Die Bestie

Alfred Elton van Vogt

„The Beast“ hatte das Potential, einer der besten Fixed Up Romane in van Vogt später Krriere zu werden. Alle drei Geschichten hatten ursprünglich den gleichen Protagonisten: Pendrake. Die drei ursprünglichen Geschichten erschienen unter den Titeln „The Great Engine“ (07/ 1943), „The Beast“ (11/ 1943) und schließlich „The Changeling“ (04/ 1944) im Astounding Magazine. Ohne Charaktere zu verändern oder einen zu bizarren mittleren Verbindungstext einzuführen wäre es bei guten van Vogt Geschichten deutlich leichter, einen stringenten neuen Roman aus altem Material zu zaubern. Bei einigen anderen Büchern ist es van Vogt mit sehr viel schwierigeren Vorgaben auch gelungen.

„The Beast“ hat nur ein großes Problem. Zwei der drei Kurzgeschichten aus van Vogt Feder sind selbst in den vierziger Jahren Nonsense gewesen und werden durch die Integration in diesen „neuen“ Text auch nicht viel besser.

„The great Engine“ ist der beste Abschnitt des Buches.  Jim Pendrake ist ein Kriegsveteran, der sich nach der Trennung von seiner Frau in die Einsamkeit zurückgezogen hat. Er hat seinen rechten Arm verloren. Wie er diesen Arm verloren und im Grunde wiedergewonnen hat, wird in den späteren Geschichten erzählt. Durch einen Zufall findet er begraben in einem Hügel eine seltsame Maschine, die er nicht nur in seine Scheune, sondern auch zum Laufen bringt.

In der zweiten Geschichte wird aus Jim schließlich James Pendrake. Es ist aber zumindest der gleiche Ausgangscharakter. Die Maschine hat ihn toti-potent gemacht. Ein typischer van Vogt Begriff, den der Amerikaner extra für seine Geschichten entwickelt hat. Pendrakes Intelligenzquotient steigt auf das Niveau eines Supermanns. Dabei impliziert van Vogt in vielen seiner Storys, das die Intelligenz, aber nicht die körperlichen Kräfte anwachsen. Van Vogts Übermenschen sind immer Geistesriesen, aber niemals klassische Supermänner in der Comichelden oder Pulp Fictiontradition. Körperlich kann er nur seinen Armstumpf wieder zum Wachsen bringen. Allerdings nur seine eigene Körperextremität und das eher unbewusst als Teil eines bewussten Vorgangs. Pendrake selbst ist hinsichtlich der Auswirkungen eher überrascht. Der amerikanische Präsident möchte von diesem Supermann in den eigenen Reihen profitieren und fordert eine Bluttransfusion.

Auf die politischen Implikationen muss später noch einmal eingegangen werden.

Die dritte Geschichte wirkt wie eine Parodie auf die zahllosen Pulpgeschichten. „The Beast“ spielt auf bzw. unter dem Mond. Van Vogt entwickelt eine Art Spionagegeschichte mit in der neu bearbeiteten Fassung Ostdeutschen, in der originalen Kurzgeschichte Abziehbilder von Nazis, die unter der Herrschaft eines Neandertalers auf dem Erdtrabanten leben. Hätte van Vogt Mut bewiesen, dann hätte er dem Neandertaler die Züge der Nazis im Allgemeinen und Hitler im Besonderen verleihen können. So lebt der Neandertaler mit einem Säbelzahntiger im Grunde am Boden einer gigantischen Grube und erhält Menschenopfer.

Der Plot macht als alleinstehender Text schon wenig Sinn, aber in diesen Fugenroman eingebaut stellt van Vogt die guten Ansätze zu Beginn der Geschichte komplett auf den Kopf. Van Vogt versucht die drei Geschichten mit der Idee zusammenzuhalten, dass Pendrake nach der ersten „Strahlenvergiftung“ durch die niemals erklärte Maschine möglicherweise außerirdischen Ursprungs und für einige Jahrzehnte auf der Erde versteckt in einem künstlichen Koma gehalten wird und ei nachfolgenden Episoden nur träumt. Für diese These könnte sprechen, dass sich Jim Pendrake zu James Pendrake wandelt. Auch seine von ihm getrennt lebende Frau heißt anders.

Dagegen spricht, dass Pendrake seine Frau am Ende der ersten Geschichte vor einer Forschungseinrichtung wiedertrifft, die sich nur an Paare wendet. Gemeinsam sollen sie einen neuen Planeten besiedeln und nur noch wenige Plätze sind frei. Der Logik folgend wäre Pendrake dann an der Türschwelle quasi in das künstliche Koma gefallen, das die anderen Geschichten erst ermöglicht hat. Das wirkt wenig wahrscheinlich und zweitens ignoriert van Vogt diese absurde Prämisse hinsichtlich des zu offenen Endes seines Episodenromans.

