Gefleckte Diamanten

Dirk C. Fleck

Ein Buch von Dirk C. Fleck ohne Dirk C. Fleck. Das erscheint ein Widerspruch in der Welt eines Journalisten und Mannes, der immer wieder diese Widersprüche sucht, die Risse in der Realität, hinter denen sich Missgunst, Neid und Chaos verbergen. Aber irgendwie trifft diese Einleitung auch auf die Sammlung von Essays und Gedanken zu, welche Marina Silahani aus den Büchern, den Artikeln, dem Blog auf der eigenen Internet und anderen Quellen in den letzten Jahren gefunden und quasi als „Gefleckte Diamanten“ – der Titel ist ebenfalls ein für Flecks Werk so bedeutender wie typische Widerspruch – vereinigt hat. Die Texte sind über Jahre entstanden und weit verstreut. Die Herausgeberin spricht von einem Mosaik, das sie letzt endlich nach der abgeschlossenen Lektüre ergeben. Das ist richtig und ein wenig falsch zu gleich. Manche Gedanken wie die Wirrnis (feminin, abstammend von wirr) finden sich zweimal im gleichen Essay, ein kritischerer Dirk C. Fleck hätte zumindest die zweite Passage eliminiert. Auch andere Stellen wiederholen sich. Damit soll die Kraft der selbst reflektierenden, kritisch mahnenden Stimmen nicht unterminiert werden, aber abschließend wirkt diese Sammlung von Gedanken weniger wie ein Mosaik, sondern deutlich positiver wie ein Blick zurück am endlichen Zeitstrahl des Lebens. Nicht umsonst muss auch ein mahnendes Beispiel aus der Schule folgen.

 Einzelne Essays bilden aber trotzdem eine Einheit. „Gefleckte Diamanten“ verbindet sich sehr gut mit „Betrachtungen“. Der Klappentext ist der Leitfaden: „Die Ewigkeit gibt ein Gastspiel im Theater der Vergänglichkeit und ich darf dabei sein: Parkett, erste Reihe, Mitte“. In einem Traum wird ihm später bei der Betrachtung dieses Gastspiels auch ein Pferd begegnen. Genauso wie Dirk C. Fleck einmal einen Traum ohne Menschen hatte. Ein Anlass, weniger über den Inhalt des Traums als den Anlass nachzudenken.

 Ausgangspunkt ist bei den meisten Betrachtungen der schnöde Alltag, den viele Menschen auf der Suche nach dem nächsten Höhepunkt ignorieren. Dirk C. Fleck hat dazu ein schönes Bild entwickelt. In seiner Altbauwohnung wächst eine Pflanze. Im Zeitraffer der Kamera könnte dieses Wachstum genau verfolgt werden. Mit dem Ergebnis, das er als Mitbewohner durch die schnelle Bildfolge zu einem Schemen, zu einem Nichts wird. Alles ist also relativ. Die alten Erinnerungen zeigen dem Betrachter, was er in seinem Leben versäumt hat. Allerdings muss bei allen Erinnerungen, teilweise ein wenig melancholisch wehmütig, immer angemerkt werden, dass das Leben das einzige ist, was vorwärts gelebt werden muss, aber rückwärts betrachtet werden kann. Die Wege entstehen erst während des Gehens, wie ein populärer Sänger voller Weisheit ausgesprochen hat. Daher fällt es Dirk C. Fleck aus seiner jetzigen Position teilweise leichter, Sachen aus einer gänzlich anderen Perspektive zu sein. Er steigt nicht auf ein Lehrerpult, alleine die Blick aus dem Fenster seiner Wohnung in Hamburg reicht teilweise aus.

