Kaiserkrieger VII- Aufgehende Sonne

Dirk van den Boom

Mit "Aufgehende Sonne" liegt im Grunde der siebente "Kaiserkrieger" Roman vor, der bis auf den Epilog aber einen gänzlich neuen Handlungsarm anbietet. Es ist der erste Band einer neuen Serie, darum sollte hinsichtlich der Ploteröffnung nicht zu viel Kritik geäußert werden, aber das Potential des Epilogs - eine römische Expedition wird mit Hilfe der inzwischen ergrauten eigentlichen "Kaiserkrieger" gen Amerika geschickt - hätte besser in die laufende Handlung eingebaut werden können. Kritisch gesprochen macht es sich Dirk van den Boom relativ einfach, in dem er den Plot aus dem allerersten "Kaiserkrieger" im Grunde kopiert und nur die Lokalitäten und die Zeitreisenden ausgewechselt hat. Das dabei die Preußen Asiens auf die Hochkultur der Mayas treffen bietet ohne Frage sehr viel Potential an, aber im ersten Buch macht Dirk van den Boom relativ wenig über die gut recherchierten Hintergrundinformationen hinaus aus den Ideen.

Das unbekannte Phänomen aus dem ersten Band schlägt zur gleichen Zeit - wieder das Jahr 1914 - auf der anderen Erdkugelhälfte zu und versetzt das modernste japanische U- Boot inklusiv des zweiten unehelichen Sohns des Kaisers dieses Mal nach Lateinamerika in die Zeit der Mayas. Wie das eindrucksvolle, aber nicht gänzlich der Handlung entsprechende Titelbild zeigt, landet das U- Boot nicht nur auf dem Trockenen, sondern der Spitze einer Pyramide, die sich auf der Halbinsel Yukatan befindet. Dirk van den Boom verbringt wenig Zeit mit seinen anfänglich sehr hölzern gezeichneten Soldaten des Tennos. Ein ehrgeiziger erster Offizier, ein junger aufstrebender Marinesoldat, ein britischer technischer Berater, der junge Sohn des Kaisers. Sie erfüllen pragmatisch ihre Funktionen und der Leser erfährt ein wenig über ihren Hintergrund, aber im Grunde liefert der Autor zu wenig Fundamentales ab. Die Mayas dagegen sind deutlich nuancierter gezeichnet. Da gibt es das Klischee vom bösen Stammesfürsten, der alle Maya Gruppen unter seiner Knute vereinigen möchte. Sein Plan ist ein brutaler Überfall auf die Siedlung, in der welch ein Zufall das U- Boot auf dem Tempel liegt. Im Gegensatz allerdings zum "Kaiserkrieger" Auftakt und dem kleinen Kreuzer "Saarbrücken" ist das japanische U- Boot deutlich besser ausgerüstet und das Verteidigen der Mayas fällt nicht zuletzt aus Eigeninteresse leichter. Mit dem klugen und aufgeschlossenen Sohn des sich opfernden bisherigen Stammesoberhauptes sowie seiner Schwester verfügt der Roman über zwei Figuren, die weit von den grotesken Zeichnungen Mel Gibsons in "Apocalypto" entfernt sind. Auf der anderen Seite wirken sie aber auch zu modern. In „Kaiserkrieger“ wurden die Zeitreisenden zumindest von einem Teil der Römer als Freunde aufgenommen. Die „innerbetrieblichen“ Spannungen führte schließlich zu einer Spaltung der „Saarbrücken“ Gruppe, aber an keiner Stelle hatte der Leser das Gefühl, als wolle man die Gäste wirklich los werden. Das gleiche gilt für den vorliegenden Roman. Erst als Götterboten bewundert relativieren die Mayas fast naiv schnell ihre Rolle und nehmen sie als auch waffentaktisch überlegene Ratgeber mit eigenen Interessen an. Anstatt hier gleich zu Beginn nicht nur Konfliktpotential zu schüren – selbst eine kleine Krankheit unter der Mayas ausgelöst durch die unbekannten Viren der Japaner hätte vielleicht geholfen, ihre Position zu unterminieren und sie mit begrenzten Rohstoffen und vor allem auch modernen Waffen zu isolieren .- steuert Dirk van den Boom zu gerade den bekannten Kurs an. 

Der Roman durchläuft fast ohne Schwierigkeiten die notwendigen einzelnen Phasen der Kontaktaufnahme- vieles wirkt aus den ersten "Kaiserkriegern" natürlich vor einem anderen Hintergrund vertraut und das ist vielleicht die größte Schwäche des vorliegenden Romans. Dirk van den Boom gibt sich nicht die Mühe, dieses bizarre Aufeinandertreffen von zwei Kulturen schwierig zu beschreiben und die kleinen Details des Alltags als Unmöglichkeiten darzustellen. Entweder sind die Mayas intellektuell unendlich weiter als die Römer nachdem sie erst einmal festgestellt haben, dass es sich nicht um Götterboten handelt oder Dirk van den Boom hat die Lust verloren, tief in die Materie einzudringen. Er spricht Probleme immer wieder an, ohne das sie wirklich im ersten Band dieses neuen Zyklus angepackt werden. Da wäre der Austausch von Viren, der ja durch die Spanier zum Untergang der Mayas geführt haben. Oder die Unverträglichkeit von Lebensmitteln oder wie schon angedeutet kulturelle Missverständnisse. Mit dem hohen inhaltlichen Tempo werden diese Kurven inklusiv der taktisch cleveren Abwehr eines Angriffs der schon angesprochenen Feinde gut umfahren. Alles verläuft zu leicht, viel zu leicht. Als Autor ist sich Dirk van den Boom bewusst, dass es sich nicht lohnt, innerhalb einer Reihe sich selbst zu kopieren. Es ist legitim, dass eine Prämisse als Ausgangspunkt zweimal wie in diesem Fall genutzt wird, dann muss aber das Schema geändert werden. Das erfolgt eher schwerfällig. 

