Roger Zelaznys „Mein Name ist Legion“ (der Titel lässt sich weiterspinnen, in dem man „... denn ich bin viele“ anhängt) ist der Sammelband bestehend aus drei Novellen, die zwischen 1969 und 1974 mit dem gleichen Charakter erschienen sind. Für die letzte Geschichte „Daheim ist der Henker“ erhielt Zelazny den NEBULA Award für die beste Novelle. Die drei Geschichten sind durch den namenlosen Protagonisten miteinander verbunden.
In der erste Novelle „Rumokos Sohn“ führt er den Protagonisten ein. Dieser lebt in der aus heutiger Sicht nahen Zukunft, deren größtes Unterscheidungsmerkmal eine komplette, demokratisch entschiedene absolute Kontrolle aller Menschen in einer an die „1984“ Version erinnernden Gesellschaft ist. Die Daten werden mittels Lochkarten in die Computer eingespeist. Der Protagonist arbeitet in einem dieser Zentren, auch seine Daten stehen vor der Eingabe. Nach einem Gespräch mit dem Vorgesetzten entschließt er sich auf dessen Rat hin, die Lochkarten zu vernichten und quasi als datenloses Nichts mit verschiedenen künstlichen Identitäten zu leben.
Da er Geld verdienen muss, schließt er sich als freier Mitarbeiter der drittgrößten Detektei der Welt an. Zu Weihnachten schreibt er eine Ansichtskarte an seinen Chef. Darauf sind vier Orte und vor allem die genauen Zeiten festgehalten, an denen er sich im nächsten Jahr dort aufhalten wird. Auf diese Art und Weise erhält er mögliche Aufträge.
Die erste Geschichte führt nicht nur ausführlich im Vergleich zum Gesamttext den Charakter ein, sondern präsentiert einen dieser gefährlichen Aufträge, die er übernehmen soll. Um der Menschheit mehr Lebensraum zu schaffen, will man mit dem Projekt RUMOKO Wasserboden quasi als zukünftige künstliche Inseln mittels konzentrierter Sprengungen an die Oberfläche holen. Anscheinend gibt es eine Gruppe, die diese Bestrebungen unterbinden will. Sie schreckt auch nicht vor Bombenanschlägen zurück.
Der eigentliche Fall ist relativ geradlinig erläutert. Zelaznys ernster Nobody unterbricht einen Anschlag, verhört zwei Verdächtige und wird so quasi selbst zum Gejagten. In dem hektischen und viel zu abrupten Finale werden die tragischen und für den Leser nachvollziehbaren Motive der Täter genauso aufgeführt wie der zynische Hintergrund dieser Aktion. Dabei stellt sich dem Leser unwillkürlich die Frage, ob hier nicht zu viel Aufwand um buchstäblich nichts betrieben wird, denn die Menschheit hat mit einer vielleicht ein wenig kostspieligeren, aber auch nachhaltigeren Methode schon begonnen, sich woanders Überlebensraum zu erschaffen
Daher wirkt dieser Text im Vergleich zu den beiden folgenden, sehr viel interessanteren Novellen ein wenig bemüht. Auch das Vorgehen des Philip Marlowe der Zukunft erscheint aus heutiger Sicht fast naiv, frei denkend. Roger Zelazny verzichtet auf eine umfangreiche Psychoanalyse seines Protagonisten. Er entscheidet sich für diese neue Freiheit, weil er im Grunde nichts Anderes zu tun hat und es ihm passt. Auch seine Fähigkeiten nicht nur als Detektiv, sondern durch seine Verkleidungen und Maskierungen im Grunde als eine „The Saint“ mit den Fähigkeiten eines McGuyvers der Zukunft setzt der Autor ohne weitere Erklärungen pragmatisch, aber nicht immer logisch ein.
Unabhängig von diesen beiden Schwächen ist die Novelle ein kurzweilig zu lesendes Sprungbrett für die folgenden Abenteuer, die deutlich dreidimensionaler und vor allem für Texte aus den siebziger Jahren ausgesprochen modern erscheinen.
