Götterdämmerung: Das Todes Labyrinth

Frank W. Haubold
Mit "Götterdämmerung: Das Todes- Labyrinth" legt Frank W. Haubold den zweiten Band seiner barocken Space Opera vor. Auch wenn auf den ersten zwei Seiten des Buches der Inhalt des Auftaktromans "Die Gänse des Kapitols" gut zusammengefasst worden sind, ist es elementar, den ersten Band zu lesen. Zu viele kleine Nebenhandlungen können nicht adäquat zusammengefasst worden und da Frank W. Haubolds zahlreiche, sehr unterschiedliche Charaktere verschiedene "Metamorphosen" durchlaufen, ist es zusätzlich empfehlenswert, diesen persönlichen Entwicklungen von Beginn an beizuwohnen. "Das Todes- Lybarinth" ist im Vergleich zu "Die Gänse des Kapitols" ein sehr schlichter, vielleicht sogar zu gewöhnlicher Titel, da der Autor seine Handlung über mehrere, deutlich voneinander abgetrennte Handlungsebenen ohne die zahlreichen Klischees des Genres voranzutreiben sucht.
Der griffigste Spannungsbogen ist die Expedition auf der Suche nach der verschollenen "Nemesis". Mit Kommandant Raymond Farr verfügt der Roman über einen charismatischen, aber nicht all wissenden Kommandanten, der zumindest Respekt vor der Aufgabe hat. Wie im ersten Band bemüht sich Frank Haubold, dem Leser eine Menschheit in einer fernen Zukunft zu beschreiben, deren Alltäglichkeiten aber auf der anderen Seite vertraut und angesichts des Zeithorizonts auch archaisch erscheint. So wird zumindest an Bord des Raumschiffs auch zum Buch gegriffen. Auffallend ist, dass der Autor jeglichen zeitlichen Druck aus dem Roman nimmt. Obwohl die Suche nach der "Nemesis" genauso wie der Vorstoss der "Hemera" - die zweite Space Opera Handlungsebene - für das Fortbestehen der Menschheit angesichts der immer gefährlicher werdenden eskalierenden Situation wichtig sind, hat man an keiner Stelle das Gefühl, als können die Weiten des Alls mit einem einzigen Sprung überwunden werden. Ohne in die Details zu gehen beschreibt Haubold das Leben an Bord der Schiffe mit einer Gemütsruhe, die am Rand der Kontraproduktivität entlang balanciert und trotzdem immer wieder die Kurve bekommt. Die Dialoge sind fein geschliffen und pointiert. Während wie schon angesprochen die "Hermera" sich drastischeren Gefahren stellen muss, die in der Begegnung mit dem Volk der Sikhanern gipfeln. Haubold beschreibt sie als humanoide Rasse, deren Kultur nicht sesshaft ist. Dieses Nomadentum befremdet anfänglich, wird aber vom Autoren solide hintergrundtechnisch entwickelt. Auf diesen beiden Handlungsebenen fügt Frank Haubold dem Stoff sehr viele Informationen hinzu. Dabei greift er entweder auf die schon bestandenen Abenteuer zurück oder lässt über die Zweifel der Protagonisten einen Blick in die nähere Zukunft zu. Die innere Ambivalenz soll den Figuren Tiefe verleihen, aber an einigen Stellen möchte der Leser sie in erster Linie schütteln und vorwärts marschieren, bzw. fliegen sehen. Haubold ist ein ausgesprochener emotionaler Autor, der sich gerne positiv wie negativ in seine Figuren verliebt. Was in einer Novelle überzeugend funktioniert und nicht selten den stringenten, auf die Pointe zielenden Plot unterstützt, sollte im Roman weniger Raum einnehmen. Nicht zuletzt in Kombination mit den anderen, noch anzusprechenden Spannungsbögen erfordert Das Todes- Labyrinth" von einer auf oberflächliche Action getrimmten Lesergeneration Geduld. Diese Anmerkung soll und darf nicht ausschließlich negativ verstanden werden. Dazu sind die einzelnen Charaktere zu genau, zu detailliert und zu menschlich" beschrieben worden. Aber wenn Haubold sich in einer zu langen, nicht bedingt erotisch, sondern mechanisch erscheinenden Sexszene fast verliert, dann strapaziert er seine Leser zu sehr, ohne das der vielschichtige, komplexe Plot voran getragen wird. Auch seine Dialoge wirken teilweise zu übertrieben sexistisch und aus einer fast nüchtern neutralen Voyeurperspektive voller Machountertöne erzählt. Der Witz mit dem sich freuen" reißt spätestens den Leser aus einer interessanten Zukunft in die platte Gegenwart zurück. Die Wahrscheinlichkeit, das in einer derartig fremden Welt wie heute gesprochen wird, ist gering und von einem Stilistischen wie Frank W. Haubold darf auch mehr erwartet werden.
