The Figure of the Detective

Charles Brownson

Der Autor Charles Brownson macht es sich bei seiner vielschichtigen Übersicht über das „Detektiv“- Genre in erster Linie aus literarischer und in zweiter Hinsicht cineastischer Sicht nicht leicht. In seinem Vorwort geht er auf die Ausgangsprämisse ein: es geht um Sherlock Holmes und die von Doyle suggerierte Idee, dass der Ermittler ein überdurchschnittlich der Logik unterliegender Mann und deswegen emotional „kalt“, unterkühlt vielleicht auch im übertragenen Sinne distanziert sein muss. Eine These, welche die Suche nach einer Antwort und darüber hinaus eine Auseinandersetzung mit der Figur des Ermittlers von seiner Erschaffung im 18. Jahrhundert selbst vor der organisierten Polizei bis in die Gegenwart unnötig erschwert, weil sie die verschiedenen fiktiven Charaktere in ihrer Betrachtungsweise eingrenzt und zu wenig zwischen ihren Fähigkeiten und ihren durchaus nicht kalten Persönlichkeiten differenziert. Darüber hinaus unterscheidet der Autor zu wenig zwischen dem „Privatermittler“, dem es in erster Linie um die Aufklärung des Verbrechens und dann um eine adäquate Vergütung seiner Leistungen geht; dem von Dienst wegen ermittelnden Polizisten, die im vorliegenden Buch keine Rolle spielen und dann den immer wieder erwähnten Geheimagenten wie Joseph Conrads Figur oder John le Carres George Smiley, deren originäre Aufgabe der Schutz des eigenen Landes ist und die eher durch Zufall einem Verbrechen auf die Spur kommen. Angesichts der im Vorwort geäußerten Leitplanken für die Studie – die Entwicklung des Detektivromans geht einher mit der industriellen wie teilweise auch sozialen Revolution bzw. Evolution und der Verbreitung von Massenliteratur – wäre es förderlich gewesen, sich ausschließlich auf den Privatdetektiv als „künstliche“ Schöpfung zu konzentrieren. Denn schon vor der Schaffung verschiedener Polizeireviere gab es eine Justiz und wurden Verbrecher ins Gefängnis gesteckt. Einige wenige Buchserien wie Derek Meissners Rungholt oder die beiden Hansekrimis von H.G. Francis versuchen die Figur des Ermittlers in dieser Zeit mit erstaunlich modernen, nicht von Sherlock Holmes Vorgehensweise abweichenden Vorgängen zu etablieren und kehren zu den Wurzeln im ersten Teil des 20. Jahrhunderts wieder zurück. Was den Privatdetektiv auszeichnet, ist die systematische Vorgehensweise, wo die normale Polizei „versagt“ oder zu einfältig agiert. 

In den ersten drei Kapiteln mit Sherlock Holmes als Scheitelpunkt zeichnet Charles Brownson zu Beginn die Geschichte des Detektivgenres nach und endet diesen relevanten Abschnitt mit den britischen Klassikern wie Agatha Christie und Dorothy Sayers, sowie ihren bekannten Schöpfungen.  Fasst der Leser diese drei Kapitel argumentativ zusammen, so überzeugt „The Figure of the Detective“ am ehesten bei der evolutionären Beschreibung der Krimifrühformen vom 18. Jahrhundert bis Ende des 19. Jahrhunderts mit dem ersten Auftreten Sherlock Holmes. Er zeigt auf, dass Arthur Conan Doyle sich bei seinen Geschichten an Edgar Allan Poe und Anna K. Greens Mr. Gryce orientiert hat, aber in erster Linie mit der Erschaffung seines Sherlock Holmes trotzdem etwas Einzigartiges zu Stande gebracht hat. Aus den Green Romanen stammt die Idee des Beobachters als Mittler zum Leser, wobei im Auftaktband „The Leavenworth Case“ der Erzähler selbstständig neben dem bei der Polizei angestellten Detektiv ermittelt und die neutralere Watson Position als Verbindungsglied Detektiv- Leser erst von Doyle entwickelt worden ist. Aus den Poe Geschichten stammen nicht nur die an Puzzle erinnernden Fälle, sondern die Selbstständigkeit des Ermittlers, losgelöst von den Zwängen der inzwischen in Europa und den USA etablierten Polizeibehörden.