 In „Betrachtungen“ führt er diese Gedanken noch weiter aus. Die Gedankenströme beider Essay enden an Weihnachten, mit einem liebgewordenen, fast kitschigen Ritual. Dem Weihnachtskonzert des NDRs um 18.00 Uhr. Im Radio. Dabei ist Dirk C. Fleck trotz der wehmütigen Erinnerungen anscheinend noch nicht fertig. Er sieht sich selbst als ein vom Leben gezeichneter und nicht immer in Ehren gealterter Mann, der mit seinen achtzig Jahren eine innere Zufriedenheit trotz der äußeren sozialen wie politischen Umstände gefunden hat, aber sich nicht zu schade ist, den kopf durch die Wolken zu stecken, um nach neuen, vielleicht auch besseren Welten Ausschau zu halten. Diese seltsame Mischung aus melancholischer Schwermut und progressiven Optimismus kennzeichnen die hier vorhandenen Essays. Nicht selten findet sich dieser Kontrast in aufeinander folgenden Absätzen, was die Lektüre zu einer intellektuellen Herausforderung macht. Aber mit Dummköpfen egal in welcher Position konnte Dirk C. Fleck noch nie wirklich etwas anfangen.

 Daher wirken die „Betrachtungen“ persönlich, basierend auf dem eigenen Umwelt, der eigenen „Heimat“ und dem Alltäglichen, dem der Autor auf seinen Spaziergängen durch Hamburg begegnet. Die Details liegen jeweils im Auge des Betrachters. S ist ein persönlicher, durchaus fein beobachtender Blick auf Menschen, denen er zufällig begegnet, die er nicht seziert oder analysiert, sondern für die literarische Ewigkeit in ihrer Lebensbewegung festhält. Dirk C. Fleck hält die Veränderungen in seiner „Heimat“ (Hamburg) wie auch in seiner Straße ab. Im Gegensatz zum Gedankenexperiment, das Wachstum der Pflanze aufzuzeichnen, springt Dirk C. Fleck improvisierend und experimentierend zwischen Beobachtungen und den Folgegedanken hin und her.

 Im dritten Essay „Gesellschaft“ wird Dirk C. Fleck kritischer. Irrsinn mit dem Stempel der Autorität kann er nicht ertragen. Er sieht sich in einer Welt, „in der Mediziner die Gesundheit zerstören, Juristen die Gerechtigkeit zerstören, Universitäten das Wissen zerstören, Regierungen die Freiheit zerstören, die Presse die Informationen zerstören, Religionen die Moral zerstören und unsere Banken die Wirtschaft zerstören, welche wiederum die Umwelt zerstört.“ (Seite 59). Dirk C. Fleck greift auch auf Beispiele aus „Heroes“ zurück. Um es genauer zu sagen, die Wurzeln für „Heroes“ finden sich in diesem Buch, in dem Dirk C. Fleck neben seiner Prophezeiung des Endes des Superkapitalismus auch zu Erkenntnis gelangt: „ Ich bin nicht depressiv! Ich sehe nur keinem Sinn mehr in allem“ (Seite 54). 

 Aus heutiger Sicht fast dunkle Vergangenheit streift Dirk C. Fleck die verschiedenen Corona Maßnahmen oberflächlich und sieht den Staat immer als Nehmer, der selten Maßnahmen zurücknimmt. In dieser Hinsicht irrt sich Dirk C. Fleck. Viel mehr ist der Staat der Supertanker, der schwer zu bremsen und noch schwieriger zu bremsen ist. Dirk C. Fleck sollte es wissen, sein erster Roman „Palmers Krieg“ ging um einen Supertanker als finale Waffe. Daher ist es für einen ungeduldigen Geist schwierig, Veränderungen in beide Richtungen rückblickend zu betrachten und vielleicht auch anders zu betrachten. Die nicht nur soziale Verrohung, der Missbrauch der Macht und damit die Unterhöhlung der fragilen Demokratien sind ein weiteres Stichwort, mit welchem sich Fleck über den Geheimbünde Exkurs auseinandersetzt.

