Roboter: Fading Smoke

R.M. Amerein

Im Atlantis- Verlag ist mit „Roboter: Fading Smoke“ ein interessanter Science Fiction Roman im lakonischen Ton der Martha Wells „Killbot“ Bücher erschienen. Es ist der Auftakt einer Trilogie, die Handlung endet in einem Cliffhanger..

R.M. Amerein ist das Pseudonym von Raphaela Meyeroltmanns. In der Science Fiction hat sie neben einer Reihe von Kurzgeschichten mit dem Zyklus um die fünf Archen eine Art Familienepos verfasst, in dem es um fünf Generationenraumschiffe und die entsprechenden Familien an Bord geht, welche die Erde verlassen haben. Die Tetralogie ist noch nicht abgeschlossen.  

Mit „World´s End“ erschien im Herbst 2022 ein postapokalyptischer Roman.

Die Autorin geht wie Martha Wells bei “Roboter: Fading Smoke” gleich ans Eingemachte. Viele Hintergrundinformationen zu der Welt, den Biotopen und dem Verhältnis zwischen Menschen sowie Maschinen werden erst im Laufe der ausgesprochen stringenten Handlung ausschließlich aus der subjektiven Perspektive des Roboters Smoke nachgeliefert. Durch diesen fast fragmentarisch zu nennenden Auftakt kann sich die Autorin vor allem auf die Handlung konzentrieren. Dabei bedeutet auf diesem Planeten Bewegung / Action im Grunde auch für Smoke nur Schwierigkeiten. Der Roman ist theoretisch als eine komplette Liveaufzeichnung aus Smokes Perspektive angelegt. Der erste Schritt, um etwas Bleibendes zu schaffen. Diese Idee hat er von den Menschen übernommen. Diese schreiben Bücher, er führt eine Art Livetagebuch.    

Durch ein bislang nicht erforschtes Phänomen hat sich die Sonne des Kolonie Planeten Keld über Nacht verändert.  Das Phänomen wird von den Überlebenden Sundown genannt. Die Sonne spendet nur noch selektiv Energie. Sie kann anscheinend zwischen organischen und synthetischen Leben unterscheiden. Das organische Leben wird um die schwarze Korona herum weiterhin versorgt, das Synthetische nicht mehr. Die Roboter konnten und können die abgestrahlte Energie nicht mehr aufnehmen. Sie müssen auf alternative “Nahrung” zurückgreifen. 

Da der Planet technisch nicht sonderlich fortschrittlich ist, sind die Roboter plötzlich auf Biomasse angewiesen, wobei biologisch von der Autorin sehr weit ausgelegt wird.  geht immer und Roboter sind keine Vegetarier. 

Für die Biotops mit den menschlichen Kolonisten sind die Auswirkungen faktisch noch schlimmer. Sie müssen vor allem verwertbare Pflanzen in einem deutlich verstärkten Rahmen anbauen, welche auf der einen Seite die Kolonisten ernähren, auf der anderen Seite aber auch den Robotern zwecks Nahrung zur Verfügung steht.

Die Maschinen haben ihre Unabhängigkeit verloren. Der Erzähler Smoke ist dabei ein klassisches Beispiel. Als ein von der ihm zur Verfügung gestellten Biomasse Abhängiger muss er fast jeden Auftrag annehmen, um an Energie zu kommen. Meistens sind seine Speicher fast im roten Bereich. So auch zu Beginn der Geschichte, als er in einem Biotop nicht nur nicht rauchen darf – Smoke macht seinem Namen alle Ehre und imitiert gerne sinnfrei die Menschen -, sondern ihm auch keine Biomasse gegen Bezahlung zur Verfügung gestellt wird.

Nur bei den Wissenschaftlern mit ihrem geheimen Forschungen kann er sich den wertvollen „Lebenssaft“ verdienen. Dazu soll Smoke nach einem verschwundenen Mädchen Kaia suchen, das sich anscheinend einem Roboter und seiner symbiotischen Partnerin angeschlossen hat, welche die Maschine mit Bioenergie versorgt.

Auch wenn Smoke den Auftrag relativ schnell erledigen und seine Zellen zumindest für einige Stunden aufladen kann, hat er ein seltsames Gefühl. Die Wissenschaftler sprechen immer von einem Durchbruch bei der Hybridforschung, von einer neuen Generation von Wesen. Dazu kommt, dass das Mädchen auf keinen Fall zu den Forschern zurückkehren möchte. Anscheinend ist sie da nur eine Art Testobjekt.   

Auch wenn “Roboter: Fading Smoke” beginnend mit dem aussagekräftigen Titelbild als Science Fiction Geschichte angesehen werden kann, nutzt die Autorin Technik in jeglicher Hinsicht eher ambivalent. Angesichts der beschriebenen Katastrophe erscheint mit der zumindest in der Erzählung verwandten und auf dem Planeten verfügbaren Technik eine derartig konsequente Lebensführung nicht möglich. Isaac Asimov hat die Auswirkungen einer berechenbaren Sonnenfinsternis auf einem Planeten des ewigen Lichts eindrucksvoll in “Nightfall” beschrieben. Beim vorliegenden Roman handelt es sich um eine aus dem Nichts kommende und vor allem andauernde Katastrophe. Daher sollte das Geschehen eher als Science Fantasy betrachtet werden. In erster Linie betrifft es auch die Versorgung der Roboter unterschiedlicher Bauarten und anscheinend auch unterschiedlicher Intelligenzstufen. Die Autorin schenkt ihnen individuelle  aber auch sehr menschliche Charakterzüge, lässt sie im Rahmen der  auf unterschiedlichen Wegen beschaffbaren Energieversorgung autark handeln und weist ihnen keine zielgerichteten Aufgaben zu. Durch die Konzentration auf die ohne Frage markanten Persönlichkeiten gewinnt der Roman an emotionaler Tiefe zurück, die auf der rein technischen Ebene verloren hat.