In "The Pre- Classical Detective" spannt der Autor den Bogen zum ersten Mal zu weit. "The Mysteries of Paris" als Inkarnation des Superschurken und damit einhergehend nicht nur Muster für Alexandre Dumas Arbeiten, sondern auch Fantomas - laut Brownson Verbrecher und Detektiv zu gleich - weichen zu weit von seiner Idee des Ermittlers ab. Wenn am Ende des Kapitels noch Joseph Conrads "Secret Agent" erwähnt wird, dann reicht die Veröffentlichungschronologie über die Holmes Geschichten hinaus. Dabei hätte das Kapitel diese bemühte Argumentation gar nicht nötig. Alleine die verschiedenen, unbekannten Beispiele, die Charles Brownson präsentiert und an ihnen die Entwicklung des Ermittlers beschreibt, sind ausreichend. 

"Sherlock Holmes- Rationality and the Detective Artist" ist dagegen der Versuch, nach dem Himmel zu greifen und argumentativ Neuland zu schaffen. Laut seiner These ist Sherlock Holmes kein deduzierender Ermittler, sondern beherrscht die Kunst der Abduktion im Sinne einer rein logischen Extrapolation von Beobachtungen. Er sieht Holmes weniger als Ermittler, der nach etwas sucht und daraus seine Schlußfolgerungen zieht, sondern als Beobachter, als Sammler von Fakten, nach denen er nicht aktiv Ausschau hält. Etwas abgehoben versucht Charles Brownson diese nicht unumstrittene These zu erläutern. Anstatt sie dann allerdings an Holmes Fällen zu beweisen, weicht er von seiner Theorie ablenkend ab, in dem er weniger auf das literarische Werk eingeht, sondern an den zahlreichen Verfilmungen des "Hundes der Baskerville" die individuellen Vorstellungen verschiedener Schauspieler von Basil Rathbone bis Ian Richardson interpretiert. Dabei versucht er insbesondere an Peter Cushing wieder das Bild des kalten, emotional vielleicht sogar unterentwickelten Detektivs zu etablieren, dass er in den Doyle´schen Kurzgeschichten durch Holmes Interaktion mit seiner Umwelt - Mrs. Hudson, Dr. Watson und schließlich auch Irene Adler - nicht wiederfinden konnte. Spätestens mit dem Ausbrechen aus jeglicher chronologischer Betrachtung des Genres zu den Verfilmungen verliert der Autor seinen Ausgangsfaden und unterminiert ausgerechnet die Basis, die er im ersten Kapitel so gut etabliert hat.