 Mit den nächsten Kapiteln zeigt sich, dass auch scharfe Klinge ein guter Titel für diese Essay Sammlung gewesen wäre. Auch wenn sie unterschiedliche, aber indirekt miteinander verbundene Themen behandeln, wirken sie wie ein aggressiver Streifzug durch verschiedene soziale wie politische Themen, in denen Dirk C. Fleck wie mit einer Schnellfeuerschreibmaschine alles entlarvt und dann stilistisch eloquent niedermäht. Allerdings hat der Leser nach der Lektüre der Essays auch das Gefühl, als wolle Dirk C. Fleck sich der Bedeutung durchaus bewusst verbrannte Erde hinterlassen. An der Grenze zur persönlichen Beleidigung macht der Autor keine Gefangen, präsentiert auch keine Alternativen. Da hilft auch der Verweis auf den eigenen Roman „Go- die Ökodiktatur“ zu wenig.

 Das Kapitel „Krieg“ beginnt mit dem Leiden der Tiere in den Massenschlachthäusern. Da helfen auch keine verklärende Worte und wer sich schon einmal an diesen Orten aufgehalten oder der Verladung von Tieren zugesehen hat, muss ohne Scheuklappen Dirk C. Fleck zustimmen. Das Verhältnis zu (seinen) Tieren ist das Spiegelbild des Menschen. Im Laufe des Essays wird der Autor noch einmal auf das Thema zurückkommen, nachdem er es als Sprungbrett zu einer Auseinandersetzung mit dem Krieg genutzt hat. Im Sommer 1959 begegnete Dirk C. Fleck an der Hamburger Universität dem russischen Dichter Jewgeni Jewtuschenko, der in seinen Gedichten das Grauen des Krieges und die Gräultaten der Deutschen an den Juden gebrandmarkt hat. „Kriege fallen nicht vom Himmel, sie werden gemacht. Bevor ein Krieg geführt werden kann, muss ein Feindbild kreiert werden... Das Gegenüber muss entmenschlicht werden.“ (Seite 68). Mit diesen wenigen Worten fasst Dirk C. Fleck alle Aspekte aller Kriege zusammen. Eine bittere Erkenntnis, ein Teufelskreis, den der Autor allerdings auch nicht durchschlagen kann. Im Vergleich zu den dunkelsten persönlichen Geschichten aus dem Buch „Heroes“ – hier erwähnt Dirk C. Fleck eine Lesung in der Schweiz – ist der Abschnitt Krieg in „Gefleckte Diamanten“ zynischer, brutaler wie offener, nachdenklich stimmend und nihilistisch.

 Sinnvoll wäre es gewesen, sich gleich im Anschluss an „Krieg“ mit dem Thema „Medien“ auseinanderzusetzen. Die „Kultur“ hat sich dazwischen gemogelt. Für die meisten Medien und ihre opportunistischen Vertreter als Handlanger der gekauften Politiker (sprich Verbrecher) in den Parlamenten hat der Autor nur drei Buchstaben über: DIA – Dummheit, Ignoranz und Aggressivität. Von der Industrie gekauft und manipuliert. Die einzige Alternative ist für Dirk C. Fleck ein glasklarer Verstand – der Leser und damit auch Wähler – auf einem gehobenen Bildungsniveau, das es in dieser Form nicht mehr gibt. Höhepunkt dieses Kapitels ist der offene Brief an den Chefredakteur einer Boulevardzeitung. Dabei agiert der Autor teilweise auch ironische, in dem er sich in diesem wahrscheinlich fiktiven Brief selbst geißelt. Noch stärker als in den anderen Abschnitten greift Dirk C. Fleck auf zahlreiche wie umfangreiche Zitate zurück. Diese sind alle messerscharf formuliert und pointiert, sie sollen zeigen, dass „Wir sind Legion“ keine Illusion ist. Aber irgendwo vermisst der Leser auch den verbalen Gegenschlag, der aus progressiven Vorschlägen und nicht kontinuierlicher Kritik besteht. 

