Flammenzeit

Flammenzeit, David Weber, Rezension, Titelbild
David Weber & Jane Lindskold

Für den zweiten Band seiner Vorgeschichtentrilogie hat sich David Weber eine Co Autorin gesucht. Die in erster Linie für ein eher jugendliches Publikum ausgelegte Serie spielt 350 Jahre vor der populären, immer noch fortlaufenden Honor Harrington Serie. Viele Grundlagen wie vor allem die Freundschaft zu den katzenartigen Wesen werden in diesen drei Romanen gelegt. Im ersten Buch hat eine Vorfahrerin Stephanie Harrington die sechsbeinigen empathisch begabten Baumkatzen gefunden und dank ihrer besonderen Fähigkeiten im Gegensatz zu den Erwachsenen auch einen ersten Kontakt herstellen und eine Freundschaft schließen können. Die große Stärke des ersten Bandes lag in der Ausgeglichenheit der Handlungsteile. David Weber hat sich bemüht, nicht nur die Besiedelung des Planeten zu beschreiben, sondern vor allem den Katzen entsprechenden Platz in seinem Roman zu bieten. Durch diese auf den ersten Blick interessanten konträren Perspektiven hat der Autor selbst langjährigen Fans der Serie ausreichend Platz gegeben, in diese einzigartige wie fremde Kultur zu schauen. Deren Kultur ist ohne Frage an die Hierarchien und die Strukturen der irdischen Katzen angelegt. Dabei ist sich David Weber bewusst, dass von diesen Tieren auch gewisse Gefahrenmomente ausgehen müssen. Um Neueinsteiger an die Serie heranzuführen, wird auf den ersten Seiten des zweiten Romans noch einmal ein Einblick in deren Kultur dieses Mal nicht nur aus menschlicher, sondern vor allem aus der Perspektive von Stephanie Harringtons gegeben. Das wirkt angesichts des sich insbesondere auch für ein Jugendbuch langsam entwickelnden Plots nicht unbedingt notwendig oder opportun, aber die beiden Autoren haben zu stark die Zielgruppe Jugendliche im Blick. Dabei vergessen sie, dass andere Autoren wie Alan Dean Foster mit seinem Flynx Romanen diese Balance nicht nur deutlich besser entwickelt, sondern viele der vordergründigen Klischees – Mensch/ tierischer intelligenter Partner – dieses Handlungsbogen eleganter umschifft haben.

 Nach der Einführung, welche die zwei Jahre seit dem Auftaktband zusammenfasst, hat Stephanie inzwischen einen großen „Bruder“ und potentiellen wie platonischen Freund Karl Zivokin an ihrer Seite. Es ist der einzige Jugendliche in ihrem Alter auf dem Planeten, so dass alleine aus Zweckmäßigkeit die beiden heranwachsenden Jugendlichen Zeit miteinander verbringen. Karl Zivokin ist auch der einzige Mensch auf dem Planeten, der trotz oder gerade alle Erkenntnisse des ersten Bande ignorierend in Löwenherz ein gleichberechtigtes Individuum und kein wildes Haustier sieht. Gemeinsam arbeiten Stephanie und Zivokin in der örtlichen Waldjugend. Auf dem Planeten gibt es ausgedehnte Wälder. Feuer stellt immer nicht nur für die Wälder eine Gefahr da, sondern vertreibt die Baumkatzen aus ihren Häusern. Die Autoren versuchen zu argumentieren, dass Feuer ein wichtiger Bestandteil der ökologischen Balance ist, da es das Unterholz rodet und einigen Pflanzen notwendigen Lebensraum schafft, während es die Höhlen der Waldkatzen zerstört. Interessant ist dabei, dass die Autoren auch mit der ersten Szene – während einer unerlaubten Flugstunde entdecken Stephanie und Zivokon ein außer Kontrolle geratenes Feuer auf einem privat bewirtschafteten and – sich in eine argumentativ in eine Klemme manövrieren. Natürlich stellen die Feuer eine generelle Gefahr da und in erster Linie wird dabei Weideland gerodet. Die Pflanzen sind normalerweise Bestandteil eines Zyklus auf diesem Planeten, in den die Menschen durch ihre Besiedelung eingegriffen haben. Stephanie und Zivokin retten zwei Baumkatzen.