Mit "The English Classics" setzt er diesen kuriosen Weg weiter fort. Während er Doyle zuschreibt, zuerst die außergewöhnlichen Fälle etabliert zu haben, um dann kontinuierlich und konsequent die Figur des Detektivs von seinem ersten Auftreten hin weiter zu entwickeln, spricht er diese Fähigkeit insbesondere Agatha Christie bei Miss Marple und Hercule Poirot ab. Agatha Christie soll sich mehr um die Fälle als die Figur gekümmert haben. Auf der anderen Seite stellt Brownson fast aus dem Stehgreif mehr persönliche Fakten über den belgischen Ermittler als über Sherlock Holmes zusammen, dem er Autor immerhin ein ganzes Kapitel gewidmet hat. Bei Miss Marple findet Brownson schließlich die angestrebte Mischung aus beobachtender Logik und exzentrischer Wäre, die er im Vorwort der Figur des Detektivs abgesprochen hat. Interessant ist, dass der Autor suggeriert, das das heutige Bild von Hercule Poirot in der Öffentlichkeit weniger durch die Verfilmungen die Verfilmungen - Peter Ustinov wird gar nicht erwähnt -, sondern durch die erfolgreiche lang laufende Fernsehserie bestimmt wird. Dagegen ist der öffentliche Sherlock Holmes stärker von den Kinoverfilmungen als den literarischen Vorlagen bestimmt, auch wenn er in beiden Fällen zugeben muss, dass Agatha Christie und Arthur Conan Doyle aus heutiger Sicht sensationelle Auflagen erreicht haben. In beiden Fällen fehlen allerdings die Vergleiche zwischen Literatur und Film, um diese eher beiläufig aufgeworfenen, aber seine Analyse störenden Thesen zu beweisen. Der Leser spürt förmlich das Aufatmen, wenn er mit Dorothy Sayers Lord Peter Wimsey einen Adligen präsentieren kann, der lange Zeit nicht verfilmt worden ist. Wenn der Autor aber beim, Unterkapitel "Classics on Film" sich mit Sam Spade auseinandersetzt, fehlen erstaunlicherweise Charlie Chan, der erst unter Hardboiled Detektiven ausführlich erwähnt wird - auf die Romane geht der Autor bei den Preclassics ein- und vor allem Mr. Moto, die vor dem Film Noir ihre Figuren weltbekannt gemacht haben. Und zwar auf der Leinwand und weniger durch die Verkäufe ihrer Bücher und die genau der Entwicklung widersprechen, die Brownson aufzuzeichnen sucht.  Insbesondere der Logiker Charlie Chan mit seiner devot asiatischen und doch entschlossenen Haltung, seinem nicht immer warmherzigen Humor und seinem Sinn für Familie inklusiv der diversen Söhne ist der Gegenentwurf eines Sherlock Holmes, auch wenn ihre Vorgehensweise sich ähnelt.

Charles Brownson versucht weniger seine literarische Analyse zu verfolgen, sondern beschreibt in den beiden folgenden, im Kern ineinander greifenden Kapiteln „Psycho-Intuitive and Noir“ sowie „Hard-boiled, Spies and Thriller“ verschiedene „Seitenarme“ seiner Theorie. Betrachtet der Leser weiterhin einen Sherlock Holmes und damit auch Charlie Chan als kalt wegen ihrer logischen Vorgehensweise, dann wäre der intuitive Maigret „warm“. In fast einhundertzwanzig Romanen und Kurzgeschichten erfährt der Leser auch nicht mehr über diese Figur als auch über Sherlock Holmes. Interessant ist, dass zwei Aspekte dieser beiden so unterschiedlichen, hier exemplarischen der Studie entnommenen Figuren nicht berücksichtigt werden. Maigret ist ein Beamter, ein Angestellter des Staates, der von Amts wegen ermittelt und die Verbrechen aufklärt. Dabei spielt seine Vorgehensweise wie bei Columbo – dem zweiten intuitiven Detektiv – vorläufig keine Rolle. Er wird dafür bezahlt, dem Staat zu dienen. Sherlock Holmes ist wie Philip Marlowe oder Sam Spade ein Freiberufler, in den späteren Geschichten sogar ein finanziell unabhängiger Selbstständiger, für den die Herausforderung wichtiger ist als das Überführen eines Verbrechers. Darum finden sich einige Sherlock Holmes Geschichten in Doyles Kanon, in dem der Detektiv den Verbrecher entlarvt und ihn nicht der Justiz übergibt. Diese freien Entscheidungen kann, darf und wird ein Maigret nicht treffen.

