The Heritage of Heinlein

Thomas D. Clareson & Joe Sanders

Im zweiten Vorwort der Sammlung, das von Frederik Pohls ausgesprochen ambivalenten Worten gelesen werden sollte, erläutert Joe Sanders, wie er den Staffelstab nach Thomas D. Claresons Tod 1993 übernommen hat. Drei Kapitel des Buches – nicht die ersten drei, da „For us, the Living“ erst gut zehn Jahre später wieder entdeckt und publikationsfähig gemacht werden sollte – stammten als Rohentwurf fertig aus Claresons Feder. Fast widerwillig als Fan des frühen Heinleins, der dessen Spätwerk ablehnte, hat Sanders die Arbeit übernommen, nicht nur das Buch fertig zustellen, sondern vor allem die vorhandenen Kapitel zu ergänzen und teilweise hinsichtlich ihrer nicht immer schlüssigen Argumentation zu überarbeiten. Sanders bietet eine interessante Möglichkeit an, den späten Heinlein zu lesen. Nicht als das Werk, das man aufgrund seiner Vorkenntnisse der populären Jugendbuchromane erwartet, sondern als eigenständige Romane, die auf den Ideen der „Future History“ aufbauen, sie aber interessanterweise mit dem lange Zeit unveröffentlichten Frühwerk „For us, the Living“ hinsichtlich gesellschaftlich freier Ordnungen und eheloser Lebensgemeinschaften verbindet. Das Spätwerk als Spielarten der Utopien H.G. Wells zu bezeichnen, traut sich Joe Sanders nicht, aber die Richtung ist eindeutig und wird auch in den später folgenden Analysen eingehalten.

 

Verbindendes Glied zwischen Sanders Vorwort und den eigentlichen Essays ist Frederik Pohl Vorwort, in dem er weniger auf die Bedeutung Heinleins für sich als Freund, Agent und Herausgeber von Magazinen eingeht, sondern die Position Heinleins genauso zu deuten sucht wie dessen ambivalentes Werk oder die Versuche Virginia Heinleins, dessen aus heutiger Sicht latent zügelloses wie freies Leben zu ordnen. Dabei geht er kritisch mit dem Spätwerk um und ordnet den Tod Heinleins langjährigen Lektor – die letzte Zusammenarbeit „The Moon is a harsh Mistress“ erhielt den HUGO – als Schlüsselmoment an, der die bestehende Ordnung in Heinleins Arbeiten zugunsten verbaler Exzesse zusammenbrechen ließ. Als einer der letzten Augenzeugen der Entwicklung Heinleins zeichnet Pohl ein erstaunlich ambivalentes, nicht immer nur warmherziges, sondern vielschichtiges Bild des Autoren mit kleinen Einblicken in dessen Privatleben 

 

Das Schlüsselkapitel „A new calling: For us, the Living“ kommt gleich zu Beginn. Es enthält über die Besprechung des erst nach fast fünfundsiebzig Jahren wieder gefundenen und erstmalig veröffentlichten Romans „For us, the Living“ am Ende die Erkenntnis, dass Robert A. Heinlein selbst mit seiner angeblich „ersten“ professionellen Veröffentlichung begonnen hat, sein Leben zu einer Legende umzugestalten. Während die Kurzgeschichte, mit welcher er den John W. Campbell Storywettbewerb gewonnen hat, ohne Frage der erste Text gewesen ist, für den er Geld erhalten hat, reifte die Erkenntnis schon mit dem Verfassen der an H.G. Wells sozialkritische Utopien erinnernden Geschichte „For us, the Living“ in ihm, dass er mehr als nur ein Unterhaltsschriftsteller, sondern ein Mann mit einem die Gesellschaft verändernden Sendungsbewusstsein sein wollte. Joe Sanders arbeitet heraus, wie der Roman Ideen insbesondere des Wells Romans „When the Sleeper awakes“ extrapoliert und sogar sein Werk nahtlos am Ende der Vorlage beginnen lässt. In der kritischen, aber nicht ins Detail gehenden Besprechung/ Vorstellung finden sich Hinweise auf Ideen, Ansätze und technische Erfindungen, die Heinlein in seinen späteren Veröffentlichungen wieder verwenden sollte. Interessant ist allerdings, dass der noch junge, schriftstellerisch unerfahrene Heinlein kompakt den gleichen Weg gegangen ist, den Wells beschritten hat. Erst kritische, in die Rahmen einer stringenten Geschichte gepackte Abrechnungen mit der gegenwärtigen Zivilisation und impliziert der Angst vor dem Untergang der Menschheit als intelligente Spezies, später unterhaltsame und weniger kritische Texte, in denen diese aus ihrer Sicht relevanten Ideen im Hintergrund keine entscheidenden Rollen mehr spielen, bevor Heinlein ebenfalls vergleichbar H.G. Wells – der seine Thesen allerdings in sekundärliterarische Arbeiten packte – in der Spätphase seines Werkes („The Moon is a harsh Mistress“ und „Starship Troopers“) wieder zu offener Kritik an der in erster Linie aus Heinleins Sicht verweichlichten amerikanischen Gesellschaft zurückschwenkte.   