Die zweite Geschichte „Kjwalll`kje´K´koothai´lll`kje`k“ erschien knappe vier Jahre später. Dieses Mal verzichtet Roger Zelazny auf jegliche Vorgeschichte. Der namenlose Mann befindet sich schon auf einer besonderen Mission. Anscheinend hat ein Delphin einen Taucher tot gebissen. Eine Gruppe von Delphinforschern halten diese Art von Angriff für unmöglich.
Die Klappentexte sowohl der deutschen als auch der englischen Ausgabe implizieren, dass der Detektiv die Unschuld der Delphine beweisen soll. Das ist nur bedingt richtig, denn offen ermittelt er gar nicht in Hinblick auf diesen Mord. Viel mehr wird er in ein Komplott von Diamantenschmuggel verwiegelt, der vom Ressort der Delphine gestört wird. Betrachtet der Leser die Fakten, dann ermittelt er nicht einmal richtig. Immer wieder betont Roger Zelazny, dass sich die Puzzleteile langsam zusammenfügen. Der Leser kann das aber nicht erkennen. Viel mehr müssen sich die obligatorischen Tatverdächtigen selbst überführen, nachdem der namenlose Held das Versteck von Diamanten aufgrund eines anonymen Hinweises gefunden hat. Über weite Strecken ist die Novelle eine normale, direkt geschriebene Detektivnovelle ohne übernatürliche Aspekte. Auch die „The Saint“ Verkleidung des Ermittlers könnte ohne Science Fiction Elemente ablaufen. Auch wirken die Delphine intelligent, sie leben aber auf der Station in ihrer natürlichen Umgebung und die Kommunikation erfolgt auf der damals wie heute bekannten Wissensebene durch den Austausch von Tonfolgen. Interessant ist, dass bis auf eine Forscherin und den die Sachbücher lesenden Detektiv tatsächlich Leute glauben, ein Delphin hätte einen Mann im Wasser tot beißen und nicht mit seiner harten Schnauze zu Tode rammen können. Diese wackelige Prämisse muss durchgezogen werden, damit die Geschichte bis zum Ende funktionieren kann.
Auf den letzten Seite wird Roger Zelazny schließlich ein einziges phantastisches Element ein. Das liefert auf der einen Seite die Erklärung für den Hinweis auf das Diamantenversteck, aber entlarvt auch die Identität des Detektivs. Es gibt einen menschlichen Aspekt, der sich nicht verstecken lässt.
Durch den Verzicht auf die langen Rückblenden liest sich der Text deutlich stringenter und spannender als die erste Novelle. In beiden Texten ist die zugrunde liegende Kriminalgeschichte eher eine Art MacGuffin, damit der Handlungsbogen funktioniert. Viel interessanter sind die inneren Monologe des pragmatischen Protagonisten. Seine Persönlichkeit ist in der zweiten Novelle deutlich besser entwickelt. In dieser Hinsicht wird der abschließende Text „Daheim ist der Henker“ am meisten Befriedigen. Ökologische Themen greift Roger Zelazny in den beiden Geschichten auf, behandelt sie aber ein wenig distanziert und vor allem erst am Ende der Novelle ein wenig zu abrupt.
Interessant ist vielleicht noch, dass sich Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre eine Reihe von Science Fiction Autoren wie unter anderem Arthur C. Clarke oder in Deutschland Karl Ulrich Burgdorf mit der Thematik Delphinintelligenz auseinanderzusetzen begannen. In diese Phalanx reiht sich Roger Zelaznys Text zufrieden stellend, aber leider nicht bahnbrechend ein.