Ebenfalls fragwürdig ist die Unterteilung der beiden schon angesprochenen Kapitel in „Noir“ und dann „Hardboiled“. Historisch gesehen ist der Film Noir – das einzige Genre, das überwiegend cineastisch funktioniert durch die intelligente Mischung aus dunklen Plots, den erdrückenden Stimmungen der Großstadt und der ambivalenten Nutzung der bürgerlichen Figuren – eine Abzweigung des Hardboiled Romans. Brownson geht nicht darauf ein, dass ein Sherlock Holmes oder ein Lord Peter Wimpsey zwar in den einfachen bürgerlichen Schichten ermittelt und die sozialen Klassengrenzen ignoriert haben, sie aber niemals dieser Klasse angehörten.  Der hardboiled Detektiv von Dashiell Hammett und Raymond Chandler, James M. Cain oder später auch James Ellroy gab den einfachen Menschen das Verbrechen zurück. Ihre Detektive stammten aus der teilweise unteren bürgerlichen Klasse und haben sich nicht selten verzweifelt in dem von Wirtschaftskrise gebeutelten Amerika eine Stufe auf der sozialen Leiter nach oben gekämpft. Sie mussten zwar in den oberen, reichen Kreisen ermitteln, sind aber niemals anerkannt worden. Brownson macht die sozialen, politischen und schließlich auch wirtschaftlichen Veränderungen für die Veränderung des Detektivgenres verantwortlich und liegt dabei nicht einmal falsch. Er macht aber den Fehler, sich zu sehr auf die Figur des Detektivs zu konzentrieren und die Randströmungen nicht immer richtig, sondern in seine These eingeklemmt zu interpretieren. Die Grenzen zwischen den Noir Detective und seinem Vorgänger dem Hardboiled Detective sind trotz verschiedener Tabellen zu gering, zumal es viele Film Noir Streifen gibt, die gänzlich auf die Figur des Ermittlers, vielleicht sogar auf die klassische Strukturierung des Ermittlungsvorgangs – siehe „Detour“ – verzichten und trotzdem untrennbar mit diesem Subgenre verbunden sind.

Der Bogenschlag zum „Spion“ ist dabei noch schwieriger zu greifen. Der Spion ist im Gegensatz zum Detektiv aktiv. Er sucht Geheimnisse als Teil seines Auftrages, während der Ermittler mit einem Verbrechen konfrontiert wird und seine Arbeit anschließend aufnimmt. Selbst in den Sherlock Holmes Geschichten mit politischen Zwischentönen wird der Detektiv gebeten, verschwundene Dokumente zu finden und nicht aktiv Geheimnisse des Feindes auszuspionieren. Ein Mittler ist John le Carres George Smiley, den in „Dame, König, As, Spion“ aus dem Ruhestand zurückgeholt wird, um den Maulwurf im britischen Geheimdienst zu finden. Auch Eric Ambler hat in einigen wenigen seiner