 "Early profesionell Writing" soll nicht nur einen Überblick über die ersten Schritte Heinleins an der langen, aber stetig spürbaren Leine John W. Campbells geben, deren Kooperation schließlich auch in dem rassistisch negativ herausragenden "The sixth column" endete. Heinlein hatte ja mit "Life- Line" (zu seinen Lebzeiten als Debüt aufgrund seiner Frustration mit der Magazin Science Fiction bezeichnet) den Geschichtenwettbewerb gewonnen. Außerdem wollte er von der Schriftstellerei trotz einer geringen Versehrtenrente der amerikanischen Armee leben. Die Autoren zeigen auf, dass sich Heinlein im Grunde als Autor in zwei Richtungen orientierte. Zum einen finden sich reine Ideengeschichten, die später nicht selten in die sich locker entwickelnde "Future History" aufgenommen worden sind. Zum anderen suchte Heinlein aber im Vergleich zu anderen Campbell Autoren auch immer wieder eine Art sozial politisches Bewußtsein, das in verschiedene Texte eingeflossen hat. An zahllosen Beispielen versuchen sie Heinleins frühe Positionen, die sich teilweise übertrieben extrapoliert auch in seinem Spätwerk wieder finden, herauszuarbeiten, die deutlich mehr seiner privaten Persönlichkeit entsprechen und abgerundet durch die Veröffentlichung von "For us, the living" zeigen, dass der Amerikaner seinen ersten, unveröffentlich gebliebenen Versuch niemals wirklich vergessen hat. Die Essaysammlung "Grumbles from the Grave" beinhaltet eine Reihe von Briefen zwischen Heinlein und Campbell, in denen die Zusammenarbeitung dieser beiden auch intellektuell sehr unterschiedlichen Männer belegt worden ist. Auf diese nicht immer leichten Zwischentöne gehen Sanders und Clareson allerdings ebenso wenig ein wie auf die Tatsache, dass Heinlein abgelehnte Geschichten unter Pseudonym einfach weitergereicht hat. Dabei ignorieren sie genau die Themen, die Frederik Pohl als einer der Nutznießer dieses "zweitklassigen Materials", das immer noch besser als viele andere umlaufenden Texte der vierziger Jahre gewesen ist, in seinem Vorwort so expliziert angesprochen hat. Positiv ist, dass Sanders und Clareson Heinlein in dieser Phase als einen entwicklungsfähigen, aber noch nicht ausgereiften Schriftsteller gesehen haben, dessen Ideen wichtiger als die Form ist. Anhand zahlreicher Zitate lassen sie positiv für die ganze Studie den Schriftsteller Heinlein zu Wort kommen, der sich entsprechend positioniert. Durchlaufende Themen wie jugendliche, noch reifende Helden, von denen nur einer wirklich in das engmaschige Netz der Obrigkeit zurückkehrt, zeigen, in welche Richtung sich seine Jugendbücher entwickeln werden und die Auseinandersetzung mit der Technik im Allgemeinen ist von Respekt geprägt, mit der Atomenergie von Furcht vor der Schwäche des Menschen. Der Fokus dieser sehr intensiven, aber niemals intimen Analyse liegt auf den veröffentlichten Geschichten, so dass wenig von Heinleins Persönlichkeit vielleicht auch als Widerspruch zu den Worten seiner Protagonisten einfliesst und den ganzen Text distanzierter erscheinen lässt als es vielleicht ursprünglich geplant worden ist.    

