Level

Hugh Howey

Hugh Howeys „Level“ ist die Vorgeschichte zum ebenfalls im Piper Verlag veröffentlichten Roman „Silo“. Es empfiehlt sich zwar, diese Serie mit „Silo“ zu beginnen, aber die Prequel zeigt auch die Probleme, mit etwas Bekannten wirklich Spannung zu erzeugen. In den USA sind beide Romane zuerst in Teilen als Fortsetzungsroman konzipiert im Internet veröffentlicht und später als Buch zusammengefasst worden. Dabei hat der Autor Wert darauf gelegt, die einzelnen SHIFTs – so heißt der Roman auch im Original – voneinander zu trennen. 

Der erste Teil – die Planung, Konzeption und schließlich auch der Bau der Silos – hätte dabei das Tempo des ganzen Romans bestimmen können. Da der Leser das Ende weiß, ist es wichtig, den Bau dieser gigantischen Anlagen möglichst dramaturgisch überzeugend zu beschreiben. Das ist erstaunlicherweise nicht der Fall. Mit dem Architekten Donald, der eigentlich ins Abgeordnetenhaus als Repräsentant gewählt und seinen Beruf aufgegeben hat, wird ein williges Opfer gefunden. Als Tarnung für ein atomares Endlager sollen die Silos entstehen und so die eigentlichen Zwecke überdeckt werden. Bedenkt man, welche Logistik für den Bau der gigantischen Anlagen erforderlich ist, ist die eigentliche Bauphase erstaunlich unspektakulär. Im Hintergrund agiert die Familie Thurman mit dem Senator als Triebfeder. Ein wenig konstruiert erscheint, dass sich Donald aufgrund seiner Probleme mit geschlossenen Räume den Entwurf des gigantischen Gebäudes als oberirdische Konstruktion vorstellt. Aus architektonischer Sicht schon ein gewagtes Vorgehen, da viele Anforderungen des Baus eben unter entgegen gesetzter Richtung stattfinden müssen. Natürlich hat Donald Zweifel, wobei diese eher zweckmäßig in den Plot eingestreut werden muss. Da die Leser des ersten Teils die weitere Entwicklung schon kennen, ist es schwierig, diese Zweifel wirklich effektiv in die Handlung einzubauen. Auch die manipulierende Senatorentochter, die mehr als Auge auf den in einer glücklichen Beziehung steckenden Beziehung steckenden Donald geworfen und ihn später entsprechend fernsteuert wirkt eher wie ein Klischee, um emotionale Spannungen zu erzeugen. Natürlich entfaltet sich das volle Panorama erst in der zweiten Hälfte des Buches, aber der Plotauftakt wirkt vielleicht auch aufgrund der bekannten Ergebnisse und trotz rasanter Wechsel zwischen den einzelnen Handlungsebenen unglaublich bemüht mit eher stereotypen und eindimensional gezeichneten Charakteren. Hinzu kommt, dass Howey absichtlich die politischen Implikationen ignoriert. Nicht nur einen Bau, sondern verschiedene Silos sollen über die USA verstreut ohne Aufmerksamkeit zu erregen entstehen? Das erscheint unglaubwürdig. Vielleicht können die Leser noch die Schutzidee nachvollziehen, aber erstens gibt es nicht so viele Endlager in den USA, um mehrere Silos zu rechtfertigen und zweitens hätten diese Räumlichkeiten ja nicht neben den Anlagen, sondern in der Nähe der jeweiligen Städte gebaut werden müssen, um die Bewohner und weniger die Arbeiter zu schützen. Selbst wenn der Leser diese Ideen noch akzeptiert, erscheint es melodramatisch, das ausgerechnet während der Einweihungszeremonie die Anlagen bezogen werden müssen. Es besteht angesichts des politisch immer noch sehr vagen Hintergrunds die Möglichkeit, das die Familien der einflussreichsten amerikanischen Familien versucht haben, mittels eines fingierten Nano Angriffs die Menschheit zu töten, um die Macht über das öde Land zu übernehmen. Das wäre ein Plan, der eines James Bond Feindes würdig gewesen ist. Aber in der vorliegenden Konstruktionen bleiben zu viele Fragen offen, während „Silo“ in erster Linie von den Andeutungen, Implikationen oder falschen Spuren lebte. Weniger wäre für diese Serie zumindest in der vorliegenden Form mehr gewesen. 

