Die Ereignisse auf der Poroth-Farm

T.E.D. Klein

Der Wandler Verlag legt mit „Die Ereignisse auf der Poroth Farm in der Übersetzung von Michael Siefener T.E.D. Kleines Debüt Geschichte in einem schönen handlichen Hardcover vor. Theodore „Eibon“ Donald Klein hat in der Folge nur einen Roman - „The Ceremonies“ ist eine Erweiterung der hier vorliegenden Novelle – und zwei Handvoll von Novellen und Kurzgeschichten verfasst. Daneben zwei bemerkenswerte Sachbücher über die Horrorliteratur. Neben seiner Herausgeberschaft des Magazins „Twillight Zone“ von 1981 bis 1985 hat Klein die World Fantasy Convention initiiert und die erste Veranstaltung natürlich in Providence, Rhode Island als Würdigung H.P. Lovecrafts mitorganisiert.   Für die Novelle „Nadelman´s God“ erhielt Klein 2012 auch den World Fantasy Award.

 T.E.D. Klein hat aus der in den frühen siebziger Jahren veröffentlichten Novelle die Kernidee eines Fremden im amerikanischen Hinterland und eine Reihe von übernatürlichen Ereignissen für seinen einzigen Roman „The Ceremonies“ übernommen. Auch wenn das Korsett – der Ausdruck Grundgerüst wäre zu stark – gleich sind, unterscheiden sich die Novelle und der über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren mit Schreibblockade entstandenen Roman in vielen Details. S.T. Joshi weist in seinem in der Wandler Ausgabe nachgedruckten Anmerkungen darauf hin, dass mit Jeremy ein Gelehrter in Sachen okkulter Literatur in die Ereignisse verstrickt ist.  Seine persönliche Bibel, seine literarischen Leitfäden hat er wegen seiner Vorbereitung auf den Unterricht und nicht wie im Roman der Arbeit an seiner Immatrikulation Arbeit bei sich. Und trotzdem kann er weder in „Die Ereignisse auf de Poroth- Farm“ sowie in „The Ceremonies“ sein angelesenes Wissen rechtzeitig auf die seltsamen Ereignisse übertragen.

  Diese geistige Blockade arbeitet T.E.D. Klein im Roman besser heraus als in der Novelle. In der Novelle findet Jeremy die Anzeige in der örtlichen Zeitung, weil er kurze Zeit vorher durch diese Gegend gefahren ist. In „The Ceremonies“ wird die Anzeige umgepflanzt, gehört als wichtiger Bausteil zu einem perfiden Plan. In „Die Ereignisse auf de Poroth- Farm“ schreibt Jeremy Gilead entkommen und zwanzig Kilometer weiter in einem Hotel übernachtend in Tagebuchform die Ereignisse nieder. Das Tagebuch spielt wie die Briefe an Carol auch in „The Ceremonies“ eine wichtige Rolle, aber der Roman entwickelt sich über mehrere Ebenen auf Augenhöhe der Charaktere und damit auch der Leser. In der Novelle greift T.E.D. Klein auf Autoren wie Lovecraft, Machen, aber auch Poe zurück, die absichtlich in Form eines geschriebenen Berichts eine Distanz zwischen dem Protagonisten und dem Leser, aber auch der abgeschlossenen Handlung -  nicht selten offenbart der Epilog noch einen zynischen Nachschlag – und der Erzählung aufbauen.

 In der Novelle leben Deborah und Sarr ebenfalls erst kurze Zeit auf ihrer Farm. Aber T.E.D. Klein zeigt auf, das Gilead sich nicht komplett von der Außenwelt isoliert hat. Die Beiden gehören zu den Mennoniten, welche in Gilead einen gewichtigen, aber nicht ausschließlichen Teil der Bevölkerung stellen. Vor allem haben Deborah und Sarr einen Fernseher, aber wegen der Kosten kein Telefon. Sie stehen auf einer anderen Ebene mit ihrer Außenwelt (noch) in Verbindung. An einer anderen Stelle beschreibt T.E.D. Klein in der Novelle, das sie alle drei abends Poker spielen. Der Einsatz sind Streichhölzer. In „The Ceremonies“ ist es vor allem Deborah, die sich nach menschlicher und teilweise auch männlicher Gesellschaft sehnt, während Sarr immer mehr den Dogmen seiner christlichen Gemeinschaft verfällt. Hinzu kommt, dass seine Mutter als eine Art weiße Hexe in dieser Gegend lebt.

