Perry Rhodan Neo 80 "Die Schlüsselperson"

Dennis Mathiak

Für John Marshall haben sich Frank Borsch und die Autoren eine besondere Fähigkeit ausgedacht, die den Spuren von Andre Noir folgt und dabei durchaus konträr diskutiert werden muss. Als der Mutant von Bai- Jun den Auftrag erhält, die Computer der Terra Police in Barcelona anzuzapfen, setzt er die Gabe des Parallel- Wanderns in alternative Welten ein, um quasi ein Modell der Polizeiwache zu finden. Die Tat muss er allerdings in seinem Originaluniversum vollbringen. Die Idee von Parallelwelten als Sprungbrett für die eigene Realität ist nicht unbedingt neu. Fernsehserien wie „Sliders“ haben das Konzept visuell gut umgesetzt, während die hier präsentierte Prämisse eher an Pratchett/ Baxters Trilogie „Die lange Erde“ erinnert. Wie in diesen Romanen wird die Erde immer skurriler und fremder, bis er schließlich auf unzählige schreiende Pery Rhodan oder Kreaturen mit vier Armen trifft. Während die dunkle Erde oder die natürlichen Verwerfungen noch nachvollziehbar sind, wirken diese „Visionen“ zu phantastisch. Vor allem ist nicht klar herausgearbeitet, warum das Anbringen eines Sniffers in einer passenden Version der Polizeiwache in irgendeiner Parallelwelt den Rebellen auf der Ausgangserde wirklich helfen soll. Alleine die Reise hat bewiesen, das nicht alle Welten gleicht sind und die Entwicklungen nicht parallel verlaufen. Der Einsatz seiner Parallelwandlerfähigkeit bei der Befreiung der Verursacher der Genesis- Seuche am Ende des Romans wirkt effektiv. Obwohl Bai- Jun anfänglich gegen den Einsatz ist, kommt er schließlich in einer der theatralischen Szenen mittels eines Quadrokopter in letzter Sekunde zur Rettung.

Die große Schwierigkeit an John Marshalls Fähigkeiten wie bei Ernst Ellert zumindest in der Originalserie ist, dass sie zu viele Türen öffnet und ihn theoretisch unbesiegbar macht. Er müsste nur in eine der unzähligen anderen Dimensionen fliehen, wobei der anfänglichen Theorie folgend seine Aktionen auf der Ursprungserde sich auch in den Variationen niederschlagen müssten. Dieses Konzept scheint nicht hinreichend durchdacht oder Dennis Mathiak hat Schwierigkeiten, die Idee wirklich nachhaltig im vorliegenden kurzweiligen, aber den grundlegenden Plot der Miniserie nicht voranbringen Taschenheft überzeugend zu beschreiben. 

Auf der zweiten Handlungsebene ist Satraks Sicherheitsmann Jemmico im Auftrag der Imperatrice auf Mutantenjagd. Auch hier braucht es im Grunde nicht dem Auftrag der Imperatrice, da es in den ureigenen Interessen der arkonidischen Besatzer liegt, Ruhe auf die besetzten Welten zu bekommen. Sie tarnen ihre Drohnen als Tiere und können damit eine wichtige Zelle der Free Earth Bewegung ausheben. Interessant ist, wie irdisch die Arkoniden trotz oder vielleicht auch gerade wegen ihrer überlegenen Technik vorgehen müssen. Statt der Mutanten  finden sie aber ein Mitglied der AETRON Besatzung, die nach Homunks Folter auf Wanderer immer noch psychisch gestört ist. Dennis Mathiak versucht anschließend, innerhalb der Besatzerfront eine zweite Gruppe zu etablieren, denn erstens werden die Gefangen auf ein Schloss nach Frankreich gebracht, was anschließend nach Befreiung schreit und zweitens sollen die Vorgesetzten über den Erfolg möglichst wenig informiert werden.