 

Obwohl eines der kürzesten Kapitel ist "Transitions" ein wichtiger Aspekt der ganzen Studie. Er beschreibt Heinleins Suche nach neuen, besser bezahlenden Märkten wie den Sonntagsausgaben der Tageszeitungen, in denen er Kurzgeschichten veröffentlichte. Unabhängig nicht nur vom anfänglich dominierenden Einfluss seiner eher locker gestalteten, aber nicht zu letzt dank Lazarus Long auch langfristig gestalteten "Future History" Serie und John W. Campbells Versuchen, auch gute Texte in seinem Sinne umzugestalten, experimentierte Heinlein in einem erstaunlich engen Rahmen nicht selten mit klassischen Science Fiction Themen - Zeitreise, Parallelwelten -, um schließlich mehr und mehr seine Ängste vor einer falschen Nutzung der Atomkraft im Allgemeinen oder dem Missbrauch der Macht, welche diese Waffen darstellen in Texten wie "The long Watch" herauszuarbeiten. Die beiden Autoren gehen dabei weniger auf die Details der einzelnen Texte ein, sondern versuchen sie positiv wie oberflächlich negativ in einen Gesamtkontext zu setzen, was zu teilweise ein wenig abenteuerlich absurd angelegten Theorien hinsichtlich des Menschenbildes führt. Zwischen den Zeilen interessant ist, dass Heinlein nicht nur seine überwiegend jugendlichen und damit noch formbaren Helden als Vorgriff auf seine sehr erfolgreichen, kurze Zeit später mit der Präzision eines Uhrwerks veröffentlichten Jugendbücher entwickelt, sondern auch sein Frauenbild durch die Beziehung zu Virginia Heinlein modifiziert und dreidimensionale, selbstständige entscheidende Frauen einführt.  

 