Romane Spionagetätigkeiten mit gewöhnlichen Verbrechen teilweise als Tarnung kombiniert. Allerdings verzichtet Ambler auf die Figur des Ermittlers und lässt gewöhnliche, nicht immer gesetzestreue Menschen im Gegensatz zu le Carres George Smiley oder Len Deighton mit seinen Harry Palmer Romanen schließlich in den nicht selten tödlichen Fängen der Spionage enden. Aber diese beiden Aspekte gehen in Brownsons Thesensammlung förmlich unter. Anstatt bemüht zu versuchen, dem Spion oder später dem Helden des Actionthrillers dem Detektivgenre zuzuordnen und soziale Entwicklungen daraus abzuleiten, wäre es für das sekundärliterarische Werk besser gewesen, die Züge des Detektivs in diesen Figuren zu suchen und zu finden. Wenn expliziert „Chinatown“ oder L.A. Confidental“ analysiert werden, dann greifen sie auf den Film Noir zurück und stellen jeweils eine explizierte Hommage an den Film Noir dar. Sie bilden aber keinen neuen Trend und aus ihren absichtlich antiquiert dargestellten Charakteren kann keine neue Entwicklung vor allem in eine USA nach Vietnam abgeleitet werden. Ansonsten müsste Charles Brownson auch die verschiedenen Alternativweltserien wie Philip Kerrs „Berlin“ Trilogie oder Gordon Ferris Versehrtenromane in seine These einbauen. Stattdessen sucht er nicht unberechtigt in „The Blade Runner“ oder „Soylent Green“ Detektivbezüge, die sich auch finden lassen. Aber sind einzelne Exponate gleichbedeutend mit der Ausbildung eines neuen Subgenres, wie es der Hardboiled Detektiv als Ablösung des britisch klassischen Ermittlers, als Antwort auf eine neue populäre Literaturform in Person der „Pulp Magazine“ und ihrer Verbreitung über die Zeitschriftenläden dargestellt und vor allem als amerikanische Reaktion auf das verstaubte viktorianische Understanding ausgebildet hat?   Auffallend ist, dass Charles Brownson zwar in den Vorklassikern Fantomas angesprochen hat, im Kapitel mit den britischen Klassikern aber Edgar Wallace und seine Art von Kriminalromanen mit schwachen, aber vorhandenen Ermittlern als Antwort auf Agatha Christie und Arthur Conan Doyle nicht gestreift hat. Diese Auslassung ist um so verwunderlicher, da Brownson mit McBains Arbeiten um das 87th Polizeirevier – über einen Zeitraum von fast vierzig Jahren entstanden – teilweise den Bogenschlag zu Sherlock Holmes und Hercule Poirot vollendet und den Frust der Polizeibeamten, aufgrund der verschiedenen Gesetze in ihren Ermittlungen behindert zu werden, mit der Freizügigkeit dieser beiden selbstständigen Detektive vergleicht.