 Zwischen Krieg und Medien steht die Kultur. Für Dirk C. Fleck sind große Künstler im positiven Sinne auch die großen Vereinfacher, welche mit ihrer Kunst schwierige Themen einfangen und für den Betrachter oder Leser simplifizieren. Im positiven, aber nicht manipulierenden Sinne. Es folgt ein einseitiger Streifzug durch verschiedene Arten der Kunst und damit auch Künstlern mit einem Schwerpunkt auf den stilbildenden Mythen, der Diskrepanz zwischen der Realität und den Opportunitäten. Nicht zum ersten oder letzten Mal sieht Fleck alle Politiker als gekaufte Handlanger an. Er geht scharf mit den Corona Maßnahmen um, was rückblickend natürlich immer sehr viel leichter ist als vorausschauend. Vielleicht die größte Problematik dieser Essays, denn es ist immer leichter, etwas besser zu wissen, nachdem es geschehen ist und nicht vorausschauend zu agieren. Den Versuch unternimmt der Autor in seinen Romanen, etabliert soziale wie politische Systeme, auf dem Papier oder eine Funktionsprüfung gegen die Realität Mensch.     

 „Literatur“ beginnt mit der Sprache, den einzelnen Buchstaben, die Dirk C. Fleck laut seiner Meinung sehen kann. In den Monaten Januar bis März 1985 hat er auf Spaziergängen durch Hamburg Gedanken und Gespräche aufgefangen, spontan niedergeschrieben und schließlich mit aktuellen Meldungen aus den Medien ergänzt. Ein Zeitzeugnis, das heute aus der Zeit gefallen erscheint. „Schriftsteller haben erkannt, das Worte Versteller sind, Sichtblenden vor der Wahrheit sozusagen...“ (Seite 99). Und so finden sich in diesem Kapitel Anmerkungen zu Huxley, nicht zum ersten mal Kafka, Prentice Mulford – inzwischen mit einer ihm gewidmeten Facebook Seite - , Ingeborg Bachmann mit einem ausführlichen Zitat, Rilke, Martin Amis und seinem Freund Cording. Aus der persönlichen Perspektive fügt Dirk C. Fleck noch eine Auseinandersetzung mit der Hamburger Kulturbehörde um die Förderung eines Buchprojektes hinzu, Europa ohne Kopf, basierend auf einem in einem Paris Stundenhotel verlorenen Manuskript eines anderen Autoren. Auch wenn Fleck mit der Vervollständig des Textes ohne Förderung droht, hat er dieses Projekt bislang nicht vollendet. Wie den Sittenroman, den er seit Jahrzehnten als Idee mit sich herumträgt. Aber noch ist es Zeit.

 „Die Sprache tut nur eins: sie etikettiert“. Das gilt nicht nur für Literatur, sondern im Grunde alles Geschriebene oder Gesprochene. Aber über Literatur lässt sich einfach besser diskutieren. Es gibt aber noch einen anderen Antrieb: „WAS VON UNS BLEIBT“ (Seite 110). Die Eitelkeit der Menschen, ein Vermächtnis zu hinterlassen. Im Großen wie im Kleinen. Dabei ist die Bandbreite vom mörderischen Diktatur, der in die Geschichtsbücher will über die Eltern mit ihren Kindern bis zu den melancholischen Schriftstellern sehr breit. Das Bleiben ist auch relativ, vieles ist nur wenige Jahre nach dem Tod vergessen. Egal, wie sehr man sich bemüht. Das gilt für den Film noch mehr als das Buch. Filme sind visuelle Medien, in denen der Leser aus der Gegenwart nicht selten in ein Fenster der Vergangenheit schaut. Manchmal gewollt, in dem das Alte wieder auflebt, manchmal ungewollt, wenn ein alter Film mit der typischen Mode läuft. Laut Dirk C. Fleck ist die Literatur fließender, zeitloser. Das stimmt auch nicht ganz, denn jede Zeit hat auch irgendwie und irgendwo ihren Stil und der lässt manche Geschichte genauso schnell verblassen wie einen Film. Aber es ist vielleicht das eher verzweifelte Bemühen eines Manns des Worts, sein Werk ein wenig abzuheben. Zusammen mit dem folgenden Kapitel „Frauen“ bedeutet „Literatur“ gleichzeitig einen Blick in das Seelenleben des nicht so zornigen Dirk C. Flecks, der Agitation mit Reflektion (des eigenen bisherigen Lebens) ausgetauscht hat.

