Die Flammen des Mars

Greg Bear

“Die Flammen des Mars“ ist der erste Band einer neuen Trilogie des Amerikaners Greg Bear. Um es gleich vorweg zu nehmen, so großzügig gesetzt sich der erste Band der „War Dogs“ präsentiert, so schwierig ist sein Inhalt zu definieren. Wahrscheinlich hätte ein umfangreiches Taschenbuch für die Handlung ausgereicht. Mitten im Roman erinnern sich die Protagonisten – in erster Linie Soldaten, die einen Krieg kämpfen, der im Grunde nur wenig mit ihnen selbst zu tun hat -  an verschiedene alte Semikriegsfilme. Filme, in denen Soldaten im Grunde wie im Western in erster Linie Abenteuer vor einem militärischen Hintergrund erleben. In denen es um versteckte Schätze oder geheimnisvolle Erfindungen geht und in denen die Kameradschaft vor der eigentlichen Mission stehen sollte. So fühlt sich „Die Flammen des Mars“ teilweise auch an. Nur hat Greg Bear im Vergleich zu diesen lieb gewordenen Filmen wie „Three Kings“ – schlechtes Beispiel -, „Kelly´s Heroes“ oder mit Abstrichen „The Dirty Dozen“ vergessen, seine Figuren dreidimensional zu entwickeln. Während aber diese Filme in erster Linie sich über die Schauspieler und deren teilweise erstaunlich dreidimensionale Rollen definieren, geht Greg Bear einen anderen, nicht unbedingt erfolgsversprechenden Weg. Aus der nicht durchgängigen Ich- Perspektive eines ansonsten furchtbar blassen Protagonisten werden die Ereignisse der Vergangenheit als bester Teil des Romans und die Gegenwart eher schwammig zusammengefasst, wobei der Leser nicht wirklich nachhaltig einschätzen kann, ob dieser aus dem Kriegseinsatz kommende Soldat unter den Drogen leidet, die er teilweise auch für den Kampf auf dem roten Planeten bekommen hat oder ob es sich wirklich um eine effektive Zusammenfassung der Ereignisse handelt.    

Interessant ist, dass Greg Bear nach den postmodernen Kriegsfilmen der Gegenwart sich an einem Buch versucht hat, das einen postmenschlichen Krieg beschreiben soll. Sgt. Michael Venn ist einer der Skyrine Soldaten, die für die Menschheit in einem intergalaktischen Krieg kämpfen soll. Zu den interessanten Aspekten gehört der Besuch der Menschheit aus den Tiefen des Alls durch die Gurus, die vor dreizehn Jahre auf der Erde gelandet, nicht nur das Fluchen verboten haben, sondern die Menschen mit Wissen und technologisch fortschrittlichen Erfindungen förmlich überschütteten. Anfänglich bis auf das Einstellen des Fluchens forderten die Fremden nichts weiter. Die einzige interessante Idee an dieser Ausgangsbasis ist, dass die Menschen Ersatzschimpfwörter gefunden haben. Ansonsten haben sie unkritisch die Gaben des Gurus angenommen, weil sie ja so harmlos erschienen. Der Rückblick fasst diese originellen Ereignisse eher oberflächlich und durch Greg Bears absichtlich gekünstelten und von Andreas Brandhorst eher zähneknirschend übertrieben bis fragmentarisch übersetzten Stil zusammen als das er daraus notwendig für den ganzen Roman eine eigenständige Handlungsebene macht. Positiv gesehen umschifft der Autor dabei einige Klischees und Klippen, da der Leser im Gegensatz zur Menschheit weiß, dass es keine Geschenke ohne Rechnung gibt.  Auf dem Mars haben sich inzwischen die Feinde der Gurus angesiedelt. Es scheint einen intergalaktischen Krieg zu geben, in den die Menschheit durch die Annahme der Geschenke und vor allem das Ansiedeln der Gurus auf der Erde gegen ihren Willen hinein gezogen worden ist.

