Neil Clarkes einleitende Worte zu dieser kleinen Jubiläumsausgabe sind extrem kurz.
Im Mittelpunkt steht die ursprünglich 1988 veröffentlichte, sowohl für den HUGO als auch den Nebula nominierte Novelle von Walter John Williams „Surfacing“, deren Inhalt insbesondere in ökologischer Hinsicht aktueller denn je ist. Williams gilt eher als Cyberpunkautor, aber die vorliegende Arbeit zeigt auch seine emotionale, im Grunde „sanfte“ Art und Weise. Sie reiht sich in einer Reihe von Geschichten ein, die sich allerdings vor dem Hintergrund einer fremden Welt mit Ökosystemen und Walen auseinandersetzen.
Anthony wirkt wie ein Autist. Er kommt eher mit Außerirdischen und Walen als Menschen zu recht. Das hat sicherlich mit seinen Eltern und dem Aufwachsen auf einem fremden Planeten zu tun. Wenn er bis zum bitteren Ende die Geschichte seiner Familie erzählt, beginnt der Leser seine zurückhaltende, aber auch emotional in Krisenzeiten aggressiv aufbrausende Art und Weise zu verstehen, aber nicht unbedingt gleich zu akzeptieren.
Die Wale können inzwischen sehr gut mit den Menschen kommunizieren. Dabei fügt Williams einen humorvollen Unterton den einzelnen „Gesprächen“ hinzu. Die Deep Dweller auf einem fremden Planeten bleiben dem Leser fremd. Vor allem das Auftauchen eines dieser Tiefseebewohner erinnert am Ende an das erste Erscheinen eines gigantischen Sandwurms auf dem fernen Planeten, den Frank Herbert so majestätisch erfunden hat.
Die Deep Dweller sind aber nicht die einzigen Fremden in dieser Novelle. So gibt es fast wie ein Klischee n-dimensionale Wesen, die allerdings eher nur auf Einladung sich in menschlichen Körpern „breit“ machen und deren Kultur kennenlernen wollen.
Selten passt ein Titel auf alle Schichten einer Novelle. Auftauchen, vielleicht auch den eigenen Trott verändern. Die Begegnung eines oder einer Außerirdischen im attraktiven weiblichen Körper einer Frau reißt Anthony aus seinem Trott von Einsamkeit, Alkohol und dem Meer. Allerdings in doppelter Hinsicht. Er lernt Liebe und Eifersucht kennen, während das Alien im Gastkörper eben Extreme erleben möchte.
Die Wirtin des Fremden hat selbst schwerwiegende emotionale Probleme. Viele hängen auch mit ihrer eigenen Vergangenheit zusammen, über welche sie allerdings nur verklausuliert schreibt. Ihre Geschichte verblasst im Vergleich zu Anthonys Schicksal mit einem Vater, der aus der Zivilisation ausbricht und quasi im Dschungel eines kaum erforschten, aber wie ein wildes Paradies erscheinenden Planeten. Anthonys Vater ist der einzige Charakter der Geschichte, der buchstäblich „untertaucht“ und mit seiner sturen Art die Entwicklung seiner Kinder nicht nur stört, sondern verhindert.
Die Deep Dweller tauchen noch nicht so oft auf. Sie haben auch keinen Grund, mit den ihnen wie Fliegen erscheinenden Menschen zu kommunizieren. Anthonys Job ist es, aus den Tiefen des fremden Meeres diese Impulse aufzufangen, zu verstehen und vielleicht auch für die Siedler auf den Planeten zu übersetzen.
Interessant ist, dass es die Antworten der Fremden sind, welche schließlich impliziert den Durchbruch der Kommunikation mit den Deep Dwellern darstellen könnten, aber nicht unbedingt müssen. Walter John Williams lässt das Ende absichtlich offen.
„Surfacing“ ist eine von der Atmosphäre und den Charakteren bestimmte Geschichte. Es sind die kleinen Anekdoten wie die „Sucht“, Menschen in Form von nach ihnen benannten Kneipen unsterblich zu machen, die eigentlich in einer von relativer Unsterblichkeit bestimmten Zukunft nur sterben und damit vergessen werden wollten.
