Doctor Who "Die Stadt des Todes"

Wie „Shada“ basiert auch „Die Stadt des Todes“ auf einem Serial aus der Ära des vierten Doktors, nur mit dem Unterschied, das letzteres tatsächlich als zweite Folge der siebzehnten Staffel der klassischen Serie ausgestrahlt wurde. James Goss hat das von D
James Gross

Buchadaptionen von „Dr. Who“ Fernsehfolgen sind immer ein zweischneidiges Schwert. Die meisten vor allem zu Beginn veröffentlichen Adaptionen haben die Folgen sklavisch nacherzählt. Bei den verschollenen “Dr. Who“ Episoden hilft es den Fans, die Wissenslücken zu schließen. Bei den im Fernsehen ausgestrahlten Episoden dagegen konnten die Bücher nicht mithalten. Anders der Name Douglas Adams. Der Cross Cult Verlag hat schon seine Episode „Shada“ als Buch veröffentlicht. Da die Dreharbeiten abgebrochen und die Folge nur rudimentär und mit Standbildern ergänzt vorliegt, ist diese Vorgehensweise opportun. An „Stadt des Todes“ hat Douglas Adams ebenfalls mitgeschrieben, nur liegt diese noch heute populäre Folge nicht nur komplett auf DVD vor, die Buchadaption erschien mit über dreißig Jahren Verspätung erst im letzten Jahr. Wie im Nachwort von James Gross kurz zusammengefasst wird, basiert die ganze Folge auf einem Drehbuchentwurf von David Fisher. Die BBC konnte einige Drehtage mehr in Paris herausschlagen, so dass Douglas Adams als damaliger Drehbuchredakteur im Eilverfahren die Grundideen umgeschrieben, ergänzt, verfeinert und schließlich dem Team nach Paris geschickt hat. James Gross hat das Drehbuch von Douglas Adams nicht nur als Roman adaptiert, sondern aufgrund der vorliegenden Notizen und der alten von David Fisher verfassten Version erweitert. Viele in der „Tom Baker“ Folge unsanften Übergänge und fehlenden Erklärungen für die eine Nacht in Paris, die Romana erlebt hat, sind geglättet. Es empfiehlt sich insbesondere für „Dr. Who“ Fans, erst die Tom Baker DVD zu schauen und dann diese flotte und von Claudia Kern inspiriert übersetzte Buchadaption zu lesen.

Es ist selten, dass der Doctor am Ende über die Problematik der Zeitreise selbst philosophiert und das vor allem mehr als ein Protagonist – in diesem Fall wären es in der  Theorie sogar drei – durch die Zeit reisen kann. Aber in den lauen Sommertagen kann in Paris sehr viel passieren. Der Doctor und Romana wollen in Paris eigentlich Urlaub machen. Da Romana der alten Serie sich deutlich von den anderen Begleitern der neuen Fortsetzung unterscheidet, wird das Ziel der Reise kontrovers diskutiert. Romana ist auch nicht ausschließlich vom Doctor abhängig. Auch wenn sie Ende für ihre eigenwillige Zeitmaschine arg kritisiert wird, ist diese positive gesprochen vielschichtige Frau eine deutlich stärkere Begleiterin als viele andere zu junge Mädchen. Da der Roboterhund K 9 auf den holprigen und schmutzigen Straßen von Paris auch keinen Mehrwert hat, wird diese umstrittene, zu kindische Beigabe bis auf einige wenige, den „Anhalter“ Romanen entsprechend melancholisch gestaltete Szenen in der TARDIS interniert.  Kaum in der Stadt angekommen – der Leser weiß durch die wechselnden Perspektiven deutlich mehr als der Doctor – bemerken sie Risse im Raumzeitkontinuum. James Gross hat sich dabei auch visuell etwas einfallen lassen. Im Louvre begegnen sie in der Nähe der Mona Lisa einer geheimnisvollen Frau, die ein Arm trägt, das nicht irdischer Technologie entsprechen kann. Mit einem Bauerntrick kann es der Doctor stehlen. Zusammen mit dem handfesten Privatdetektiv Duggan – einem Vorläufer des Douglas Adams Charakter Dirk Gently – machen sie sich auf die Suche. Der einzige Anhaltspunkt sind die Störungen im Raumzeitgefüge und ein ungesundes Interesse an der Mona Lisa. 