Ab der Mitte des Buches nehmen die beiden Haupthandlungen auch Tempo auf und das Geschehen wird über die in erster Linie intellektuelle Zustandsbeschreibung der Figuren hinaus farbenprächtiger und deutlich interessanter. Eine der wichtigsten Facetten ist der Dichter Rilke, der schon den ersten Band mit philosophisch existentiellen Leben erfüllte. Die Isolation von seiner Umwelt schenkt Haubold die Möglichkeit, aus der realistisch futuristischen Handlung förmlich auszubrechen und viele Aspekte auch ironisierend zu hinterfragen. Zu den lesenswerten Geschöpfen des vorliegenden zweiten Buches gehören ohne Frage die Angels", denen sich der Leser ausschließlich aus einer subjektiven Perspektive nähern kann. In diesem Spannungsbogen hat man unwillkürlich das Gefühl, als wären die Haupthandlungen eher ein von Rilke erschaffenes Kammerspiel, das wie Shakespeare schon geschrieben hat, auf einer irrealen Bühne im Grunde nichts" bedeutet. Eine der spannendsten Fragen des oder der nächsten Bände ist, wie Haubold die Rilkeebene mit den anderen Bögen verbinden wird. Mit dem Dichter Rilke in dieser futuristischen Inkarnation tritt auch ein positiv typischer Haubold Charakter auf, der melancholisch, vielleicht ein wenig verbittert sich einem Schicksal stellt, das er nicht erfassen kann. Es sind diese tragischen Antihelden, die viele der besten Hauboldnovellen auszeichnen und die der Leser auf den anderen Handlungsebenen teilweise fast schmerzhaft vermisst.
Hinzu kommen eine Reihe von neuen" Figuren wie der James Morrison Klon, der von einer Freundin begleitet wird, die sich extra künstlich hat verändern lassen, um dessen alter Freundin zu entsprechen. Die Versetzung von Kultfiguren der näheren Vergangenheit in eine ferne Zukunft - wobei James Morrison mit seiner dem Original entnommenen Todessehnsucht perfekt in die Rilke Handlungsebene passen könnte - ist immer ein zweischneidiges Schwert. Die passive Identifikation des Lesers mit diesen markanten Charakteren ist deutlich größer, auf der anderen Seite fällt auch die Barriere einer fremden fernen Zukunft und die Einflüsse der näheren Gegenwart werden stärker. Während Frank Haubold die Balance bei der Zeichnung seiner Figuren gut im Griff hat, wirken wie schon angesprochen viele Dialoge zu gegenwärtig, zu profan und zu wenig futuristisch verändert, als das sich der Leser diese Protagonisten wirklich in einer fernen, teilweise so wunderschön fremdartigen Welt vorstellen kann. Im Gegensatz zu den Helden werden die potentiellen Antagonisten wie die Regentin sehr viel differenzierter und exotischer gezeichnet. Sie planen zwar überwiegend im Hintergrund und verfügen über nur wenige Szenen, diese sind aber deutlich interessanter beschrieben als die Suche nach der Nemesis" oder wie die Kämpfe, welche die Hemera" ausfechten muss. Die potentiellen Actionszenen gehören ohne Frage zu den Schwachstellen des Romans. Frank W. Haubold ist kein Actionautor und kann diese Schwäche" nicht gänzlich verbergen. Sehr viel interessanter sowohl in inhaltlicher als auch stilistischer Hinsicht wird sein Roman, wenn er über die Äonen der Zeit philosophieren und ein Menschheitsbild erschaffen kann, das so vielschichtig, bizarr und doch zugänglich ist.
Eine weitere Schwäche des vorliegenden Romans liegt in seiner Struktur. Es ist ein Mittelband" einer sich noch entwickelnden Serie. Gegen Ende verschiebt Frank Haubold viele Aspekte auf die noch zu schreibende Fortsetzung und sucht ein Cliffhangar Ende. Das ist bei einer Serie nicht zu verurteilen, aber die Struktur des Buches leidet nach der Tempoaufnahme im Mittelteil und der zufrieden stellenden Etablierung der einzelnen Handlungsteile unter der Tatsache, das der Leser wahrscheinlich ein Jahr auf den nächsten Band warten muss.
Das Todes- Labyrinth" wirkt im Vergleich zu Die Gänse des Kapitols" zugänglicher. Obwohl Frank W. Haubold immer noch sehr viele, hier ungenannte kleine Ideen in die Handlung eingestreut hat, fehlt dem Roman ein wenig das Herz zum Experimentieren, zum Ausmalen eines so fernen Universums, in dem sich die Legenden der längst vergessenen Vergangenheit mit einer potentiellen Bedrohung der Zukunft treffen. Haubold sonst so lesenswerter melancholischer Unterton ist ein wenig der Schwermut gewichen, welche die Arbeit an einem Roman kennzeichnet, an dem der Autor auf der einen Seite hängt, dessen erster Teil aber zumindest impliziert von der Öffentlichkeit nicht richtig wahr genommen worden ist. Es empfiehlt sich wahrscheinlich, auf die Veröffentlichung aller Bände zu warten und die Götterdämmerung" in einem Rutsch zu lesen, um das ganze Panorama zu erfassen, das Haubold in diesem unter kleineren Schwächen ambitioniert, vielleicht sogar ein wenig zu überambitioniert zu viel auf einmal wollend weiter gezeichnet hat.

 

  • Broschiert: 245 Seiten
  • Verlag: Atlantis Verlag Guido Latz (15. September 2013)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3864021219
  • ISBN-13: 978-3864021213