Noch problematischer ist auf den ersten Blick die Auseinandersetzung mit den „Juveniles for Scribner´s“, den zwölf Romanen, welche die Herausgeber dem Juvenile Genre zuzuordnen suchten. Auf der einen Seite hat Heinlein in dieser Zeit auch andere Romane geschrieben, auf der anderen Seite gestehen die Autoren dieser Essaysammlung auch ein, dass die Übergänge schwierig zu definieren sind. Einige der Bücher erschienen erst als Fortsetzungsgeschichten in anerkannten Science Fiction Magazinen wie „The Magazine of Fantasy & Science Fiction“, andere Texte richten sich nicht nur an ein klassisch jugendliches Publikum. Sie beenden die Ära mit dem letzten, auch ursprünglich für Scribner geschriebenen, aber vom Verlag abgelehnten Roman „Starship Troopers“. Aus der Position des aufmerksamen Kritikers gesehen ist die Isolation dieser zwölf Romane aber notwendig und passend, denn sie hängen thematisch auf eine faszinierende Art und Weise zusammen. Beginnend mit „Rocket Ship Galileo“ beschreibt Heinlein den ersten Vorstoß der Menschen bzw. der jugendlichen Protagonisten über die Besiedelung des Sonnensystems bis in die Tiefen des Alls. Leider bildete „Citizen of the Galaxy“ nicht den Abschluss dieser Serie, ansonsten könnte parallel mit der Ausdehnung der Menschen auch der innere Reifeprozess nach einem starren, konservativen, aber nicht unfairen politischen Muster verglichen werden. „Have Space Suit-  will travel” ist auch nicht eine textliche Zusammenfassung der vielen Themen, die Heinlein anspricht. Verbindende Muster sind das Ablehnen klassischer Schulsysteme und die Anlehnung an greifbare Ausbildungen/ Studien wie Ingenieur oder Naturwissenschaften. Hinzu kommt eine kritische Auseinandersetzung mit der natürlichen Autorität in Form von Eltern, von denen sich auf die Spitze getrieben die Kinder scheiden lassen könnten. Interessant ist, dass nur in einem der Romane die Menschen auf von Beginn an feindlichen Außerirdische treffen, welche dem Expansionsdrang Grenzen aufzeigen. Selbst klassische Sternenmonster erweisen sich als ambivalente Persönlichkeiten, die über ihren Charakter und nicht ihr Aussehen definiert werden. Vergleicht man in der hier vorliegenden ausgesprochen kompakten Form diese zwölf auf den ersten Blick so unterschiedlichen und doch irgendwie zusammengehörenden Romane, so zeigen sich neben Heinleins natürlicher Fähigkeit, spannend zu erzählen und seinem negativen Hang zur Belehrung verschiedene, von den Autoren sehr gut herausgearbeitete Muster. Das All ist faszinierend bunt und die jungen Pioniere sind oft die Katalysatoren, welche die Eltern bewegen, das alte Heim aufzugeben. Die Menschen trotzen mit einer Mischung aus patriotischer Überzeugung den amerikanischen Pionieren ähnelnd und dem Willen, sich auf die Situationen mit offenem Verstand einzulassen, allen Herausforderungen. Es bilden sich neue soziale Lebensgemeinschaften, wobei die Frauen in diesen Romanen unterentwickelt sind. So unterschiedlich die Hintergründe auch sind, die technischen Einzelheiten aller Bücher fügen sich gut ineinander und bilden neben der „Future History“ eine weitere, in einem deutlich lockeren Zusammenhang stehende Serie von interessanten, Generationen von Lesern beeinflussenden Büchern, wobei die rassistischen Exzesse nicht vorhanden sind und Heinlein zusammen mit seiner Lektorin mehr und mehr den Fokus mit der älteren werdenden Lesergeneration auf „klassische“ Science Fiction Themen in einem erwachsenen Gewand gelegt hat. Auch wenn die Analysen vielleicht an einigen Stellen angesichts der Fülle des vorhandenen Materials oberflächlicher sind, ist die kompakte Darstellung ein idealer Einstieg in Heinleins Werk und sollte den Kurzgeschichten der vierziger Jahre oder seinem ambivalenten Spätwerk voran stehen.  

 

Ein interessantes Fazit ziehen die Autoren am Ende von „The „Classic“ Period“: In seinen Jugendbüchern hat Heinlein immer wieder versucht, die jungen Leser zu motivieren und ihre Fähigkeiten herauszufordern. Die Bücher sollten ihrer Entwicklung Hilfestellung geben. In „Starship Troopers“ hat er seine erwachsenen Leser zu Kindern gemacht und ihnen aus der dominierenden Pose eines arroganten Lehrers vorgeführt, was sie in ihrem Leben falsch machen und welchen Weg es nur aus dieser Situation geben kann. Es ist nicht der einzige Punkt, der dieses Kapital so diskussionswürdig, so vielschichtig und interessant macht. Auch die Auseinandersetzung bei „The Puppet Masters“ geht über die offensichtlich kommunistische Bedrohung hinaus. Die Autoren schlagen den Bogen zurück in die USA, die aus Heinleins Sicht nur gefährdet ist, weil die Menschen schwach und das politische System anfällig ist. Da Sanders und Clareson von Beginn an auf eine Diskussion von Werk und Autor als Person verzichtet haben, stehen diese Thesen im Raum und dienen als Katalysator weiterer Auseinandersetzungen. Problematisch ist wie schon erwähnt die Aufteilung in Jugendbücher und Erwachsenenliteratur, da in diesem Abschnitt auch einige Kurzgeschichten erwähnt werden, in denen es um Heranwachsende und ihre Herausforderungen geht. Die Übergänge sind im Grunde fließend, um Heinlein nicht als typischen „Verführer“ der Jugend dastehen zu lassen, finden sich die meisten erzkonservativen Ansichten in der Auseinandersetzung mit den Klassikern. Schade ist, dass diese Diskussion im Vergleich zu den Jugendbüchern nur selten in die Materie eindringt und zu viele Flanken rückblickend offen lässt.