Die die Mehrteilerstruktur mit dem jeweiligen Höhepunkt am Ende der zweiundzwanzig Minuten leiden die reinen Storyadaptionen im Vergleich zu den eigenständigen Stoffen eher unter einem ungleichmäßigen, teilweise sehr stark konstruierten Termpo. Douglas Adams ist als Autor dialogtechnisch stark genug, um dieses Ungleichgewicht vor allem durch die teilweise Screwballdimensionen annehmenden Diskussionen an unmöglichen Orten wie einer feuchten Kellerzelle unter der Zentrale des eigentlichen Antagonisten zwischen vor allem dem Doctor und seiner Umwelt auszugleichen. Die Romane haben den Anhang, zu viel erklären zu wollen und teilweise zu wenig zu zeigen. Das lag an den beschränkten Budgets und dem Hang, entweder an leicht zu erreichenden Orten zu drehen oder sich auf die vorhandenen Sets zu konzentrieren. In dieser Hinsicht ragt der vorliegende Roman aus der Masse der “Dr. Who“ Geschichten in mehrfacher Hinsicht positiv heraus. Zum einen war Douglas Adams dem Nachwort folgend von der Arbeit an dem Drehbuch unter extremen Zeitdruck so erschöpft, dass er im dritten Akt den Protagonisten sehr viel Bewegung in Paris verordnet hat. Die zusätzlichen Drehtage vor Ort helfen der Optik und in seiner Adaption gelingt es James Gross, über diese Dynamik bis zum finalen, dann aber eher den bekannten Schemata mit der direkten Auseinandersetzung Doctor/ Monster den irrwitzigen Plot weiter anzutreiben. Der Handlungsbogen ist nicht unbedingt kindlicher oder kindischer, aber Douglas Adams hat sich deutlich mehr an dem Comicniveau unter anderem auch mit einem freienden Schlag direkt ins Gesicht des Monsters orientiert. Ansonsten legt der Autor weniger Wert auf Brutalität oder Skurrilität, sondern treibt den Handlungsbogen unter anderem mit sieben Mona Lisas und einem Filzstift voran.  Noch stärker als bei vielen anderen „Doctor Who“ Inkarnationen hat Tom Baker sich lange Zeit die Figur in einer nicht immer leichten Ära der Serie zu Eigen gemacht und einen persönlichen Stil entwickelt, den Adams mit seinem Drehbuch, aber vor allem James Gross mit seinem Roman ausgesprochen gut treffen.   Ein Egomane, exzentrisch,  immer an der Grenze zur Arroganz und Selbstverliebtheit, dann wieder hilfreich und stellenweise sogar ausgesprochen nett. Es ist ein Tom Baker in Reinkultur, der hier präsentiert wird. Um Romana – ein wenig blass als Begleiterin über den ganzen Roman betrachtet – herum haben die Autoren mit dem exzentrischen Sammler und Grafen sowie seiner selbstverliebten Gattin einige interessante Nebenfiguren platziert, die wie der Wissenschaftler mit der Zeitmaschine – Huhn, Henne und Ei spielen hier eine Rolle – auf der Jagd nach dem Mona Lisa MacGuffin aus den unterschiedlichsten Motiven sind. Zumindest ist sich Douglas Adams der Tradition des damaligen Serienabschnitts bewusst, in dem nicht nur wie in der Neuinterpretation in erster Linie außerirdische Monster hinter allen Taten stecken, sondern sie auch ein Motiv haben müssen. Das wirkt im vorliegenden Fall wie der zu komplizierte Diebstahl der Mona Lisa konstruiert, ist aber effektiv. James Gross hat auch positiv die Möglichkeit, mit einem inhaltlichen Bruch in der ausgestrahlten Folge aufzuräumen. In der Fernsehepisode bricht der Graf fast unmotiviert seinen Plan ab, während er im vorliegenden Roman einen Alternativplan zugespielt bekommt, der weniger risikoreich erscheint. Die Erklärungen geben der neuen Richtung der Geschichte rückblickend sogar einen Sinn. Zusätzlich fängt James Gross in einigen fast beiläufigen Szenen das Leben in Paris selbst im unbewussten Angesicht der ultimativen Vernichtung sehr gut ein. Immer Allgegenwärtig und doch nicht dominierend.

„Stadt des Todes“ lebt selbst aus der Distanz von mehr als vierzig Jahren – auch wenn das Buch erst 2015 verfasst worden ist, sind die Wurzeln überdeutlich nicht negativ zu erkennen – von Douglas Adams nicht immer subtilen, aber so typisch britischen Humor, der auch seine „Per Anhalter durch die Galaxis“ Bücher zu Welterfolgen werden ließ. Die überdrehte Handlung mit dem perfekten ultimativen Verbrechen – das der eigentliche Schurke von Beginn an mit der ersten Stufe seines Plans im Grunde ad Absurdum führt – sowie den pointierten, doppeldeutigen Dialogen unterhält ausgesprochen gut und lässt die guten alten Zeiten, auf die sich die neue Serie positiv gerne neuinterpretierend beruft, vor allem vor den Augen der älteren „Dr. Who“ nicht neu, aber wieder entstehen. James Gross hat mit viel Liebe zum Detail den Gehalt von Douglas Adams schnell herunter geschriebenen Drehbuch in Buchform übertragen, behutsam modernisiert und einige Ecken/ Kanten eliminiert, so dass die Fernsehfolge „Stadt des Todes“   fast wie ein Rohentwurf zu dieser perfekteren Adaption erscheint.

  • Broschiert: 400 Seiten
  • Verlag: Cross Cult; Auflage: 1 (9. November 2015)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 386425793X
  • ISBN-13: 978-3864257933