 „Frauen“ und Liebesdienerinnen“ heißen die nächsten beiden Kapitel. Auf den ersten Blick vielleicht ein Widerspruch, aber in den Frauen, die Dirk C. Fleck geliebt hat und deren Fotos inzwischen zu Lesezeichen seiner Bücher geworden sind, sieht er Musterbeispiele für das „Seelensekretariat“ (Seite 128). Frauen sind ein Phänomen. In keinem der hier gesammelten Kapitel ist Dirk C. Fleck so unbestimmt, so vage und doch auch verklärt. Auch heute noch stellen Frauen, insbesondere jüngere Frauen ein Lieblingsziel auf seinen Spaziergängen durch Hamburg da. Nicht als Voyeur, die er als emotionale Schmarotzer ansieht, sondern als Lichtblick im Leben eines alten, aber nicht immer altersweisen Mannes  Aus seinen Worten klingt Respekt gegenüber Frauen, was sich im nächsten Kapitel „Liebesdienerinnen“ auch zeigt. Der Unterschied zwischen Frauen und deren Verführung und den Diensten einer Prostituierten ist die Ehrlichkeit. Bei der Prostituierten geht es um käuflichen Sex, auch wenn die literarischen Zitate in diesem Kapitel noch andere Opportunitäten aufzeigen. Während „Frauen“ deutlich emotionaler, melancholischer ist, wirken die außerhalb der literarischen Zitate aufgeführten Beispiele der russischen Freunden mit Beziehungen zum Rotlichtmilieu oder die Begegnung in Berlin ein wenig konstruiert.  

 Einzelne kleine Abschnitte fließen gegen Ende dieser Essaysammlung in die auf den ersten Blick großen Themen ein. So bilden Wetter/ Zeit eine Symbiose, die sie sich in den „Reminiszenzen“ wieder findet. Das graue Hamburg Einheitswetter ist eine Einladung zum Träumen, das Warten auf anderes Wetter erinnert an die verstrichene Zeit. Zwischen den Zeilen macht Dirk C. Fleck seiner Hamburger Heimat eine Liebeserklärung, auch wenn er  - nach eigenen Worten – die Stadt auch immer wieder scharf kritisiert hat. Weniger die Stadt per se, sondern die Menschen.

 Mit „Ökozid“ greift Dirk C. Fleck ein bestimmtes Thema der ersten hier gesammelten Artikel und Gedankensplitter wieder auf. Der Klimawandel wird zu einer Quadratur des Kreises, zu einer das Gewissen entlastenden Diskussion ohne Konsequenzen und Folgen. Zum einem Wort des Jahres, das als Unwort des Jahres pervertiert und missbraucht werden kann. Den Studien gegen den Klimawandel unter anderem von Koch Industries aus den USA stellt Dirk C. Fleck ein Zeitraffermodell – im Zeitraffer verschwindet ja der Mensch, wie der Autor gleich zu Beginn seiner Sammlung festgestellt hat – des industriellen Revolution und der Klimaveränderung gegenüber. Der technologische Fortschritt wird zu einer Art Hilfsbrücke, bei welcher der Mensch verkennt, dass er aus dem Naturspeicher immer noch jährlich einen Nutzen von 33 Billionen Euro zieht. Beginnend mit den Ernten und endend bei der CO2 Speicherung. Aber dieser Speicher lehrt sich auf eine dramatische Art und Weise.

