Captain Future- der Marsmagier

Edmond Hamilton
Mit der im Sommer 1941 in den USA veröffentlichten „Captain Future“ Episode „The Magician of Mars“ betritt Edmond Hamilton in mancherlei Hinsicht Neuland, auch wenn er im Vergleich zu den letzten beiden Romanen die Abkehr von den Comic Geschichten ignoriert und zu einer teilweise persönlich gefärbten Rachestory zurückkehrt. Zum ersten Mal kehrt ein Schurke zurück. UI Quorn – in der deutschen Übersetzung Vul Kuolon -  hat Captain Future und seiner Mannschaft schon das Leben während der teilweise sehr brutalen Jagd auf die Raumsteine schwer gemacht. Hinzu kommt, dass Quorns Vater Futures Eltern ermordet hat. Diese persönliche Komponente lässt Future schwören, dass er dieses Mal Quorn höchstpersönlich töten und nicht wieder ins Gefängnis zurückbringen wird. Um diese persönliche Rachegeschichte am Ende abzuschwächen, wird Quorn letzt endlich nicht im Zweikampf auf Leben und Tod niedergestreckt, sondern darf im fulminanten Showdown über sein eigenes Schicksal bestimmen. Damit bleibt Futures Heldenmythos unbefleckt, auch wenn Edmond Hamilton wichtigen Aspekten seiner Geschichte damit ihrer innere Dramatik nimmt. 
 
Zu Beginn bricht Ui Quorn mit einer Handvoll schlimmster Verbrechen aus einem futuristischen Gefängnis aus. Viele der Verbrecher hat Future eigenhändig bei seinen zahlreichen Missionen gefangen genommen. Quorn möchte den einzigartigen Schatz bergen, den vor vielen Jahren der Forscher Haines in einem Paralleluniversum gefunden hat. Quorn muss sich nach dem Diebstahl des ersten Prototyps ein eigenes Raumschiff bauen, um in die fremde Dimensionen einzudringen. Future kann lange Zeit nur auf die rücksichtslosen Aktionen reagieren. 
 
Im Vergleich zu anderen Schnitzeljagden wie den „Diamanten der Macht“, in denen eine Reihe von verstreuten Hinweisen schließlich zum ultimativen Schatz und damit der potentiellen Beherrschung des Universums führen, baut Hamilton seinen vorliegenden Roman anders auf. Bis zum ersten vorläufigen Showdown – die direkte Konfrontation zwischen Schurken und Helden auf Augenhöhe – bleibt Future nichts anderes übrig, als auf Quorns Aktionen zu reagieren. Dabei muss er nicht selten auf die für Edmond Hamiltons frühe Geschichten so typischen Gimmicks setzen. Simon baut im Handumdrehen ein Gerät, mit dem die „Comet“ ebenfalls für Quorns sehr viel größeres Raumschiff die Mauer der Dimensionen überwinden kann. Das es notwendig ist, haben Future und seiner Männer in erster Linie ihrem Leichtsinn zu verdanken. So versucht sich Future mittels einer Tarnmaske in Quorns Team einzuschleusen. Eine Taktik, die bei der ersten Begegnung schon fehlgeschlagen ist. Auch da hat Quorns marsianische Lebensgefährtin ihn durchschaut. Warum Future derartig naiv an die Aufgabe herangegangen ist, entzieht sich dem Leser und der Autor liefert auch nur wenig befriedigende Antworten. Es ist kein Wunder, dass Quorn im Grunde triumphieren sollte. Immerhin hat er mit einer derartigen Aktion gerechnet. Auch später muss der Zufall Future helfen. Quorn lässt ihn auf einer Eiswelt zurück, nachdem sich Future aus dessen Raumschiff abseilen konnte. In einem Paralleluniversum gefangen, ohne großartige Technik auf einer unwirtlichen Welt. Natürlich auch ohne Kontakt zur „Comet“. Der Fluchtplan ist verzweifelt und unplausibel. Future will den Funkrichtstrahl seines Senders verstärken. Er rechnet damit, dass die „Comet“ an der gleichen Stelle von ihrem Universum in die jetzige Future Dimension überwechselt, so dass der konzentrierte Richtstrahl geordnet werden kann. Das ihn natürlich Joan dann schließlich auch noch auf dem unwirtlichen Planeten rechtzeitig vor dem Tod durch Erfrieren rettet, ist zu viel Kitsch und Unglaubwürdigkeit in einem. 
 