Erst mit dem weltweiten Erfolg der nordischen Krimis, auf die Charles Brownson in „The Neoclassic Revival“ unter anderem eingeht, findet der Autor in die Spur zurück. Damit soll nicht gesagt werden, dass die voran gegangenen Kapitel langweilig sind. Vor vorgestellten Beispiele sind breit und zeigen, dass sich Charles Brownson intensiv mit der Materie auseinandergesetzt hat. Aber seine Ambition ist zu groß, etwas zu beweisen, was in dieser Form aufgrund der Vielfältigkeit nicht zu klassifizieren ist und anstatt dem roten Faden folgend den Detektiv in diesen Subgenres zu suchen, presst der Autor die Figur des Detektivs unnötig und stellenweise stark konstruiert in sämtlich Genres vom Spionagefilm bis zum mondänen Actionthriller, der wiederum absichtlich die klassischen Unterhaltungserzählstrukturen durch gewalttätige Provokationen wie in Sam Peckinpahs „The Gateway“ oder „Bring mir den Kopf von Alfred Garcia“ ja aufzulösen suchte. Er sieht den Hardboiled Detective als Abweichung von der Norm. Seine Aufgabe ist weniger das Sammeln von Informationen und Beweisen durch Beobachtung, sondern das Verhören von Unschuldigen und Schuldigen, Druckausüben und letzt endlich überwiegend das zur Strecke bringen des Täters und weniger dessen Verhaftung. Damit rückt der Hardboiled Detective erstaunlicherweise nahe an den Sheriff des Western heran, der den Gegenentwurf zu den Pinkerton Ermittlern darstellt. Beide wollen die Täter überführen. Mit den Krimis der sechziger Jahre bis in die Gegenwart kommt es laut Brownson zu einer eher ambivalenten Rückbesinnung auf die britischen Klassiker. Das Ermitteln steht wieder mehr im Vordergrund, wobei der Mensch insbesondere im 21. Jahrhundert nur noch zum Datensammler für Computer wird und mittels Analyse das Deduzieren ad absurdum geführt wird. Das hat auch mit einer immer „weicher“ werdenden Justiz zu tun, die unabhängig von der Bandbreite der Urteile mehr und mehr auf unumstößliche Beweise setzt, während clevere Anwälte deren Position zu unterminieren suchen. In den „Neoclassic“s wird der Detektiv aus seiner Stellung als Außenseiter der Gesellschaft befreit, ihm wird insbesondere im Vergleich zu Sherlock Holmes, Miss Marple oder Sam Spade ein differenzierteres Privatleben zugestanden. Interessant ist allerdings, dass Brownson außer der Fernsehserie „Prime Suspect“ das Fernsehen insbesondere in Hinblick auf die weiblichen Ermittler ignoriert. „Cagney & Lacey“ haben bewiesen, wie man spannende Kriminalfälle in enger Kombination mit einem normalen wie tragischen Privatleben seiner Ermittler verbindet und als Einheit präsentiert. Interessanter ist, dass mit Beginn der siebziger Jahre und damit auch dem New Hollywood eine generelle Vermenschlichung der Überhelden einsetzte. Nicht nur im Krimi, sondern auch in den Comics oder der New Wave der Science Fiction Literatur, selbst im Western fand man gebrochene Helden teilweise mit Privatleben. Der Abbau des Heldenstatus vielleicht auch mit dem Verlust der eigenen Unbesiegbarkeit nach Vietnam veränderte alle Felder Unterhaltungsliteratur. Von Amerika ausgehend schwappte die Welle nach Europa rüber, wo Privatdetektive entweder als Parodie „Kottan ermittelt“ oder als Alkoholiker wie der Finne Vares charakterisiert worden sind. Es ist mitnichten so, dass die fortschreitende Technik den Beruf des Privatdetektivs in die Nischen drückte, in denen die Polizei von Rechtswegen nicht ermitteln wollte. Neue Verbrecher wie das Hacken, die internationale Geldwäsche, sexuelle Abgründe oder schließlich dunkle Familiengeheimnisse erzwingen wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Gang zum privaten wie diskreten Ermittler statt die Polizei auf den Plan zu rufen. Steuerhinterziehung und Schwarzgeld könnten dieser Aufgabensammlung ohne Frage hinzugefügt werden. Interessant ist auch, dass in der sich laut Brownson noch bewegenden „Neoclassics“ Bewegung das Genre weiterentwickelt, verändert und doch zumindest impliziert auf den alten Tugenden aufbaut. Das ist nur bedingt richtig, da selbst klassische Figuren wie Sherlock Holmes in „Sherlock“ oder „Elementary“ mit ihren markanten, exzentrischen Zügen wieder erkennbar in die Gegenwart in die Gegenwart transportiert worden sind und trotzdem ohne Kompromisse agieren können. In seinen Einschränkungen ist Charles Brownson zu hart und vor allem zeigt sich in der Medienvielfalt des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts, das er seine Thesen an zu wenigen, vielleicht absichtlich so ausgesuchten Beispielen abgeglichen hat und dadurch aufgrund einer fehlenden Zielmasse zu übertrieben eingeschränkten Ergebnissen gekommen ist. Das gipfelt teilweise in Schubladendenken, bei dem einzelne Beispiele wie Sandra Paretzkys Hardboiled Ermittlern hervorgehoben, andere Entwicklungen wie „Mrs. Tree“ von Max Allan Collins als Mischung aus moderner Frau und Hommage an den Film Noir ignoriert worden sind. Der Autor unterscheidet an keiner Stelle zwischen moderner, gegenwärtiger Entwicklungen und absichtlichen Variationen bekannter Verhaltensmuster, die als Hommage in einer andere Zeit übertragen worden sind.