Positiv könnte "Aufgehende Sonne" - der Titel bezieht sich wahrscheinlich weniger auf die Jünger Japans als das Potential der Maya Kultur - aber auch ein ideales Sprungbrett für eine differenziere Handlungsentwicklung darstellen. Während im Vergleich zum Ende der ersten Miniserie der wichtigste einheimische Schurke eine vernichtende Niederlage erleidet und vom Spielfeld endgültig in einer überambitioniert geschriebenen Szene abtritt, wirkt bislang der imperialistische und Macht hungrige Kommandant des U- Bootes mit dem Sohn des Kaisers als Gallionsfigur zu klischeehaft und zu eindimensional gezeichnet. Seine bisher eher in der Theorie durch gespielten Aktionen sollten deutlich zurück gefahren werden. Wie die deutschen Soldaten sind natürlich die japanischen Truppen diszipliniert, die Hierarchien geordnet. Im Gegensatz allerdings zum zerfallenen und geteilten römischen Reich mit seinem Hang zur Dekadenz bietet die latein- und mittelamerikanische Hochkultur der Mayas ein gänzlich anderes Potential, das der Autor noch heben muss. Wie schon angedeutet wirken die Einheimischen zu europäisch, zu offen und die Japaner werden im Verlaufe des Plots auch eher ambvivalent beschrieben. Die Soldaten der "Saarbrücken" konnten zumindest nach einigen politischen Ränkespielen auf einflussreiche Freunde in Rom bauen. Die Maya Kultur besteht aus vielen kleinen Stämmen, die sich gegenseitig bekriegen, besiegen und dann wieder anfreunden. Ein kriegerischer Kreislauf, der eine flächendeckende Kontrolle unterschiedlicher Stämme bislang unmöglich gemacht hat. Die Japaner müssen unabhängig von der Tatsache, dass ihr U- Boot im Vergleich zur "Saarbrücken" in dieser Position nicht wirklich nutzbar ist, sich erst eine Hochkultur schaffen. Bei der Kopfzahl der einzelnen Bevölkerungen bleibt Dirk van den Boom vage, aber die auf die Japaner wartende Aufgabe dürfte schwieriger sein als bei der "Saarbrücken". In seinem Nachwort schreibt der Autor, dass er wegen der wenigen vorhandenen Informationen hinsichtlich der Mayas mehr Freiraum gehabt hat als in Bezug auf das alte Rom. Und diesen durch das Kopieren insbesondere der Azteken in die Epoche der Mayas auch genutzt hat. Auch die japanische Kultur insbesondere vor dem Zweiten Weltkrieg und nach unzähligen Samurai Streifen dürfte eher unbekannt sein. Aber trotzdem wirken die Ansätze noch sehr oberflächlich. Dirk van den Boom hat nicht zuletzt aufgrund seines eigentlichen Berufs den Vorteil, den Einfluss von "fremden" und technologisch/ politisch nicht gleichwertigen Kulturen auf bestimmte Völker/ Stämme glaubwürdig zu beschreiben und diese Verschiebung der Perspektive inklusiv einer subversiven Unterminierung bestimmter Machtstrukturen aus sich heraus gut zu entwickeln. Dieses Schema setzt er aber zu leicht und vor allem zu wenig ambivalent um. Der Hintergrund müßte angesichts eines wie schon angesprochen bis auf den Epilog bekannten Handlungsverlaufes packender, dreidimensionaler und vor allem ein besseres Gleichgewicht zu den Figuren bildender sein. Das fehlt, so dass der Leser nach dem bekannten Auftakt und einigen Aktionen gegen den im Grunde überheblichen und anschließend feigen Feind ein bißchen Langeweile einkehrt. Es werden emotionale Verbindungen zu den Einheimischen geknüpft, wobei auch hier wenig wirklich Überraschendes oder nicht der Handlung der ersten "Kaiserkrieger" Serie entsprechendes angeboten wird. 

Es ist zu früh, nach dem ersten Buch den Stab über diesen zweiten Mehrteiler zu brechen. Dirk van den Boom hat das bekannte Garn solide niedergeschrieben und in den Details eine farbenprächtige Interpretation historisch möglicher Kulturen angeboten. Es fehlt aber ein Funke Esprit, der Versuch, über die Mechanismen hinaus zu agieren. Wie schon angesprochen bleibt viel Potential auf der Strecke und mit etwas mehr Kompaktheit hätte die Geschichte auch hinsichtlich der wenig flächendeckenden Maya Kultur weiter vorangetrieben werden müssen, um mit einer etablierten neuen Basis abzuwarten, was die römische Expedition mit aus der ersten Serie zumindest teilweise bekannten Figuren bringt.        

 

Titelbild: Timo Kümmel
A5 Paperback, ca. 280 Seiten, ISBN 978-3-86402-109-1
Atlantis- Verlag