The Magazine of Fantasy & Science Fiction January/ February 2021

Gordon van Gelder

Die Jahresauftaktausgabe von “The Magazine of Fantasy & Science” ist gleichzeitig die letzte offizielle Ausgabe des Herausgebers C.C. Finlay.  Die von ihm ausgewählten Geschichten werden aber noch länger seine Nachfolgerin begleiten. Vielleicht hat C.C. Finlay zum Abschied vor allem Geschichten aus dem Bereich der Weird Fiction mit einer überragenden Novelle von John Kessel ausgesucht, um seinem eigenen literarischen Geschmack zum Abschied Ausdruck zu verleihen.

 Neben der Kolumne über Spiele und. Neue wissenschaftliche Erkenntnis zeigt Thomas Akufsek auf, wie gefährlich Science Fiction Cons tatsächlich sind. David de Lint und Elizabeth Hand besprechen neue Science Fiction und Fantasy Bücher. In der Filmsparte geht Kathleen Lowachee auf die surrealistischen Werke des Regisseurs Kaufmann ein, während in einer der frühen Höhepunkt de Fillipo den Lesern zeigt, wie tatsächlich die „Year´s Best“ Anthologie gemacht werden. Humorvoll mit einer bittersüßen Ironie.

 Das Spektrum der Geschichten ist zwar immer noch relativ breit, liegt aber wie erwähnt im Bereich der teilweise surrealistischen Fantasy. „Integral Nothings“ von Robert Reed macht aber seinem Titel auf eine andere Art und Weise Ehre. Mit einem depressiven Ende versucht der Autor unterschiedliche Menschenschicksale auf sehr wenig Raum zu beschreiben und die losen Ende schließlich zusammenführen. Der Leser hat aber so gut wie keine Möglichkeit, sich mit den einzelnen Protagonisten zu identifizieren.

 H. Pueyos „The Diamond Family Glitters“ beschreibt die besondere, allerdings auch ambivalent genutzte Fähigkeit einer Familie bzw. der Großmutter. Die Angst der Familie liegt in der Tatsache begründet, dass sie mit deren Tod befürchten, ihren Sonderstatus zu verlieren. Gut geschrieben, eine lustige Pointe, aber zu wenig hintergrundtechnisch extrapoliert.

 „Interludes with the Gunwright“ von Jonathan L. Howard spannt sich zeitlich über mehrere Jahre. Eine Soldatin besucht immer wieder eine Waffenschmiedin, um neuere moderne Waffen zu kaufen. Dazu die entsprechende Munition. Am Ende beginnen die beiden dreidimensionalen Frauen Gefühle füreinander zu entwickeln. Die Liebesgeschichte ist gut entwickelt, die Protagonisten sind dreidimensional entwickelt, aber die einzigen phantastischen Ideen sind die neuen Waffen, welche die Schmiedin entwickelt. Der Plot hätte also auch als eine Art Frontierwestern funktionieren können und wäre vielleicht sogar als Ganzes glaubwürdiger erschienen.

 Mit Waffen setzt sich auch eine zweite Geschichte auseinander. In „A Little Knife Music“ von Jenn Reese lernt eine junge Frau an einer besonderen Schule das Handwerk des Attentäters. Natürlich muss sie sich irgendwann zwischen einem Freund und einem Auftrag entscheiden. Auch wenn die Story inhaltlich keine neuen Aspekte anbietet, ist sie grundsolide und stilistisch ansprechend geschrieben worden.

 Die letzte Geschichte dieser Ausgabe „The Pieper“ (Karen Joy Fowler) beschreibt auch einen jungen Mann, der mit seinem Freund sich einer Armee anschließt. Sie ziehen in einen nicht näher beschriebenen Krieg. Nach einigen seltsamen Begegnungen ändern sie ihre Meinung und verlassen die Armee wieder. Es gibt keinen richtigen Plot, die Protagonisten werden nicht eingeführt und der Hintergrund bleibt vage.

 Die längste und beste Geschichte der Jahresauftaktnummer ist „The Dark Ride“ von John Kessel. Ein Mann entschließt sich, den amerikanischen Präsidenten William McKinley zu ermorden. Vorher besucht er 1901 die Panamerikanische Ausstellung in Buffalo, New York. Von dort bricht er zu den Höhlen auf dem Mond auf, wo er in einer Mischung aus H.G. Wells und Lumieres berühmten Film quasi dem unterdrückten menschlichen Volk begegnet und sich entschließt, den Tyrannen zu töten. Auf der Erde hat sich der aus dem Arbeitermilieu stammende Mann mit einer Reihe von kommunistischen Thesen beschäftigt. Inspiriert von den Reden einer Frau. John Kessel springt zwischen der Realität und der geistigen Irritation des Protagonisten hin und her. Mehr und mehr versinkt er in seiner Scheinwelt. Er kann sich nicht erklären, warum er den Präsidenten eigentlich töten wollte. Allerdings kann er zwischen dem Präsidenten und dem Tyrannen auf dem Mond in seiner Gedankenwelt noch unterscheiden. Das Ende ist zwar irgendwie offen, wird aber von John Kessel in dieser stimmungsvollen, gut recherchierten Novelle aber auch konsequent genug abgeschlossen.    