Wie schwer es wirklich ist, sich mit Heinlein auseinanderzusetzen zeigt die exklusive Betrachtung der ungekürzten, posthum veröffentlichten Ausgabe von „Strangers in a strange Land“. Sich alleine auf das Werk konzentrierend und die Irritationen auch im Autoren außer acht lassen, die dieser Bildungsroman – es ist nicht das erste Mal, das der Begriff im Rahmen von Heinleins Werk fällt – hervorgerufen hat, ist eine fragwürdige Vorgehensweise. Eng am Text entlang beziehen sich die Interpretationen auf einzelne Abschnitte des Romans, integrieren ihn gut in Heinleins bisheriges Gesamtwerk und versuchen die Auflockerung seiner inneren Einstellung, den Versuch, sich jetzt nach der finanziellen Unabhängigkeit aus dem künstlerischen Korsett des Genres zu befreien, herauszuarbeiten. Sowohl Sanders als auch Clareson geben indirekt zu, dass sie den Roman auch nicht einordnen können und wollen. Vor allem fehlt die Auseinandersetzung mit den beiden Fassungen, von denen die posthume nicht überall Bewunderung hervorgerufen hat. Mit ein bisschen intensiverer Recherche hätte die Autoren auch Heinleins Reaktionen auf die für die Hardcoverausgabe gekürzte Fassung intrigieren können. So bald eine an einigen Stellen sehr lesenswerte Auseinandersetzung mit diesem Bildungsschlüsselroman, die an anderen entscheidenden Stellen wie dem subversiven, erstaunlich religiös ketzerischen Ende zu oberflächlich bleibt.

Wie schwierig „The Final Period“ ist, zeigen alleine die ersten vier besprochenen Romane“: Podkayne from Mars“, „The Glory Road“, „Farnham´s Freehold“ und „The Moon is a harsh mistress“. Sanders und Clareson argumentieren richtig, dass Heinlein als Schriftsteller mehr und mehr mit erzähltechnischen Formen experimentierte. Das ist bedingt richtig, denn anfänglich ging es ihm weniger um die Form des Erzählens – Actionszenen werden zu Lasten von Dialogen vernachlässigt, bis hin zur Geschwätzigkeit seiner letzten Romane -, sondern die literarischen Stilarten, in denen er sich bewegen wollte. „The Glory Road“  ist eine Auseinandersetzung mit der märchenhaften Literatur und gleichzeitig eine Abrechnung mit dem Macho im Mann. Vor einem märchenhaften Hintergrund erzählt Heinlein auf den ersten Blick eine anscheinend belanglos oberflächliche Geschichte, deren Zwischentöne laut den Kritikern interessanter sind als die eigentliche Handlung. Das gleich gilt für das entgegenstehende Extrem: den von vielen Kritikern als rassistisch gebrandmarkten „Farnham´s Freehold“, der anfänglich Amerikas naive Schwäche im kalten Krieg entlarvt und seinen Überprotagonisten als Mann vieler Worte und entgegen gesetzter Taten entlarvt. Ein offensichtlicher Rassist, der weniger nach Hautfarben, sondern nach menschlichen Stärken und Schwächen in einer isolierten, auf sich alleine gestellten dem Frontiergedanken entsprechenden Siedlung – umgeben von „Außerirdischen“ statt Indianern – entscheiden muss und wie ein Alter Ego von John Waynes Helden entscheiden wird. Die politisch Argumentation ist nicht ganz schlüssig und wenn die Autoren in Pattersons möglicher Interpretation einer Satire einen Ausweg suchen, dann verschließen sie sich vor der Tatsache, dass Heinlein vielleicht nicht gänzlich das Gedankengut seines Protagonisten teilte, es aber in der vorliegenden Form seinen Lesern unkommentiert und fehlinterpretierbar unterbreitete. Interessant ist, dass – bedingt durch die Kapitel – nicht nur hier der Bogenschlag zur Auseinandersetzung mit „The Stranger in a strange Land“, dessen politische Implikationen in eine gänzlich andere Richtung zielen, nicht stattfindet. Über die Kapitel hinausgreifende Auseinandersetzungen mit den Widersprüchen in Heinleins Werk hätten dieser Essaysammlung gut getan. Zumal der erste besprochene Roman „Podkayne from Mars“ nicht nur wie ein Jugendbuch für die Eltern erscheint und sich wie einige andere Arbeiten dieser Periode mit der traditionellen wie zukünftigen Familie auseinandersetzt, sondern vor allem handlungstechnisch eine Variation von „Strangers in a strange Land“ darstellt. In beiden Fällen lernt der Leser junge Menschen kennen, die auf dem roten Planeten mit deren Kultur aufgewachsen worden sind. Optimistisch ist, dass sich im späteren Roman die Siedler nicht selbst getötet und ihren Sendboten/ Sohn alleine zurückgelassen haben.