Mit dem abschließenden spekulativen Ausblick „Metaphysical Modern“ versucht der Autor die Position des Detektivs als Ikone, als Synonym festzuschreiben. Angesichts der Prämisse, der langen Geschichte und dem überlangen Schatten einzelner Figuren – so ist Sherlock Holmes inzwischen eine Figur des 19. Jahrhunderts durch Arthur Conan Doyles Geschichten, des 20. Jahrhunderts durch die Wiederbelebung dank zahlreicher Filme und Fernsehserien und des 21. Jahrhunderts dank Guy Ritchies Remake, „Elementary“ und vor allem „Sherlock“ -, die verschiedene Formen der Kriminalerzählung, des Thrillers und schließlich sogar der Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt durchlaufen haben – schränkt sich der Autor auch hier weiter ein und versucht zu viele Seitenströmungen unnötig und unpassend einzufangen. Vergessen wird immer wieder, dass die Kriminalliteratur und damit der Kontrast Verbrecher/ Ermittler aufgrund der menschlichen Schwäche, Regeln zu überschreiten und damit „Verbrechen“ zu begehen, unmittelbar und genau wie die Liebesgeschichte nicht nur mit der sozialen Evolution der Menschheit verbunden, sondern überwiegend auch fest verwurzelt in den jeweiligen Gesellschaften ist.  Betrachtet ein Autor die Entwicklung einer realen wie fiktiven Figur – in diesem Fall der Detektiv -, dann sollten effektivere Verbindungen zu den jeweiligen Kulturen geflochten werden, aus denen diese überwiegend fiktiven Mittler zum Leser oder Zuschauer stammen. Sherlock Holmes ist genau wie Miss Marple ein Brite. Hercule Poirot ein Belgier, den alle für einen Franzosen halten. Mike Hammer ist der aggressive Amerikaner und Wallander der introvertierte Skandinavier. Zusammengefasst ist es das schwächste Kapitel des Buches, denn Brownson hinterfragt nicht die Bedeutung des Detektivs in dieser modernen Zeit, er versucht neue Genrevariationen in erster Linie für das Detektivkino zu finden. Während der Zuschauer „Twin Peaks“ – ein Mord in einer kleinen Gemeinde, in der alle etwas zu verbergen haben und in der die Untersuchungen des FBI Agenten für Unruhe sorgen, bis die Serie ins Abstrakte abdriftet – noch einordnen kann, überspannt Brownson den Bogen mit „Letztes Jahr in Marienbad“ oder „Trans Europa Express“, die mit Wohlwollen Versatzstücke des Kriminal, aber nicht des Detektivgenres nutzen. Mit dem aus seiner Sicht Durchbrechen der fünften Dimension zwischen Erzähler und Leser sucht er eher bemüht nach Beispielen für eine Fortführung des Detektivgenres. Auf der anderen Seite übersieht er die Science Fiction Krimis eines Lee Killough oder Brian Stablefords „Emortality“ Serie, in der Krimiversatzstücke mit geschickt extrapolierten sozialen Strukturen verbunden worden sind. Auch hinterfragt niemand die Existenzberechtigung des Kommissars von deutschen Freitagabendserien bis zu den „CSI“ Variationen. Warum sich also jetzt durch den Autor in eine erstaunlich komplizierte Ableitungsformel leiten zu lassen, welche das Genre und den Protagonisten untrennbar miteinander verbindet und genau gegen Charaktere wie „Maigret“ argumentiert, der zeitlos bleiben wird. Wenn in den modernen „Metapsychics“ die Grundelemente des Detektivromans – warme Intuition und kalte Logik – ausgeschaltet werden, entsteht kein neues Genres, sondern Sherlock Holmes folgend, eine neue Art des Ermittelns Nicht umsonst sagt der Dreh- und Angelpunkt dieser Studie:„ Wenn Du das Unmögliche ausgeschlossen hast, dann ist das, was übrig bleibt, die Wahrheit, so unwahrscheinlich sie auch ist“. Es ist schade, dass Chalres Brownson am Ende ignoriert, dass der Weg das Ziel ist und die Detektive aller Genres trotz technologischer Hilfen immer noch auf ihre intuitive Logik angewiesen sind.

„The Figure of the Detective“ verlässt irgendwann ab der Mitte des Buches mit den Exkursen in den Bereich des Actionthrillers und später ins Metaphysische das selbst gesetzte Ziel, eine Studie der literarischen Entwicklung nicht des Detektivgenres, sondern der Figur des Ermittlers zu sein und versucht viel zu sehr, zu viele selbstständige Strömungen zusammenzufassen, zu katalogisieren und damit auch zu analysieren. Nach einem guten Beginn mit einem allerdings schwächeren Sherlock Holmes Kapitel zerfasert diese sekundärliterarische Arbeit, die wenn Brownson auf seine Ausgangsidee zurückkehrt ein kurzweiligen Überblick zu bekannten und unbekannten Detektiven über einen Zeitraum von mehr als zweihundert Jahren gibt.   

 

 

Print ISBN: 978-0-7864-7769-2
Ebook ISBN: 978-1-4766-1272-0
appendix, notes, bibliography, index
216pp. softcover (6 x 9) 2014

MacFarlands

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