 Justin C. Keys „N-Raptured“ besitzt eine verführerisch moderne Pointe. Zwar ist der Unterton humorvoll, aber die Umdrehung eines bekannten historischen Aspekts wäre auch heute zeitgemäß und würde manchen Konflikt im Keim ersticken. In Justin C. Keys Welt werden alle Menschen automatisch gebrandmarkt, wenn sie etwas rassistisches sagen oder tun. Wenn ein Mensch zu viele dieser im Grunde Aussatzzeichen auf sich vereint, wird er/ sie automatisch in eine Art Ratte verwandelt. Nicht körperlich, aber für jeden erkennbar. Auch wenn keine Hintergrundinformationen angeboten werden und der Plot sich auf diese phantastische Pointe konzentriert, liest sich die Parabel auf die Gegenwart erstaunlich kurzweilig, amüsant und anschließend zum Nachdenken anregend.

 Die zweite Humoreske ist „Hard“ von Van Aaron Hughes. Ein geschiedener Vater will den Wunsch seines Sohns erfüllen. Gemeinsam fahren sie zum Curling zu einer wirklich abgeschiedenen Bahn. Nur hat eine besondere Gruppe die Anlage gemietet. Außerirdische. Warmherzig – der Vater sucht Zugang zu seinem Sohn – und einfach lustig – die Jugendlichen haben mit den außerirdischen natürlich in ihrer fliegenden Untertasse – sehr viel Spaß.

 „Litter Witch“ von Susan Palwick ist nicht die einzige wirklich groteske Geschichte dieser Ausgabe. Die Protagonistin ist eine Hexe. Sie lebt mit und im Müll. Aus Müll baut sie sich ihr Haus. Die Mitmenschen lehnen sie ab. Als in ihrer Nähe eine junge Frau mit einem Flugzeug abstürzt, dreht sich ihr Leben auf eine andere, noch seltsamere Art und Weise. Es ist schwer, einen Zugang zu den Figuren zu erhalten.  Stilistisch bemüht sich Susan Palwick, eine entsprechende Atmosphäre zu erschaffen. Aber viele Elemente bleiben dem Leser einfach nur fremd.

 Die einzige Science Fiction Story stammt von Lavie Tidhar. Anscheinend könnten sie Teil eines neuen Fugenromans seins. „Wild Geese“ beschreibt die Reise zweier seltsamer, eher ambivalent charakterisierter Protagonisten über die Welt. Die Welt wird rudimentär beschrieben. Sie folgen einem automatisierten „Städtebauer“, wobei nicht klar ist, für wen er baut und warum sie ihm folgen. Da hilft auch Lavie Tidhars melancholischer Stil wenig.

 James Morrow führt seine Reihe von „Bible Stories for Adults No. 51“ fort. Es ist nicht der 51. Beitrag zu dieser Reihe. Dieses Mal erzählt er von Noah und seiner Reise. Die Nebenfiguren sind alle neu „komponiert“, alleine die Begegnungen kommen dem Leser aus der Bibel bekannt vor. Bei dieser Reihe verzichtet James Morrow auf seinen teilweise sehr exzentrischen Stil, sondern konzentriert sich auf eine wohlmeinende Parodie mit einzelnen Exzessen der zugrunde liegenden Handlung. Zusammen mit John Kessels Novelle der Höhepunkt dieser durchschnittlichen bis schwachen „The Magazine of antasy % Science Fiction“ Ausgabe. Vielleicht wollte C.C. Finlay die besten Geschichten für die erste Ausgabe seiner Nachfolgerin aufheben. Aber realistisch startet das Jahr 2021 ausgesprochen enttäuschend. Dabei ist es nicht der Themenschwerpunkt Fantasy, sondern eher die Tatsache, das die Autoren die einzelnen Geschichten eher rudimentär entwickelt haben und hektisch erzählen.

The Magazine of Fantasy & Science Fiction, January/February 2021 by C.C. Finlay

Taschenbuch, 256 Seiten

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