Van Vogt ist zu Beginn seiner Karriere eine Art Visionär gewesen, der sich vor allem kritisch mit der Politik auseinandergesetzt hat. Die Isher Romane und Kurzgeschichten sind in dieser Hinsicht ein perfektes Beispiel. Auch die Parodie des amerikanischen Präsidenten mit dem größten Wahlkampf wirkt wie ein Vorgiff auf die Trumpzeit. Der Präsident mit seiner Ignoranz und Dummheit könnte gut in die Jetztzeit passen. So will er Pendrakes Blut in der Hoffnung, dass dessen bislang kaum untersuchte Fähigkeiten auf ihn als Führer der freien Welt übergehen. Der Wahlkampf muss groß und erfolgreich sein, weil er gegen eine Frau antreten muss und eine Niederlage könnte sein Ego zerstören.

Frauen sollen in dieser Gemeinschaft gleichberechtigt sein. So wird der Präsident von Frauen bewacht, die Chuck Norris oder Arnold Schwarzenegger zum Staunen bringen würden. Am Rande des Fatalismus verteidigen sie einen Mann, der aus der Zeit gefallen zu sein scheint. So ordnet er an, dass Frau Pendrake vier Wochen Zeit hat, sich auf der Mondkolonie einen neuen Mann freiwillig zu suchen. Männer gibt es dort genug. Immer wieder greift van Vogt nicht nur in diesem Text die Idee auf, dass sich Frauen freiwillig für höhere Ziele im Grunde prostituieren. Auch wenn der Kanadier es weiterhin eine Art modernen Escort Service nennt. Von Emanzipation sind seine Frauen weit entfernt. Die Gleichberechtigung erfolgt in Form von Drogen, die niemals direkt ausgesprochen, die Frauen auf das Niveau des Mannes bis auf den Superhelden heben, Männer aber auch einige Stufen nach „unten“ bringen.

Auffällig ist, dass alle seine Protagonisten noch hölzerner sind als in vielen seiner anderen Bücher. Im Gegensatz zu Asimov oder Heinlein, die mit Einschränkungen lebendige und überzeugende Protagonisten erschaffen haben, distanziert van Vogt alle seine Figuren immer wieder von den Lesern. Selbst die Supermänner kommen mit ihrem Leben nicht zurecht. So zweifelt Pendrake anfänglich an sich selbst und sucht Kontakt zu seiner Frau, die diesen brüsk zwar ablehnt, auf der anderen Seite einen großen Teil ihres Vermögens heimlich auf Pendrake übertragen hat, um ihm bei Bedarf und aktiver Rückfrage ein angenehmes Leben zu ermöglichen.

Die Science Fiction ist wissenschaftlich betrachtet ein Feld, das van Vogt überhaupt nicht interessiert. Er baut in seinen Geschichten Maschinen auf Prämissen auf, die keinen Sinn machen. Selbst in der fernen Zukunft. Es geht ihm vor allem um den verbalen Effekt, den eine Reihe von „Fachbegriffen“ auf naive jugendliche Leser haben könnten. Van Vogt hält sich auch nicht lange mit ihnen auf, sondern springt von einer Idee zur nächsten, ohne auf Logik zu achten. Während der Auftakt der Geschichte mit dem Fund der seltsamen Maschine noch zugänglich ist und auch die späteren Erklärungen eines toten Flüchtlings an Bord des außerirdischen Fahrzeugs interessant erscheinen, verliert sich der Plot anschließend im Techno Gebabbel.

Dabei geht van Vogt Risiken. Es geht ihm irgendwie um das Erzählen, um das Packen und weniger um logische Geschichten. Selbst in dessen schwächsten Texten weiß der Leser niemals, was auf der nächsten Seite auf ihn zukommt. Das macht den unlogischen Reiz selbst seiner schwächsten Arbeiten aus. Im Falle von „The Beast“  - keine Einstandslektüre – muss der Leser sich mit einem Überhelden im Wachkoma auf der Suche nach den Nazis unter der Mondoberfläche mit einem Neandertaler als Menschenfressenden Führer auseinandersetzen. Parallelwelten gibt es als Bonus gratis dazu. Wer diese absurden Geschichten in der Tradition von aufgeblähten B- Filmmustern gerne liest, kann nach einem Schwenk über van Vogts ursprünglichen Kurzgeschichten seine Reise durch den im Grunde wirren Verstand des Kanadiers gerne mit „The Beast“ beenden. Aber er sollte die Exkursion nach Absurdistan nicht mit diesem grundsätzlich missglückten Fixed Up Versuch beginnen.        

Terra Taschenbuch 137

Umfang 172 Seiten