 

Auch wenn T.E.D. Klein im Roman „The Ceremonies“ mehr Raum für die Gestaltung seiner Figuren zur Verfügung hat, zeichnet er vor allem die beiden Sarrs von Beginn an in der Novelle deutlich zugänglicher und menschlicher als es im Roman über weite Strecken der Fall ist.

 Für den Roman hat T.E.D. Klein die Idee übernommen, dass sich Jeremy der Geschichte des Schauerromans in der chronologischen Reihenfolge der jeweiligen Veröffentlichungen nähert. Der Autor hat die Autoren und Werke eins zu eins aus der Novelle für „The Ceremonies“ übernommen.

In „The Ceremonies“ ist alles Teil eines großen Plans, dessen Absicht der Leser dank dem übergeordneten Erzähler Rosie kennt. Alle wichtigen Protagonisten neben Rosie sind Marionetten. In „Die Ereignisse auf der Poroth Farm“ könnte ein Zufall der Auslöser der übernatürlichen und auch katastrophalen Ereignisse sein. Der in dieser Hinsicht literarisch geschulte Jeremy versucht in seinem Hotelzimmer basierend auf den ihm vertrauten Schauerroman Klassikern die Ereignisse vor seinem geistigen Auge zusammenzusetzen und so den Verstand zu behalten. Sein Umfeld in Form der Polizei, der Justizbehörden und einigen ungläubigen Bewohnern Gileads betrachtet die Ereignisse deutlich profaner und greift auf nicht stimmige, aber vom menschlichen Verstand nachvollziehbare Erklärungen auf Basis zwischenmenschlicher Emotionen zurück.

„Die Ereignisse auf der Poroth Farm“ ist ein Drei- Personen- Stück. Deborah und Sarr auf der einen Seite, der Städter Jeremy auf der anderen Seite. Jeremy könnte die katastrophalen Ereignisse unabsichtlich durch einen Spaziergang in der Natur ausgelöst haben. Damit ist er nur noch ein Katalysator und nicht wie in „The Ceremonies“  Jahre später ein wichtiger Bestandteil der Ereignisse.

In beiden Geschichten ist sich Jeremy klar darüber, dass etwas Unerklärliches passiert. Er findet den an einer Wunde, die von innen nach außen geschlagen worden ist, den verstorbenen Kater Brawda, welchen Sarr mit in die Ehe gebracht hat. Er verschweigt seinen Fund. Am Abend kommt Brawda schwer angeschlagen, aber lebendig zurück ins Haus. Stephen King wird dieses unheimliche Gefühl in seinen späteren Romanen immer wieder beschwören. Aus heutiger Sicht fällt dem Leser zuerst „Pete Sematary“ ein. T.E.D. Klein war aber mit dieser 1972 veröffentlichten Novelle Erster und der Text kann Stephen King inspiriert haben. Vergleichbare Passagen finden sich auch nicht in den von Jeremy von T.E.D. Klein zitierten Klassikern der Gruselliteratur.

In „The Ceremonies“ ist Brawdas Schicksal ein weiteres unheilvolles Zeichen. In der vorliegenden Novelle ist es schließlich der Katalysator der viel zu schnell ablaufenden Ereignisse. Die Veränderungen Deborahs nach einer Attacke Brawdas werden nicht weiter erläutert. Im Roman greift T.E.D. Klein auf eine vor allem in den achtziger Jahren inzwischen antiquierte Erklärung zurück. Das Finale mit dem Schritt über den Abgrund in den Bereich des Wahnsinns wirkt vor allem aus einer Distanz von mehr als fünfzig Jahren seit der Erstveröffentlichung klischeehaft und hektisch. Aber T.E.D. Klein wollte seine Hommage an das Grauen von Jenseits der Dimensionen nicht auf eine gekünstelte Spitze treiben, sondern den Lesern der siebziger Jahren zumindest ein wenig „Fleisch“ anbieten. Auch „The Ceremonies“ wirkt trotz eines Umfangs von mehr als siebenhundert Seiten in der ungekürzten englischen Originalfassung plötzlich ein wenig hektisch abgeschlossen.