 Natürlich wehrt sich Dirk C. Fleck gegen den Vorwurf, zu pessimistisch zu sein. Andere Schriftsteller sehen im Kampf gegen die Natur auch den Kampf gegen die eigene Psyche, während Dirk C. Fleck in dieser Art des 3. Weltkriegs ein Krieg gegen die kommenden Generationen sieht. Ein Krieg gegen einen Schattengegner, der sich aus der Zukunft nicht wehren kann und mit dem Folgen leben muss. Dabei sieht Dirk C. Fleck auch eigene Defizite. Aber Dirk C. Fleck ist kein reiner Agitator, der immer wieder auf das Gaspedal der Industriegesellschaftskritik drückt und hofft, dass der die Umwelt verpestende Wagen endlich gegen die Wand kracht. Er zeigt Beispiele aus der Vergangenheit, in denen Naturvölker wie die Maori den eigenen Irrweg erkannt und geändert haben. Mit einfachen Mitteln, aber auch den entsprechenden Verboten, als Tabus bezeichnet. Für Dirk C. Fleck ist die gegenwärtige Krise eine Krise der Herzen, nicht der Verzicht auf jegliche Technik. Sondern – wieder – das Gewinnen einer anderen Perspektive und darauf aufbauend auch einer anderen Lebens- und Weltanschauung. Er hofft, dass es den Menschen im großen irgendwann genauso viel Spaß macht, auf der Erde aufzuräumen wie Lebensräume zu zerstören.  „Tausche Leid gegen Glück“ (Seite 165). Wie ein roter Faden durchzieht alle Essays eine Änderung der geistigen Einstellung vom „Ich“ zum „Wir. Auch hier bezieht sich der Autor selbst mit ein. Dieses Mal verweist er sich nicht auf letzte Konsequenz, die er in seinem Roman „Go!- Die Ökodikatur“ niedergeschrieben hat. Vielleicht lässt sich der Ökozid und die finale Unterdrückung am Vorabend des Kampfes gegen die nachkommenden Generationen, welche Mensch noch erschaffen muss, verhindern. Daher wirkt der Artikel trotz einer Vielzahl von negativen Beispielen erstaunlich milde, verhalten optimistisch. „Natur und Mitwelt“ bilden den Ausklang dieses eng miteinander verbundenen Essays und einige der Ideen, die Dirk C. Fleck im ersten, allerdings unabhängig publizierten Teil angerissen hat, schließt er wie schon erwähnt auffordernd und nicht weiter deprimierend in diesem Teil ab.