Ein weiterer wichtiger, der letzte als Einzelwerk mit dem HUGO ausgezeichnete Roman Heinleins ist „The Moon is a harsh mistress“, in welchem dem Autoren am ehesten der Übergang von seinem frühen, abenteuerlichen aber auch sozialkritischen Romanen zu seinem Alterswerk gelingt. Es ist auch eine der wenigen Heinlein Geschichten, in denen gegen eine als extrem republikanisch verzerrte Extrapolation der amerikanischen Gesellschaft revolutioniert wird. Ansonsten zeigt Heinlein immer wieder auf, dass das demokratische Fundament Amerikas sinnbildlich in Ordnung ist und nur die schwächelnden Menschen diese Ideale verletzt haben.

Das Alterswerk Heinleins objektiv zu betrachten, fällt auch Sanders und Clareson ein wenig schwerer. Auf der einen Seite sind es göttliche Komödien, in welchen Heinlein zurückgreifend auf einige seiner frühen Kurzgeschichten mit Moral, Anstatt, Religion und schließlich den strengen Normen der aus seiner Sicht zu biederen, sich eher rückwärts entwickelnden Gesellschaft spielt. Auf der anderen Seite spielen viele der Roman wie „Number of the Beast“, „The Cat, who walks trough walls“ oder mit Einschränkungen auch „Love and Times of Lazarus Long“ in Parallelwelten bzw. in Zeitschleifen. Auch wenn die Inhalt thematisch sehr unterschiedlich sind, kann der Leser ein Buch ernst nehmen, in dem die Protagonisten neben Anspielungen auf Bourroughs überdimensionale Helden schließlich sogar in das „Lensmen“ Universum von E.E. Smith vorstoßen? Auch wenn die Kritik an den mangelnden stringenten Formen dieser späten Romane nachvollziehbar ist, erscheint es wenig plausibel, dass die gleichen Kritiker Autoren wie Aldiss oder Dick für die Zerstörung der Realität loben und einen Altmeister wie Heinlein natürlich mit einem Fokus auf Sex kritisieren. Vergleicht man Heinleins Romane mit Ballards in den siebziger und achtziger Jahren entstandenen Arbeiten, so spricht oder besser lässt Heinlein über Sex in allen Variationen sprechen, ohne das die Bücher pornographisch oder erotisierend sind. Natürlich erscheinen sie als Altmännerphantasien, aber sie stammen aus einer Zeit, in welcher sowohl Kino, Fernsehen als auch die Literatur diese Grenzen ganz bewusst aufsprengte. Vom New Wave der Science Fiction ganz zu schweigen. Heinlein wollte nie dieser Richtung angehören, hat sie aber wahrscheinlich genau schon aus monetären Gründen beobachtet.