Es ist die Suche von einer Handvoll Charaktere nach dem Sinn in ihrer bisher von Routine bestimmten Existenz vor dem Hintergrund eines phantastischen, allerdings nur ansatzweise vom Autor entwickelten ursprünglichen wie herausfordernden Planeten.
Der Text ist inzwischen mehrfach nachgedruckt worden. Die Novelle gibt es auch alleinstehende. Daher ist der Nachdruck nur bedingt notwendig, aber wer sich in erster Linie auf Neil Clarkes von seinen Leser mitbestimmte Auswahl verlässt, wird immer wieder vergessene Perlen wie diese stimmungsvolle wie zeitlose Novelle entdecken.
Rich Larsons „In Event of Moon Disaster” ist eine humorvolle Variation bekannter Themen Zwei Menschen landen auf dem Mond. Die Astronautin verschwindet in einem Krater und kehrt knapp zwanzig Minuten später wieder zurück. Aber nicht alleine. Eine Kopie von ihr folgt dem Original. Oder handelt es sich wieder um eine Kopie? Der Leser ahnt, in welche Richtung sich der Plot entwickelt. Möglicherweise haben die Astronauten einen gigantischen außerirdischen Kopierer entdeckt. Rich Larson gibt keine weiteren Hintergrundinformationen, sondern lässt den Plot begleitet von pointierten Dialogen und einer Reihe unmöglicher Entscheidungen einfach laufen. Die Pointe ist daher pragmatisch konsequent.
Auch die dritte Geschichte stammt in „Forever Magazine“ 75 aus „Asimov´s Science Fiction. „Ten Poems for the Mossums, One for the Man“ von Suzanne Palmer ist ebenfalls wie in Walter John Williams Novelle die Geschichte eines Außenseiters, der sich in diesem Fall auf den Planeten Ekye zurückzieht, um die Flora und Fauna zu beobachten. In der Stille der Natur versucht er seine Kreativität wiederzufinden.
Der eigentliche Plot folgt den bekannten Mustern. So verzichtet Davin auf den ersten Blick notgedrungen auf jegliche Technik, auf den zweiten Blick nutzt die Autorin aber die schon in der Gegenwart vorhandenen Möglichkeiten nicht aus. Er beginnt die Mossums ausführlich zu studieren und stellt fest, dass sie intelligent sind. Diese Entwicklung wird an Hand der Gefahr durch einen natürlich Feind der Mossums dargestellt. Die Mossums warnen den Menschen vor den Red Rex, er kann sie aber anfänglich nicht verstehen. Erst später erkennt er, was die Tiere eigentlich von ihm wollten.
Positiv ist, dass die Menschen in einem Siedlungsprojekt in der Nähe weder Davins noch die Feinde der Mossum sind. Sie versuchen sich in der fremden Umgebung genauso zurecht finden wie Davin. Dadurch verzichtet Suzsanne Palmer auf eine Reihe von typischen bis klischeehaften Konfrontationen.
Die Kurzgeschichte lebt vor allem von Davin. Als Künstler ist er sensibel bis empfindlich. Auf der einen Seite sucht er Einsamkeit, auf der anderen Seite merkt er, dass er als Künstler nur „kreativ“ sein kann, wenn er eine Art von Feedback bekommt. Zwar sind die Mossums sehr weit von menschlicher Gesellschaft entfernt, aber der dreidimensional gezeichnete Charakter brauchte diese Fremden, um Nähe zu finden und wieder aufzuwachen.
Suzanne Palmer hat einige von Davins Gedichten in die Handlung eingestreut.
Wie Walter John Williams Geschichte handelt der Text vor allem von Menschen, die durch Herausforderungen zu sich selbst finden. Das ist die eigentliche Stärke dieser beiden Texte, während Rich Larson für den Humor zuständig ist. Generell ist die Jubiläumsausgabe von „Forever Magazine“ eine überdurchschnittliche Zusammenstellung von drei ungewöhnlichen Geschichten.