Der verbotene Kontinent

Georg Zauner

Zwei Jahre nach dem mit dem Kurd Laßwitz Preis ausgezeichneten Fugenroman „Die Enkel der Raketenbauer“ veröffentlichte Georg Zauner mit „Der verbotene Kontinent“ seinen zweiten und gleichzeitig auch letzten Science Fiction Roman. Der verbotene Kontinent ist Zentraleuropa und einzelne Schreibweise wie die Nutzung des Begriffs KOMMUN implizieren, dass der Plot vor „Die Enkel der Raketenbauer“ spielen könnte. Auf der anderen Seite machen die Beschreibungen im möglicherweise verstrahlten Zentraleuropa inklusiv der Begegnung mit in die Primitivität zurückgefallener weißer Menschen aus der Perspektive der Enkel der Raketenbauer, egal ob im 28., oder 33 Jahrhundert in dieser Hinsicht keinen kontinuierlichen Sinn.

Im Gegensatz zu dem aus unterschiedlichen Tagebuchaufzeichnungen und fiktiven Dokumenten zusammengesetzten „Die Enkel der Raketenbauer“ hat Georg Zauner auf die Idee einer modernen Robinsonade zurückgegriffen. Die Handlung wird chronologisch auf zwei Ebenen oder besser an zwei Orten entwickelt, wobei der Autor insbesondere beim Spannungsbogen um die Forschungsstation Omaburu im ehemaligen Piacenza gelegen auch auf einige konstruiert wirkende, dann aber zu wenig nachhaltig entwickelte Elemente fast zurückgreifen muss, um seinem Plot Fleisch zu geben.

Im ersten Drittel des Buches skizziert der Autor das zeitlose Ausgangsszenario seiner Handlung.  Die westliche Zivilisation, vielleicht auch ganz Zentraleuropa ist untergegangen, spurlos quasi verschwunden.

Zentraleuropa gilt als unbewohnt, nur Basen unterhalb der Alpen sind erlaubt. Die Meeresspiegel sind erheblich gestiegen und dadurch liegt natürlich ein Großteil der Küstengebiete unter Wasser. Anscheinend sind Teile von Europa auch radioaktiv verseucht. Ein sich ausbreitender gelber Fleck ist das klassische Symbol dafür. Innerhalb des gelben Flecks finden sich auch Reste technischer Hinterlassenschaften. Ob es sich um eine atomare Auseinandersetzung handelt oder möglicherweise einen Reaktorunfall lässt Georg Zauner offen.   Am Ende präsentiert er eine Erklärung, die eher zu „Die Enkel der Raketenbauer“ passt. Der Tonfall dieses zweiten Buches ist deutlich dunkler und einige Szenen wie die Jagd und schließlich auch Häutung eines wilden Bären ziehen sich unverhältnismäßig lange hin. Daher wirkt die halluzinogene Droge Biir fast wie ein überdimensionierter Fremdkörper, der seinen ursprünglich belustigenden Besuch in den Köpfen der beiden Forscher von jenseits der Alpen zu weit ausdehnt.

In Afrika und wie sich später auch herausstellt Amerika – Blackamerica – hat sich eine neue Zivilisation gebildet, in welcher nur Farbige leben. Auch hier liefert Georg Zauner keine Hintergründe. Vor allem in Amerika könnte eine solche Zivilisation nur in dieser „reinen“ Form entstehen, wenn eine biologische Kriegsführung im Spiel gewesen ist. Aber die Kontraste benötigt Zauner für seine First Contact Geschichte auf dem verbotenen Kontinent. Auch die Idee, dass die Weißen zu einer Art Dämonen geworden sind, welche die Alpträume der Farbigen von einem Ende der Welt bevölkern, wirkt rückblickend bemüht. In dieser Hinsicht hat Georg Zauner bei „Die Enkel der Raketenbauer“ mehr überzeugen können. Die freie Phantasie seiner Bewohner des 28. Und 33. Jahrhunderts im Gegensatz zum direkten Wissen der Leser ließ den dunklen Fugenroman optimistischer und surrealistischer zu gleich erscheinen.

Von der Forschungsstation Omaburu soll der verbotene Kontinent jenseits der Alpen nicht unbedingt klassisch erforscht, sondern eher kontrolliert werden. Mittels Solarflugzeugen werden die Alpen überquert, nach von den aus Sicht der Forscher entvölkerten Gebieten ausgehende Gefahren frühzeitig erkannt und vor allem der angesprochene sich ausweitende gelbe Fleck weiter untersucht. Bei einem dieser Erkungsflüge stürzt das Flugzeug mit dem Wissenschaftler Ossaman und seinem Piloten Wakaale in der Nähe des gelben Flecks ab. Sie müssen nicht nur gegen die latent herausfordernde Natur ankämpfen, sondern sich mit den weißen Einheimischen auseinandersetzen.