„I will fear no evil“ – viele Quellen sprechen davon, dass Heinlein aufgrund seiner Krankheit den Roman nicht entsprechend nacharbeiten konnte – als Geschlechtswandlungsroman stellt objektiv betrachtet keine Bruchstelle in seinem Werk da. Die Idee, einen einzelnen dominanten und aktiven Menschen oder eine kleine Gruppe unter einer harten Führung aus seiner „Zeit“ in Zukünfte zu versetzen, durchzieht Heinleins Werk wie ein roter Faden. Von „For us, the living“ bis zu den Parallelweltabenteuern, in denen wie in Lazarus Longs Memoiren Zeit und Raum aufgelöst worden sind. In „I will fear no evil“ geht der Autor den obligatorischen, aber auch provozierenden Schritt weiter und versetzt seinen Helden in den Körper und damit in die direkte Konfrontation mit einer Frau. Auch bei diesem Werk können die Autoren nicht alle Schritte nachvollziehen und die Flucht in die freie Interpretation, in das Verweigern des Schriftstellers auf abschließende Antworten wirkt eher wie ein Kompromiss, der viele schwierige Klippen umschiffen könnte, aber wie Sanders und Clareson einzelne Abschnitte des Buches sezieren und aus einer gänzlich anderen, distanzierten Perspektive unabhängig von der Glorifizierung Heinleins zu seinen Lebzeiten als das Aushängeschild der SF analysieren, ist interessant. Es geht auch weniger um die Qualität der einzelnen Bücher, als die vielen versteckten Hinweise, die Heinlein bewusst oder unbewusst im Text versteckt hat. Durch diesen extremen Fokus auf den Text und weniger den Autoren können die Sanders und Clareson ihre persönlichen Meinungen hinter Heinlein förmlich verstecken und einzelne Aspekte herausarbeiten. Mit dem Querverweise auf die Möglichkeit der sozialen Satire und der Idee, aus allen Büchern und Geschichten schließlich ein „Haus“ – vielleicht sogar ein mehrdimensionales „crooked house“ – zu bauen, fügen sie der Hilflosigkeit vieler Kritiker gänzlich neue, argumentativ nicht vom Tisch zu wischende Aspekte hinzu.

Es kann kein Zufall sein, dass Heinlein in seinem letzten Roman neben einer intelligenten wie sexuell aktiven Frau – einer Reinkarnation von „Friday“ – am Ende viele Figuren aus allen Epochen seines Schaffens versammelt, um schließlich im Sonnenwind davon zu segeln. Diese kleinen Stärken verdienen trotz unzähliger Längen und manchmal fehlender Lektorenhand eine Wiederentdeckung und unterstreichen deutlich, dass es sich nicht nur um das Alterwerks eines „dirty old Man“ handelt, sondern das Heinlein zu Lasten seiner Leser und zu Gunsten des eigenen Autorenvergnügen einfach aufgrund der kommerziellen Stärke seines Namens mit dem Experimentieren angefangen hat. Inhaltliche wie formale Experimente, die neugierig machen, aber auch entfremden.  Clareson und Sanders verzichten wie in allen wichtigen Kapiteln auf ein Fazit, um den Leser nicht zu gängeln – das hat Heinlein in zu vielen Romanen zu oft gemacht -, sondern im Anregungen zur eigenen Auseinandersetzung mit dem Werk zu geben. Vielen Lesern wird das zu wenig sein, aber wie das Objekt der Begierde verweigern sie abschließende Antworten. Wie Heinlein hüllen sie ihre Thesen in den Mantel der Möglichkeit und wollen keine absolutistische Meinung präsentieren. Im Gegensatz zu Heinlein bauen sie aber nicht an dessen Legende weiter, sondern versuchen dessen Ziele/ Intentionen weniger zu interpretieren als sachlich distanziert und emotionslos zu beschreiben.            