 „Reminiszenzen“ und „Bewusst sein“ bilden den Abschluss dieser kleinen Sammlung. Auch diese beiden Artikel fließen zusammen. Der erste Abschnitt besteht aus zahlreichen Erinnerungen. Der Abschied von Tahiti, eines Tahitis, das es in dieser Form zu Zeiten des Massentourismus auch nicht mehr gibt. Die Gedankenmomente, als er am Flughafen Bremen von Sinhead O `Connors Tod gehört hat. Die Begegnung mit einem auf dem Land gestrandeten sterbenden Wals. Die Geschenke von Freunden, die sich an seine häusliche Umgebung anpassen müssen. Reisen nach Amsterdam oder Lissabon. Die Schulzeit mit einer fast klassisch klischeehaften Konfrontation und der Stimme aus dem Nichts. Eine Freundin, die ihn an die Grenzen trieb und der er trotzdem nicht genug sein konnte. Es gibt immer wieder ein Nächstes Mal. Der heute vergessene Schriftsteller Thomas Brasch, als Flüchtling aus der DDR gehypt und sein mehr als 14.000 Seiten umfassende Werk über einen Mädchenmörder, das niemals vollendet worden ist. Thomas Brasch hat die Zeit vergessen. Nicht umsonst sieht Dirk C. Fleck „Erleuchtung als das Ergebnis eines Abstreifungsprozesses“ (Seite 180). Diese einfache, aber komplexe Satz dient nicht nur als Zusammenfassung dieses Kapitals „Bewusst sein“, sondern strahlt über alle Abschnitte des Buches hinaus. „Wichtig ist, uns klar zu machen, dass wir alleine geboren wurden und alleine sterben werden. Und das wir bei genauerer Betrachtung auch alleine leben.“ (Seite 184). Dirk C. Fleck hat hinsichtlich des aktiven Vorgangs der Geburt oder des Todes Recht und Unrecht zu gleich. Glückliche Menschen haben andere Menschen in diesen beiden Momentan um sich. Zumindest bei der Geburt die Mutter. Das erleichtert, passt aber nicht in das Weltbild eines Menschen, der aus der Perspektive des Alleinseins gerne in die Welt schaut und positiv gesprochen als Voyeur immer etwas auf seinen Spaziergängen mitnimmt. Die vier Gesetze der Lakota (Seite 186) sind ein gutes Schlusswort. In diesen vier Gesetzen, aber auch einigen fast phlegmatischen Erkenntnissen liegt sehr viel Weisheit, aber auch der pessimistische Funke eines Menschen, der sehr viel in seinem Leben erreicht hat und doch irgendwie nicht den inneren Frieden gefunden hat. Das kann an seiner Enttäuschung hinsichtlich der Umwelt und der Mitmenschen liegen, die in seinen Träumen je öfter nicht mehr stattfinden. Das kann auch daran liegen, dass die eigene, mehrfach angesprochene Faulheit wichtige Projekte behindert hat, bis der ideale Zeitpunkt verflossen ist. Natürlich will Dirk C. Fleck am Ende seiner verschiedenen Gedankenmodelle, aber keine Elfenbeintürme, seine Leser noch einmal aufrütteln. Nicht umsonst hat er die kleine, als Hardcover veröffentlichte Ausgabe seinen Freunden (und vielleicht auch einigen Feinden) zugestanden. Sie ist nicht in den Handel gekommen. Als finale Geste eines fordernden Geistes.

 „Gefleckte Diamanten“ ist keine einfache Lektüre. Das würde auch Dirk C. Flecks lebenslanger Intention widersprechen. Natürlich lässt sich kritisieren, dass immer Probleme, aber zu wenige Lösungen angeboten werden. Bei einer oberflächlichen Lektüre stimmt das vielleicht, aber die Problemlösungen liegen links und rechts des menschlichen Bulldozerevolutionspfads, sie werden nur nicht gesehen oder sind in Vergessenheit geraten. Im Vergleich zu den angesprochenen Problemen sind es von der Zahl her wenige, aber sie sind so fundamental, so einfach, dass eine Umsetzung der Menschheit und ihren Nachkommen schon helfen könnte. Der Teufel steckt nicht immer in den Details, manchmal ist es auch die Rettung. Während Dirk C. Fleck in „Heroes“ auf Helden eingegangen sind, die sich quer gestellt haben, öffnet der Autor in dieser Sammlung einen kleinen Blick in seine Seele, aber auch in mehr als achtzig Jahren Leben voller Höhepunkte und Niederlagen. Das macht diese Sammlung auch zu einem Schlüssel seines literarischen Werks, in dem sich Dirk C. Fleck um die Lösungen bemüht hat – vielleicht auch brachiale Art und Weise -, die Kritiker in seinen Essay blind vermissen könnten.  

GEFLECKTE DIAMANTEN: herausgegeben von Marina Silalahi

  • Herausgeber ‏ : ‎ p.machinery (15. April 2024)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Taschenbuch ‏ : ‎ 196 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 395765386X
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3957653864
  • Lesealter ‏ : ‎ Ab 16 Jahren
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