Da die Zielgruppe von Edmond Hamiltons Geschichten in erster Linie heranwachsende Jugendliche gewesen sind, wird zumindest kurzzeitig mit  einem im Alter dieser Leser befindlichen Waisenjungen eine weitere, wahrscheinlich absichtlich im Vergleich zum übercharismatischen Helden Future erreichbare Identifikationsfigur namens Johnny Kirk eingeführt. Dabei wechseln sich Heldentaten und waghalsige Aktionen seinerseits ab. Vielleicht lässt sich aufgrund einer Sorgfaltspflicht Futures Handeln an einigen Stellen erklären, aber zumindest schieben Future und Hamilton Kirk am Ende des Romans in die Schule ab. 
Interessanterweise reduziert Hamilton auch seinen Erzschurken Ui Ouorn auf ein erträgliches Niveau. Ihm fehlt die exotische Faszination und fremdartig bizarre Maske, die ihn in „Diamanten der Macht“ auszeichnete. Unerklärt bleibt, wie dieser den Superheldenschurken nachempfundene Charaktere ohne Probleme sich in kürzester Zeit wieder eine reichhaltig ausgestattete Machtbasis natürlich in der Abgeschiedenheit einer gigantischen Höhle in einem Dschungel auf den Außenwelten schaffen konnte. Quorn lässt noch stärker als im ersten Aufeinandertreffen Möglichkeiten aus, Captain Future auszuschalten. Während es in „Diamanten der Macht“ noch teilweise nachvollziehbar gewesen ist, da Captain Future das Versteck eines der sieben notwendigen Steine der Macht kennen konnte, gibt es im vorliegenden Band dafür keine weiteren Erklärungen. Das scheinbar finale Duell in einer archaischen Arena nutzt Quorn zum letzten Mal dazu, Futures Leichtgläubigkeit unter Beweise zu stellen. In einer nuanciert konstruierten Geschichte wäre der Held des Sonnensystems im vorliegenden Band dreimal besiegt worden. Daher gibt er im Vergleich zu den vorangegangenen Romanen auch eher eine ambivalentere und weniger überzeugende Figur ab. 
Folgt man aufmerksam den Leserbriefen auf den Seiten des „Captain Future“ Magazins, welche die amerikanische Haffnerausgabe so liebevoll nachgedruckt hat, gehört zu den ersten Forderungen der überwiegend jungen Leser, dass Future das Sonnensystem – bei Hamilton so bevölkert wie bei keinem anderen Pulpautoren dieser Ära – verlassen und fremde Galaxien aufsuchen sollte. Zum Teil erfüllt Hamilton diese Forderungen. Das große Problem liegt in der Tatsache begründet, dass das fremde Universum nur vordergründig wirklich exotisch ist. Die Idee eines unsichtbaren Planeten nicht nur für potentielle Invasoren, sondern auch für die Einheimischen wirkt interessant, wird aber vom Amerikaner zu wenig extrapoliert. Die visuellen Einschränkungen werden mittels kurzerhand aus dem Hut gezauberter technischer Erfindungen überwunden und die aufgefundene Kultur stellt sich als zu menschlich, allerdings auf einem archaischen Niveau heraus. Wie es sich für eine Reihe von Hamilton Abenteuer – siehe „The three Planeteers“ – gehört, wird die Legende bis zum bitteren Ende verfolgt. Hier treffen Hamiltons Helden nicht selten auf die tragischen „Pioniere“, die für ihren Forschergeist mit einer ungewollten Unsterblichkeit bezahlen müssen. Haines gehört in dieser Hinsicht zu einer Reihe von tragischen Opfern, wobei man ihm zu gute halten kann und muss, das er aufgrund seiner langen Abwesenheit niemals von Captain Future als Helden gehört hat. In der Paralleldimensionen gibt es wie in Hamiltons Sonnensystem die Überreste von vor Jahrtausenden untergegangenen Rassen, die sich nicht selten in Brüderkriegen aufgrund der immer perfider werdenden Technik selbst vernichtet haben. Wie schon angesprochen ist die konsequente Umsetzung des Gedanken des Unsichtbarkeit interessant angelegt, wird aber gegen Ende des Buches wie manch anderer Aspekt unnötig verworfen und nicht mehr ausgearbeitet. Solche Unachtsamkeiten zeigen, dass Edmond Hamilton die „Captain Future“ Geschichten wahrscheinlich rasant und in einem Zug ohne genau auf die ihm zur Verfügung stehende Länge im Magazin zu achten. So leidet „Der Marsmagier“ unter einem nach dem rasanten Prolog zu langsamen Auftakt, wo Hamilton sich mit einem interessanten Baseballspiel auf dem Mond von der humorvollsten Seite zeigt. Gut strukturiert mit einer richtigen Balance aus wissenschaftlich fiktiven Informationen und zwei guten Actionszenen ist nur der Mittelteil des trotzdem sehr kurzweilig zu lesenden Abenteuers. Der finale Showdown mit einer sehr geradlinigen Verfolgungsjagd, bei der Future und die „Comet“ durch einen Zufall wieder die Spur Quorns aufnehmen, ist ein solider Abschluss eines erst in der zweiten Hälfte einfallsreichen und neue Dimensionen aufbrechenden „Captain Future“ Abenteuers, in dem einiges an einfallsreichen Potential verschenkt wird. Auch wenn die „Superhelden“ Comicaspekte nicht mehr so deutlich wie in den ersten drei oder vier „Captain Future“ Romanen durchscheinen, ist die Idee der Rache an der nächsten Generation ein Gedanke, der Hamilton selbst wohl während des Verfassens des vorliegenden Bandes erschreckt hat. Anders lässt sich die Relativierung von Futures Einstellung nicht erklären.  
 
Edmond Hamilton, "Captain Future- der Marsmagier",
Roman, Softcover, 156 Seiten,
Bastei Verlag 1982