 Auf dem Planeten trifft ein Team von Anthropologen ein, das die Baumkatzen untersuchen will. Abgeführt wird das Team von Dr. Bradford Whittaker, der einen jugendlichen Sohn Anders mitbringt. Der Handlungsbogen ist eher klischeehaft. Whittaker will sich nicht an die etablierten Regeln halten und die Baumkatzen unter kontrollierten und kontrollierbaren Bedingungen untersuchen. Er schickt – wie passend – seinen Sohn aus, um Stephanie Harrington zu verführen, das Verhältnis zu Karl zu unterminieren und so durch die Hintertür viel mehr über die Baumkatzen zu erfahren. Anders steht natürlich vor einem Gewissenskonflikt. Soll er weiter den Anweisungen seines dominanten Vaters folgen oder seinen ehrlichen Gefühlen für Stephanie freien Lauf lassen und somit die Baumkatzen eher beschützen? Die Autoren bemühen sich, diesen inneren Zwiespalt als ein wichtiges Thema der Jugendbuchliteratur ambivalent herauszuarbeiten. Immer am Rande des Klischees und ein wenig zu eindimensional werden die entsprechenden Positionen vor allem auch für das natürlich feurige Finale etabliert. Am Ende befinden sich durch ein außer Kontrolle geratenes Feuer nicht nur die Baumkatzen in Gefahr, sondern vor allem das Team um Bradford Whittaker, das sich ohne Genehmigungen oder Aufsicht zu weit von den Siedlungen entfernt hat. Zumindest verzichten die Autoren darauf, dass die drei Jugendliche alleine den Tag retten und die Erwachsenen bekehren. Leider sind vor allem viele Nebenfiguren eher eindimensional etabliert und dienen alleine dazu, verschiedene Konflikte abzuarbeiten. Dadurch fehlt den menschlichen Szenen eine innere Dynamik und vor allem eine stetig sich aufbauende Spannung. In dieser Hinsicht wirkt der zweite Teil der Trilogie eher wie ein Rückschritt gegenüber dem auch nicht unbedingt originellen, aber zumindest vom Konzept her vielschichtigeren ersten Band der Serie.

Das David Weber aber sein Universum sehr gut im Griff hat, zeigt die deutlich vielschichtiger angelegte Handlungsebene mit den Baumkatzen. Der Harringtonfan weiß, dass sie ihre wahren Fähigkeiten erst sehr viel später den Menschen offenbaren. Es ist ein schmaler Grat, den Siedlern ins Bewusstsein zu rücken, dass die Baumkatzen keine Tiere sind, sondern über bestimmte Grundintelligenzen verfügen. Durch die wechselnde Perspektive und vor allem den Rückgriff auf einzelne in der Sammlung „Worlds of Honor“ veröffentlichte bislang allein stehende Kurzgeschichten  wird die Perspektive erweitert. Wie Harrington mit ihrem Vater und den anderen Siedlern hatte ihre Baumkatze ähnliche Probleme, seine Artgenossen davon zu überzeugen, das erstens nicht alle Menschen von sich aus böse sind und zweitens ein intensiverer Kontakt für beide Seiten von Nutzen sein könnte. Seine Argumente sind aber angesichts des Verhaltens der Menschen eher reine Theorie. Selbst Whittaker will nichts mit den Tieren zu tun haben, die durch den Kontakt mit Menschen für seine Forschungen schon kontaminiert sind. Am Ende müssen die Wildkatzen davon überzeugt werden, sich von den Menschen aus einem isolierten, vom Feuer umschlossenen Tal retten zu lassen.

Es sind auf beiden Handlungsebenen die Jugendlichen, welche vorangehen und versuchen, das gegenseitige Misstrauen aufzubrechen. Wie es sich für Youth Adults Bücher gehört, sind in erster Linie die Erwachsenen borniert, stoisch und voller Vorurteile. In dieser Hinsicht wird der erster Linie an der Schwelle zu Erwachsensein stehende Leser motiviert, nicht nur eine eigene Meinung zu bilden, sondern auch für seine Überzeugungen positiv zu kämpfen. Die Autoren verzichten im Vergleich zu vielen anderen Schriftstellern, die ihre Texte mit Botschaften überpflastern, auf zu sehr mahnende Worte, sondern versuchen Entwicklungen eher pragmatisch durch Taten in die Wege zu leiten. Unter dieser Konzeption leidet die leider stellenweise zu wenig originelle und vorhersehbare Handlung stark. Der Leser ahnt, wie sich der Höhepunkt abspielen wird. Und hier bieten die Autoren tatsächlich zu wenig an. Im Vergleich zu vielen anderen Trilogien allerdings bemühen sie sich, weitere Antworten auf die im ersten Buch aufgeworfenen Fragen zu präsentieren und „Flammenzeit“ ein eigenes Gesicht zu geben.    

 Das eigentliche Ziel, den Honor Harrington Kosmos weiter zu entwickeln und einzelne Hintergründe aufzuhellen, wird Schritt für Schritt erreicht. Es bleibt die Frage, ob Fans der inzwischen mehr als dreißig Teile umfassenden für ein deutlich älteres Publikum geschriebenen Serie bereit sind, ein nicht negativ gemeint Jugendbuch zu goutieren. Sollten sie zu dieser Trilogie greifen, so erhalten sie nur wenige neue Fakten, aber zumindest ein trotz der angesprochenen Schwächen solides Frontierabenteuer mit einer lebhaften, dreidimensional gezeichneten Vorfahrerin ihrer markanten Heldin.          

Bastei Lübbe

Taschenbuch
Science Fiction Romane
399 Seiten
ab 16 Jahren
ISBN: 978-3-404-20802-9
Ersterscheinung: 13.08.2015