Als „Zwischenebene“ gibt es quasi einen Einblick in die erste Schicht des Silos 1. Als Silo Oberhaupt wird Troy aus dem Kälteschlaf erweckt. Er hat Probleme mit dem Eingeschlossen sein – ein erster Hinweis – und versucht die Vergangenheit aus den vorhandenen Computeranlagen zu extrahieren. Mit der beklemmenden Atmosphäre in dieser Anlage kommt der Autor sehr viel besser zurecht. Er bemüht sich, Spannung aufzubauen, aber auch hier arbeitet die Bekanntheit des groben Plots gegen ihn. Troy ist schließlich auch die Figur, die mehr und mehr der Identifikation des Lesers dient. Bei Problemen in einem der anderen Silos weckt „man“ ihn aufgrund seiner Erfahrungen. Da einige der Konfrontationen schon in „Silo“ beschrieben worden sind, bemüht sich der Autor um eine andere Perspektive. Es geht um den großen Aufstand und durch das Wechseln der grundlegenden Perspektive in die Anlage, in welcher der erste chronologisch später spielende Roman „Silo“ mit Holsten und Juliette, spielt der Autor mit der Vertrautheit der Leser. Howey zeigt, wie sich die Stimmung in dem Silo verändert und wie eine Gruppe von jungen Männern sich auf den Weg macht, um den Aufstand zu entfachen. Der Autor bemüht sich redlich, seinen Figuren die entsprechenden Motivationen zu geben und ihm gelingt es tatsächlich, ein wenig Spannung aufzubauen. Auf der anderen Seite unterminiert er immer wieder spannende Szenen wie Donalds Versuch, der Anlage zu entfliehen und seine Frau in einem anderen Silo zu finden, die inzwischen dort geheiratet, eigene Kinder und ein gänzlich anderes Leben hat, mit den folgenden Kapiteln, in denen die zukünftigen Aktionen dieser Protagonisten bis auf den weidlich ausgewalzten inneren Schmerz und das Gefühl, betrogen worden zu sein, nicht an die letzten Szenen nachhaltig anschließen.

Dazwischen gelagert sind weitere Untersuchungen Troys nicht nur hinsichtlich der Anlage, sondern der eigenen Vergangenheit. Plötzlich wird Troy Truman genannt. Auch hier schießt Howey über das Ziel hinaus und versucht in diesem 1000 Jahre in der Zukunft spielenden Teil auch mittels einer Figur aus dem Originalroman die einzelnen Romane enger miteinander zu verknüpfen und vor allem Spannung zu erzeugen. Das misslingt teilweise, denn das Troys Nachforschungen ohne Reaktionen bleiben, kann selbst dieser Charakter nicht glauben. Viel schlimmer ist, dass Howey bemüht versucht hat, verschiedene Fragen zu beantworten und damit deutlich über das Ziel hinausgeschossen ist. Auf der anderen Seite wirkt Troy mit seinem Vorgehen zu sperrig. Immerhin spricht Howey über einen Zeitraum von tausend Jahren, der impliziert, das jegliche Entwicklung innerhalb der Silos zum Stillstand gekommen ist. Auch wenn diese Konstruktionen als Bunker fürs Überleben konstruiert worden sind, erscheint es unwahrscheinlich, dass es zu keiner technologischen Weiterentwicklung innerhalb der Anlagen gekommen ist. Der menschliche Geist selbst auf engsten Raum versucht immer etwas zu verbessern. Da Troy und Donald – diese mehr nach seiner Familie suchend – ohne sehr große Probleme in den Tiefen der Computeranlagen forschen können, scheinen die hierarchisch von oben wenig gesichert zu sein. Da werden dem Leser Fragmente angeboten, die dieser schon sehr viel länger vorher erahnt hat. Howey bemüht sich umständlich, weitere Erklärungen nachzuschieben und schreibt dabei im Vergleich zum ersten Roman an relevanten Stellen zu viel, um an anderen wichtigen Punkten des durch die verschiedenen Ebenen immer sprunghaft erscheinenden Plots überflüssig über Aspekte zu philosophieren, die eher langweilig und bemüht erscheinen.

Ohne Frage hatte Howey in „Silo“ ein Bild vor Augen, in das er seine Geschichte eingepasst hat. „Level“ ist der Versuch, diesem Bild einen Hintergrund zu geben. Hier scheitert der Autor auf einen akzeptablen, nur Hardcore Fans der Serie wirklich befriedigenden Niveau, denn zu viele Informationen werden umständlich erläutert, die Figuren werden an keiner Stelle wirklich mehrdimensional und vor allem zugänglich beschrieben und gegen Ende des Romans geht Howey ernsthaft Stoff aus, den er in diesem Mittelband der Serie zu erzählen bereit ist. Es ist schade, dass sich der Autor entschlossen hat, nach seinem ohne Frage interessanten und weiterhin empfehlenswerten „Silo“ die Story nicht chronologisch weiter zu erzählen. Es bleibt abzuwarten, ob der Fund der Drohne – die Erde scheint sich von den Nano Bakterien erholt zu – außerhalb der Silos die Verheißung oder eine weitere Falle ist. Auf die meisten Ideen dieses Mittelbandes hätte der Leser ohne Probleme verzichten können.        

Piper Verlag

Erschienen am 11.08.2014
432 Seiten, Gebunden mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-492-05647-2
€ 19,99 [D], € 20,60 [A], sFr 28,90