevor buchstäblich alles auseinanderfällt.  Während Dick diese Situationen gerne bis in die kleinsten Details inszenierte und dadurch seinen gewöhnlichen Protagonisten den Boden entzogen hat, agieren bei van Vogt Menschen, denen der Autor Großes zutraut. Alles ist überdimensional, herausfordernd und kritisch gesprochen übertrieben, aber durch den dynamischen Stil und vor allem das extrem hohe Tempo der ursprünglichen Kurzgeschichten funktioniert der van Vogt Ansatz. Man darf nur nicht zu viel auf einmal davon lesen.

„Intelligenzquotient 10.000“ ist eine der besseren Fix Up Arbeiten, was ohne Frage nicht nur am zugrundeliegenden Material trotz der erkennbaren Übergangsfugen liegt, sondern in der Tatsache begründet ist, dass van Vogt vom ersten Moment an eine im Grunde bizarre Geschichte aus der angesprochenen verzerrten Perspektive mit dem notwendigen Ernst bis zu einem belehrenden, aber irgendwie zu diesem inhaltlichen Chaos passenden Ende führt, das seinen Ausgangspunkt dann plötzlich ignoriert.      

Intelligenzquotient 10.000 Terra-Taschenbuch ;: Amazon.de: Vogt, A.E. van: Bücher

Pabel Verlag

Terra Taschenbuch

160 Seiten