 

Im Schlusswort vergleich Joe Sanders Robert A. Heinlein mit Kipling – es werden „Kim“ und „Citizen of the Galaxy“ gegenüber gestellt – und Bernhard Shaw. Während die Argumente hinsichtlich der beiden auf den ersten Blick so unterschiedlichen Arbeiten nachvollziehbar sind, wirkt der Vergleich zu Shaw bemüht. Im Auftaktkapitel – der Auseinandersetzung mit „For us, the Living“ – fehlt dieser Vergleich. Heinlein lehnt sich selbst absichtlich eher an H.G. Wells an, was unabhängig vom utopischen Gehalt ihrer Arbeiten hinsichtlich ihrer Auseinandersetzung mit den ihnen bekannten schwächlichen Staatsformen sogar nachvollziehbar ist. Heinlein als satirischen Kritiker der Gegenwart zu etablieren, funktioniert angesichts seines teilweise offensichtlichen Scheuklappendenkens, das sich auch in seinem Werk immer stärker manifestiert, nicht bedingt. Sanders liefert Argumente, er kann sie aber nicht mit Thesen unterlegen, so dass vieles in der Luft hängen bleibt. Auch die Auseinandersetzung mit den Kritikern – wobei der Autor hier erstaunlicherweise nicht zwischen den Theoretikern und den Kreativen wie Algis Budrys oder Damon Knight mit eigenständigen Werken zu unterscheiden sucht – wirkt wie ein von Heinlein entfachter Sturm im Wasserglas, der seine Position eher schwächt als unterstreicht. Bedenkt man, dass auch ein Lektor als erster Kritiker nur selten auch als Autor tätig ist und niemand seine Funktion oder Position in Zweifel stellt, sollte dem Kritiker als „neutralem“ Beobachter auch das Recht zugestanden werden, begründend zu kritisieren und auf Schwachstellen hinzuweisen. Warum ausgerechnet Sanders, der selbst nur sekundärliterarische tätig gewesen ist, sich auf ein derartig dünnes Eis zum Abschluss als Verteidigungsrede Heinleins begibt, kann nur eruiert werden. Interessanter wäre es gewesen, Heinleins Position in der Science Fiction des 20. Jahrhunderts, aber vor allem in der utopischen Literatur des 21. Jahrhunderts zu untersuchen, in der Heinlein dank John Varley, David Gerrold und schließlich auch Joe Haldemans „Marsbound“ Trilogie förmlich von seinen Jüngern wieder erweckt worden ist.

Die Autoren schreiben, „The Heritage of Heinlein“ ist eine Auseinandersetzung mit dem Werk, aber nicht dem Menschen Heinlein. Aufgrund dieser Prämisse ist der Essaysammelband als Einstieg interessant und offenbart einige sehr lesenswerte Thesen und Spekulationen zu Heinleins veröffentlichtem Werk. Insbesondere die in sich thematisch abgeschlossenen Abschnitte wie „For us, the Living“ und die Jugendbücher laden ein, die besprochenen Romane noch einmal in dieser Reihenfolge und aus diesen Gesichtspunkten zu lesen. Heinlein ist ohne Frage weiterhin ein einflussreicher Autor, der allerdings eher als Geist der Vergangenheit – seine Jugendbücher können mangels Verfügbarkeit in Deutschland keine neue Lesergenerationen  mehr prägen – denn zukunftsweisender Autor dem Genre in einer entscheidenden Phase seinen persönlichen, nicht immer leicht zu akzeptierenden Stempel aufgedrückt hat. Heinlein ist einer der Männer, welche die Science Fiction aus den Pulpmagazinen auf die Bestsellerlisten und damit in den Fokus und die Diskussion der Öffentlichkeit geführt hat. Diese Dankbarkeit drückt die sehr kompakte, vielschichtige, aber nicht immer ins Detail gehende Studie ausreichend aus. Klar und präzise geschrieben ist sie auch ein Vermächtnis Thomas D. Clareson, dessen Gedankengänge Joe Sanders manchmal gegen den eigenen Willen und zur eigenen Überraschung erstaunlich präzise extrapoliert hat.              

Thomas D. Clareson and Joe Sanders Series Editors Donald E. Palumbo and C.W. Sullivan III
Foreword by Frederik Pohl

Print ISBN: 978-0-7864-7498-1
Ebook ISBN: 978-1-4766-1310-9
appendix, bibliography, index
232pp. softcover (7 x 10) 2014