Die letzte Hälfte des Buches besteht abschließend aus einer fast klassischen zu nennenden Quest. Smole wird zusammen mit seiner “Tochter” - obwohl er das ablehnt -, aber auch einigen Helfern wie unter anderem einem Samuraikrieger mit selbst gefertigten Schwert auf die Suche nach einem besonderen Biotop ausgesandt, in dem sich Hybridwesen aufhalten. Es gibt auch eine Verbindung zwischen diesen Hybriden und Smokes Ziehkind Kaia. 

Auf der Reise muss sich Smoke mit einem anderen Phänomen auseinandersetzen, das viel Energie kostet. Mehr und mehr entwickelt er Vatergefühle für Kaia. Das reicht bis zu klassischer Eifersucht, als jemand anders aus dem Team den Katern des kleinen Mädchens helfen kann. Es ist ein schmaler Grat, auf dem sich die Autorin bewegt. Immer wieder rettet sie sich vom Rande des klischeehaften Kitch und versucht Smoke Emotionen aus der intimen Ich- Perspektive zu analysieren. Vieles stellt Smoke sachlich gegenüber, um abschließend zur Erkenntnis zu kommen, dass er inzwischen fast menschlich geworden ist. Warum das Entwickeln von Vatergefühlen deutlich mehr Energie verschlingt, bleibt wie vieles andere in diesem Roman unaufgeklärt. Nette kleine zwischenmenschliche Exkurse im nicht mehr so kalten wie logischen Herz einer Maschine. 

 Es sind keine grundlegend neuen Ideen, welche die Autorin entwickelt, aber sie präsentiert sie auf eine zufriedenstellende Art und Weise. Immer mit einem ironischen  Unterton in der schon angesprochenen Tradition der Killbots Geschichten erzählt,  wirkt einiges wie eine Variation von James Camerons zweiten Terminatorfilm. Allerdings komplett aus der Sicht der Maschine erzählt, die von Beginn der Geschichte an zusätzlich schon sehr menschlich angelegt worden ist. Daher wirkt der Schritt vom exzentrischen Einzelgänger zum liebevollen, aber auch strengen Vater nicht mehr so groß.

Das Ende der Geschichte ist pragmatisch offen. Natürlich wird die Sequenz zufriedenstellend aufgelöst und natürlich kann am Ende des ersten Buches einer der wichtigsten Charaktere (noch) nicht sterben. Die Geschichte hat diese Art von Cliffhanger auch nicht nötig, auch wenn die Autorin wahrscheinlich darin einen weiteren evolutionären Schritt für ihren wichtigsten Charakter sieht. 

Die Nebenfiguren sind dagegen eher solide gezeichnet.  Sie sind mit Ecken und Kanten ausgestattet, haben wichtige kurze Auftritte, rücken aber vor allem angesichts der gut beschriebenen Beziehung zwischen Smoke und Kaia schnell wieder in den Hintergrund. Natürlich stellt sich der Leser - immer wieder angeregt durch die verschiedenen Bemerkungen im Laufe der Handlung - die Frage, was Kaia in Wirklichkeit ist. Sie gehört zu einer experimentellen Reihe von Geschöpfen. In der Siedlung am Ende der Reise scheint der Prototyp inzwischen als charismatischer wie gefährlicher Anführer zu leben. Sowohl die Wissenschaftler wie auch er wollen Kaia haben. Damit ist die  Basis für den zweiten und dritten Band der Trilogie gelegt. 

“Roboter- Fading Smoke” ist stilistisch und charakterlich eine ausgesprochen kurzweilige Lektüre. Hinsichtlich der Science Fiction geht die Autorin ein wenig fahrlässig mit ihren Prämissen um. Das ist notwendig, damit sie die schwierige Situation der Roboter innerhalb wie außerhalb der Biotope beschreiben kann. Auf dieser Science Fantasy Basis entwickelt sie allerdings bis auf die ergänzenden Bemerkungen im Anhang noch rudimentär eine interessante Kultur, dessen Geschichte noch im Dunklen liegt. Der Planet Keld könnte auch die Erde in einer fernen Zukunft darstellen und keinen klassischen Kolonie Planeten.  

Ein solider Auftaktband einer Trilogie mit viel Potential, aber auch den angesprochenen Schwächen, wobei Smoke als allgegenwärtiger Erzähler viele Nahtstellen elegant und verbal eloquent zusammenhält. 

  

Roboter: Fading Smoke

  • Publisher ‏ : ‎ Atlantis Verlag (31 May 2022)
  • Language ‏ : ‎ German
  • Hardcover ‏ : ‎ 180 pages
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3864028264
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3864028267