Viele Züge der drei in beiden Arbeiten auftretenden Personen sind schon in der Novelle angelegt. Jeremy ist ein Bücherwurm, der in diesem Sommer auf der Farm dreißig Jahre alt wird. Auch wenn er seine Klassiker liebt, steht er ihnen teilweise auch kritisch gegenüber. Sie sind zugleich Vergnügen und Arbeit zugleich. In der Novelle fehlt das platonische Begehren Deborah gegenüber. Es ist eher so, als wenn die abendlichen Stunden vor dem antiquierten Fernseher die beiden Welten – Land und Stadt – im Äther wieder ein wenig zusammenbringen. Sarr ist strenger Christ, gefangen in den Dogmen seines Glaubens, ist schon komplett in der Novelle angelegt. Im Roman kommt hinzu, dass Jeremy anscheinend unter seinen Studentinnen, aber auch dank der Zufallsbegegnung mit Carol dem weiblichen Geschlecht nicht abgeneigt ist und aktiv das zumindest kurzweilige Vergnügen sucht. Die zugeknöpfte, aber sehr attraktive Deborah passt zwar in sein Beuteschema, ist aber in der Novelle noch eine Kragenweite zu groß für ihn. Seine Abneigung gegen Insekten bis auf Glühwürmchen wird immer dominanter, ohne dass in psychologischer Hinsicht der Autor etwas aus diesem Punkt macht. Alleine die Erklärung, dass das Insektenspray nur draußen eingesetzt werden soll, ist unzureichend. Im Roman steht die Durchsuchung seiner kleinen Hütte – Saki hilft ihm in beiden Geschichten auf die Spur – in einem direkten Zusammenhang mit den folgenden Ereignissen. In der Novelle kommen nur Sarr und Deborah als neugierige Besucher in Frage. Dieser Handlungsform verläuft allerdings im ungeklärten Nichts.

Die Tagebuchform – konsequent bis zum Finale durchgehalten – distanziert auf der einen Seite den Leser von der Ereignissen. T.E.D. Klein kontrolliert in dieser Hinsicht deutlich mehr das Tempo. Das Finale wird zwar auch durch Jeremy niedergeschrieben, aber der Fokus hat sich verändert. Diese Niederschrift erfolgt im Rahmen einer eidesstattlichen Versicherung, auch wenn es von der Polizei keine konkreten Anklagepunkte gibt. Der Leser hat eher das Gefühl, als wenn sich Jeremy mit Lovecrafts Protagonisten das erlebte Grauen abschließend von der Seele schreiben muss, bevor er in eine für immer veränderte Realität zurückkehren kann. Diese erzähltechnische Distanz ist eine Hommage an die Autoren, durch die Jeremy in der Einsamkeit des Hauses lebt.

„Die Ereignisse auf der Poroth- Farm“ ist eine auch heute noch lesenswerte Novelle eines Autoren, dessen literarisches Werk viel zu klein ist. In anderen Essays hat S.T. Joshi T.E.D. Klein sogar über Stephen King gestellt, was teilweise aufgesetzt und argumentativ eher konstruiert erscheint. In seinem Nachwort konzentriert sich Joshi auf Kleins Inspirationen und rückt die Bedeutung in Kleins Werk an die richtige Stelle. Der Übersetzer Michael Siefener hat den Text mit fast einhundert Anmerkungen versehen, in denen er voll auf die einzelnen Autoren eingeht, welche Jeremy so eifrig liest. Michael Siefeners Übersetzung ist überzeugend, stimmungsvoll und stilistisch sehr ansprechend. Der handliche Hardcover aus dem Wandler Verlag ist die Anschaffung Wert. Alleine, um die Vorlage mit dem lesenswerten, im Pieper Verlag neu wie gekürzt veröffentlichten „The Ceremonies“ zu vergleichen.      

 

 

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  • Publisher ‏ : ‎ Wandler Verlag (13 Dec. 2021)
  • Language ‏ : ‎ German
  • Hardcover ‏ : ‎ 170 pages
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3948825068
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3948825065
  • Original title ‏ : ‎ The Events at Poroth Farm
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