Um den Feind zu besiegen, werden entsprechende Bodentruppen aus allen Ländern der Erde zusammen, aber taktisch nicht gemeinsam zum Mars geschickt. Einen dieser eher verzweifelten Einsätze des allerdings erfahrenen Venn beschreibt der Großteil des Buches. Greg Bear ist ein erfahrener Science Fiction Autor, dessen Stärken nicht selten in der wissenschaftlich technischen Extrapolation gegenwärtiger Entwicklungen liegen. So beschreibt er die Ausrüstung der Soldaten direkt am Mann wie die verschiedenen Versorgungsmöglichkeiten ausführlich und zeichnet ein dreidimensionaleres Bild als zum Beispiel vom politischen Hintergrund seiner Zukunft.  Im Verlaufe der geradlinigen, aber auf verschiedenen Ebenen erzählten Handlung verzichtet der Autor auf die verschiedenen Versatzstücke und macht aus den reinen kriegstechnischen, aber eher chaotisch und leider nicht konsequent nachvollziehbar erzählten Kriegsaspekten eine Paranoia Story, in der es um mehr geht, als nur die Unterstützung der erstaunlich ambivalent agierenden Gurus. Zu den negativen Punkten dieser Szenen gehört ohne Frage, dass sich erstens der Leser kein abschließendes Bild über die Front machen kann. Da werden Meteoriten von den Feinden in Richtung Mars geschickt  und der Feind scheint sich bis auf die finalen zwanzig Seiten nicht zu zeigen. Venn feuert seine Waffen erst in diesem letzten, natürlich für eine Trilogie nicht nur frustrierend offen, sondern frech gestalteten Ende, während er auf den ersten einhundert auf dem Mars spielenden Seite fast ein Dutzend Mal an anderen Herausforderungen beinahe gestorben wäre. Das wirkt auf die Dauer langweilig, obwohl Greg Bear einen realistischen, einen roten und vor allem lebensfeindlichen wie unwirtlichen Mars zeichnet, auf dem allerdings als Gegenentwurf die ersten reichen Siedler von der Erde trotz aller Schmerzen überleben konnte. Diese Ambivalenz unterminiert die vielleicht militärische Botschaft des Romans und macht es schwieriger, das ganze Geschehen nachvollziehbar und für den Auftaktband einer Trilogie zufriedenstellender einzuordnen. Andy Weirs „Der Marsianer“ ist in dieser Hinsicht einen anderen Weg gegangen. Der Überlebenskampf in beiden Romanen ähnelt sich, da die größten Gefahren die unwirtliche Natur, die empfindlichen Anzüge, die fehlenden Nahrungsmittel und Wasser sowie die Idee ist, etwas anzufassen, was man niemals berühren sollte. Da aber Venn alles aus der Distanz in einem isolierten Haus wieder auf der Erde erzählt, wirkt die Dynamik der ersten Kapitel wie der sprichwörtliche Tanz um das goldene Kalb.

Nach der Hälfte des Romans wird die Idee eines Schatzes hinzugefügt. Mit dem Ort – Drifter – genannt kann der Autor nicht nur Spannung erzeugen, sondern sich von seinem die Glaubwürdigkeit fast erdrückend rudimentären Hintergrund lösen und sich auf einen kleinen Teil des Plots konzentrieren. In den Weiten des Mars fühlt sich der Autor deutlich wohler und kann ohne von außen Spannung zu implizieren sich auf die Dynamik innerhalb der Gruppe konzentrieren. Weiterhin positiv ist, dass sich Greg Bear plötzlich von der Idee einer fiktiven Geschichte in einem fiktiven Überuniversums löst. Immer wieder gibt es Querverweise auf andere fiktive Figuren von „Star Trek“ bis „Shakespeare“, von den angesprochenen Kriegsfilmen bis zu verschiedenen Romanen. Selten hat man so gebildete Mitglieder einer Elitetruppe gesehen. Immer wieder reißt Bear mit dieser Vorgehensweise seine Leser aus der unmittelbaren Umgebung seines Plots und fängt bei einem so kurzen Roman fast tödlich an, zu schwafeln und zu philosophieren. Da allen Figuren – selbst Venn – eine dreidimensionale Charakterisierung fehlt, wirken diese Ansätze bemüht und lenken zu sehr von der anfänglich ausgesprochen dünnen, vielleicht absichtlich sehr chaotisch erzählten Handlung ab. Vor vielen Jahren hat der Amerikaner mit „Heimat Mars“ einen politisch interessanten, Heinleins „Der Mond ist eine herbe Geliebte“ folgenden Mars- Roman verfasst, der aufgrund seiner dreidimensionalen Charaktere und vor allem der überzeugenden Zeichnung einer autarken Gesellschaft auf dem Mars punkten konnte. „Die Flammen des Mars“ wirkt von der Zeichnung seiner Fremden – die Feinde der Gurus sind überall und tauchen an keiner Stelle effektiv auf – über die Menschen bis zum politischen Hintergrund ohne Frage in der Theorie ambitioniert, in der vorliegenden umgesetzten Praxis allerdings noch rudimentär als militärischer Abenteuerstoff entwickelt, der hoffentlich in den beiden folgenden Bänden noch an inhaltlichem Gewicht zulegt. Ein höchstens solider, unnötig komplizierter, aber leider nicht komplexer Auftakt einer nur scheinbar Military SF Trilogie eines Autoren, der sehr viel mehr kann als er bislang zu zeigen bereit gewesen ist.    

 

 

 

ISBN: 978-3-453-52870-3
Verlag: Heyne

Erscheinungstermin: 
09.03.2015

Anz. Seiten: 
432 Seiten