Gleichzeitig wird die Forschungsstation Omaburu durch ein Erdbeben schwer beschädigt. Dadurch ist keine sofortige Suche nach den Verschollenen möglich.  

Die von Georg Zauner aufgebaute Bedrohung wird relativ schnell relativiert. Daneben hat er wie auf dem verbotenen Kontinent eine Zivilisation aufgebaut, die von den Interessen der Frauen dominiert wird. Es gib keine klassischen Ehen mehr und die Freundin des verschollenen Wissenschaftlers Ossaman findet zumindest körperlichen Trost in den Armen eines gemeinsamen Freundes, mit dem sie auch schon zu Ossamans Zeiten intim gewesen ist. Auf dem verbotenen Kontinent suchen sich die meisten der sexuell aktiven Frauen Männer aus den Dorfgemeinschaften aus und zeugen mit ihnen Kinder. Nur die Frauen des Königs sind tabu. Eine Erweiterung des genetischen Pools erfolgt durch den Austausch der Männer zwischen den Dörfern, aber nicht der Frauen.

Der Autor hat ein sichtliches Vergnügen, die einzelnen rassistischen Klischees der Gegenwart auf den Kopf zu stellen und sie quasi gegeneinander auszuspielen. Da wird die Erwartungshaltung zwischen schwarz und weiß durcheinandergewirbelt und die Farbigen schauen mit Erstaunen/ Verachtung auf die Weißen runter. Vor allem der Wissenschaftler Ossaman ist dann allerdings auch der farbige Robinson, der im Gegensatz zu seinem Freitag Wakaale, offen auf die Weißen zugeht. Allerdings neigt er auch dazu, nach den ersten Hilfslieferungen seinen Status zu festigen und trotz Geschenke an den König zu demonstrieren, dass er diesem mindestens überlegen ist. Dieser Machtdemonstrationen hätte es allerdings nicht bedurft, da die Basis zwischen den primitiven Einheimischen und den Fremden von Himmel erstaunlich friedlich und offen ist.

Am Ende des Buches greift Georg Zauner auf ein Stilmittel aus „Die Enkel der Raketenbauer“ zurück. Ossaman findet einen mindestens einhundert Jahre alten Bericht einer früheren geplanten Expedition aus dem schon erwähnten Blackamerika auf den verbotenen Kontinent. Georg Zauner präsentiert dem Leser eine Reihe von Fakten, welche das gesamte Hintergrundbild ein wenig hektisch und zu stark konstruiert abrunden.

Zwar impliziert der Autor, dass die Forscher und ihre Retter weniger an den Herausforderungen des verbotenen Kontinents, sondern ihres eigenen Aberglaubens scheitern, aber diese These wirkt wie eine intellektuelle Farce. Klassische Abenteuerliteratur wie eben Robinson Crusoe oder die Geschichten von Kipling lassen die Protagonisten entweder dank ihrer Improvisationsgabe alle Hindernisse überwinden oder sie scheitern an den Herausforderungen der Natur. Zauner will sich nicht mit einem klassischen Abenteuerende verabschieden und versucht durch einen belehrenden Grundton aufzuzeigen, dass die „technologisch“ fortgeschrittene, aber nicht adäquat beschriebene neue erste Zivilisation an den eigenen Urängsten zumindest in diesem Fall scheitert.

Stilistisch wirkt „Der verbotene Kontinent“ vor allem aus heutiger Sicht ein wenig bemüht. Inhaltlich spricht Zauner eine Reihe von heute noch aktuellen Themen wie Umweltverschmutzung bzw, Umweltkatastrophen; möglicherwiese eine atomare Auseinandersetzung und schließlich auch latenter sowie direkter Rassismus an. Lösungen kann und will der Autor in keinem seiner beiden Science Fiction Romane anbieten. Zugänglicher, aber auch oberflächlicher ist „Der verbotene Kontinent“, die groteske Humoreske „Die Enkel der Raketenbauer“ ist unabhängig vom in den achtziger Jahren allgegenwärtiger Thema der Selbstvernichtung der ersten Welt durch Atomwaffen auch heute noch sehr viel lesenswerter und inhaltlich breiter aufgestellt.      

 

DER VERBOTENE KONTINENT: Ein dystopischer Science-Fiction-Roman

  • Herausgeber ‏ : ‎  Apex Verlag (25. Juni 2020)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Taschenbuch ‏ : ‎ 288 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 375296801X
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3752968019
  • Lesealter ‏ : ‎ 18 Jahre und älter
  • Abmessungen ‏ : ‎ 12.5 x 1.83 x 19 cm