Die Idee, das plötzlich auf der Erde hinsichtlich einer Manipulation der Individualtastersignaturen geforscht wird, erscheint absurd, da Perry Rhodan sich mit diesen Tricks während seiner verzweifelten Aktion im Arkonsystem auch mehrfach auch schwierigsten Situationen gerettet hat. Auch hier erscheint die Vorgehensweise der Autoren nicht nachvollziehbar. Bedenkt man, wie kurz die Arkoniden erst auf der Erde sind und sie damit im Gegensatz zu Rhodans Hoffnungen oder Befürchtungen gefunden haben, erscheint diese komplexe Vorgehensweise in der ersten Phase der Besetzung viel zu weit in die Zukunft gegriffen und hätte ausführlicher der reinen Logik folgend schon vor der Besetzung der Erde initiiert werden müssen. Da aber die Imperatrice die Position der Erde durch Zufall oder Absicht erst sehr „spät“ erfahren hat und Rhodan sinnlos das so wenig durchdachte Epetransarchiv löschen musste, hatten die Forscher gar keine Zeit, sich auf einen derartigen Einsatz vorzubreiten.

Unabhängig von dieser Prämisse wird die Free Earth Bewegung weniger durch einen Zufall als die richtige Person an der richtigen Stelle auf die Gefangenen aufmerksam gemacht und startet die eingangs erwähnte Befreiungsaktion. Dennis Mathiak unterstreicht, wie naiv die Arkoniden zum wiederholten Male vorgehen. Entweder rechnen sie nicht mit Aktionen der Mutanten, was ausgesprochen dumm wäre oder sie wollen ihnen eine Falle stellen. Das sie die Objekte der Begierde nicht nur in dem Schloss in Frankreich immer in Reichweite der Rebellen halten, erscheint nach den vielen bisherigen Rückschlägen unglaubwürdig. Für eine militärische Macht, die seit Jahrtausenden erfolgreich Welten besetzt und ins Reich assimiliert, ist die Vorgehensweise höflich gesprochen dümmlich. Anscheinend fehlt den Autoren wirklich die Vorstellungskraft, das arkonidische Imperium – immerhin soll es ja im ersten Band der Dekadenz Heim gefallen sein, was an keiner Stelle des bisherigen „Neo“ Verlaufs zu erkennen ist – als etwas so Mächtiges zu beschreiben, das Rhodan und Co im Grunde keine Chance haben. Immer wieder werden Schwachstellen aufgetan, die aber nicht funktionieren und relativ schnell wieder geschlossen werden können. In der Originalserie mit dem Roboterregenten stimmte die Beschreibung des fremden Volkes vom ersten Augenblick an und die Abgabe der Macht an eine Maschine, deren Vernichtung im Grunde die Auflösung der bisherigen Ordnung bedeutet hätte, ist für den Leser nachvollziehbar gewesen. Im vorliegenden Roman bleiben zu viele Fragezeichen zurück und die grundlegende Handlung wirkt derartig konstruiert, das man die Lust an der Lektüre relativ schnell verliert.

Zumindest versucht Dennis Mathiak in den gelungenen Szenen seines Romans den einzelnen Figuren mehr Tiefe zu geben und sie in die stringente, aber nicht zufrieden stellende und vor allem stellenweise ausgesprochen langweilig erzählte Handlung einzubauen. So bleibt ein Füllroman zurück, der weder den eigentlichen Plot vorantreibt, die Hintergründe erläutert oder John Marshall von einer potentiellen Superwaffe wieder auf ein angreifbares und damit auch glaubhafteres Niveau herunterholt. Nach Zweidrittel der Miniserie „Protektorat Erde“ bleibt der Eindruck zurück, als sei eine weitere gute Idee und vor allem interessante Abweichung von der Originalserie einfach nur ausgewalzt und langweilig entwickelt worden.

 

 

Taschenheft, Pabel Verlag

160 Seiten, Erschienen Oktober 2014

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