Vor allem bei der dritten Novelle muss sich der Leser vor Augen halten, dass der Text 1974 entstanden ist. Lange vor den Cyberpunks, lange vor einer vernetzten und alles kontrollierten Welt und vor allem lange, bevor das Thema künstliche Intelligenz in aller Munde ist. Der Protagonist ist ein namenloser Privatier, der in einer Welt voller miteinander verknüpfter Datennetze seine Identität, seinen Namen hat löschen lassen. Er ist der Vorläufer der „Everywhere“. Oder wie die Sammlung von Geschichten treffend heißt: Sein Name ist Legion. Er übernimmt die Aufträge, die niemand anders haben möchte. Auch wenn Roger Zelazny ihn über die drei Novellen sehr ambivalent und exzentrisch zeichnet, ist er kein Schurke oder Verbrecher.
Der Hangman ist eine intelligente Maschine, die von vier Wissenschaftler zu den äußeren Monden des Sonnensystems ausgeschickt worden ist. Ohne Anweisungen bricht die Maschine die Mission ab, besucht den Planeten Uranus und kehrt anscheinend zur Erde zurück. Allerdings wird die Kapsel leer aufgefunden. In der gleichen Nacht wird einer der vier Wissenschaftler brutal ermordet. Ein anderer heuert den Namenlosen an, um ihn vor der Maschine zu schützen, indem er sie sucht.
Roger Zelazny spielt lange Zeit mit der Erwartungshaltung der Leser. Während des überraschenden Endes kommt er auf eine Reihe von Kernthemen wie Verantwortung, aber auch angelerntes Sozialverhalten zurück. Es ist kein klassischer Krimi, auch wenn im Grunde zwei Motive vorhanden sind. Lange Zeit verschweigen die drei bedrohten Menschen ein mögliches Motiv, das im Grunde schlüssig wäre. Die zweite Idee erscheint so bodenständig, so alltäglich, dass der Leser erst gar nicht glauben will, das sie den Tatsachen entspricht. Roger Zelazny zeigt unauffällig auf, wie schnell künstliche Intelligenzen auf der einen Seite lernen können, aber auf der anderen Seite auch im positiven Sinne menschliches Verhalten adaptieren, in diesem Fall sogar assimilieren können.
Der Hangman ist abschließend sogar der am meisten zugängliche Charakter. Während der Detektiv das Geschehen teilweise ironisch kommentiert, aber im Grunde eine ambivalente Chiffre bleibt, wirken die männlichen Charaktere vielleicht sogar absichtlich ein wenig stereotyp. Der Politiker mit einer Vergangenheit als forschender Astronaut, der Programmierer und schließlich auch eine Psychologin. Frauenfiguren sind bei Roger Zelazny immer ein wenig klischeehaft, stereotyp in die eine oder andere Richtung gezeichnet, aber Psychologen entsprechen tiefen Wassern, in denen nicht nur ein Protagonist förmlich ertrunken ist.
Auch wenn einige Wendungen der Geschichte auf den ersten Blick konstruiert erscheinen, weil Roger Zelazny zwei voneinander getrennte, aber indirekt zusammenhängende Ereignisse übereinanderlegt, überzeugt die Novelle beginnend mit seinem einprägsamen Titel, einer interessanten Variation einer demokratisch gebildeten 1984 Gesellschaft und vor allem der moralischen Überlegenheit der Maschine gegenüber den Menschen auch fast fünfzig Jahre nach der Erstveröffentlichung immer noch und unterstreicht, welch ein visionärer wie kraftvoller Schriftsteller Roger Zelazny gewesen ist. Das zeigt die dritte der hier gesammelten Novellen am eindrucksvollsten, auch wenn die gesammelten Geschichten als Ganzes betrachtet ebenfalls einen interessanten Fugenroman bilden, in dem der Amerikaner mit den Klischees des Detektivromans spielt und diese vor eine futuristische Zukunft platziert hat.
- Herausgeber : Del Rey; Reissue Edition (12. März 1981)
- Sprache : Englisch
- Taschenbuch : 213 Seiten
- ISBN-10 : 0345295226
- ISBN-13 : 978-0345295224